Dollars, Hoffnungen und Kontroversen - REDD in Amazonien

Ein kleiner Führer durch eine komplexe Debatte

8. November 2010
Von Thomas Fatheuer

War die Abkürzung REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation) bisher nur Insidern der Klimaverhandlungen geläufig, ist sie nun in atemberaubender Schnelligkeit in den Wortschatz von NGOs, indigenen Organisationen und Basisgruppen in Amazonien gelangt. Aber in kurzer Zeit ist REDD auch zu einem Reizwort geworden. Während für die einen REDD ein großer Hoffnungsträger für Wald- und Klimaschutz ist, sehen andere die Gefahren einer Merkantilisierung von Natur und Lebensräumen. Ein erster Effekt von REDD ist bereits sichtbar: Es spaltet soziale Bewegungen (nicht nur) in Lateinamerika. Warum provoziert REDD so unterschiedliche Erwartungen?

REDD – von einer einleuchtenden Idee zum Streitgegenstand

Entwaldung verursacht Emissionen von Kohlendioxid (CO2) – nach Schätzungen stammen etwa 15-20 Prozent der globalen CO2-Emissionen aus Entwaldungen. Seit dem Stern Report (2006) hat diese eigentlich alte Erkenntnis eine neue Konjunktur erfahren. Die Reduzierung von Entwaldung galt von nun an als ein Königsweg in der globalen Klimapolitik: Sie ist preiswert, relativ schnell umzusetzen und gerät nicht in Interessenskonflikt mit den Wachstumsambitionen der aufstrebenden Industriegroßmächte Indien und China. Auf der Klimakonferenz in Bali 2007 wurde die Reduzierung der Emissionen aus Entwaldung ein wichtiger Bestandteil der offiziellen Klimaverhandlungen. Die Abkürzung REDD war geboren, und es begann ihre rasche Karriere. Die Bali-Roadmap fasst unter REDD+ bereits vieles zusammen: die Reduzierung von Entwaldung, den Erhalt von Wäldern, das nachhaltige Waldmanagement und die Erhöhung von Kohlenstoffbeständen in Wäldern.

Bereits in der Bali-Roadmap offenbart sich REDD als ein Kampffeld: Was unter REDD gefasst werden soll und kann, ist bis heute unklar und umstritten. Die Bali-Roadmap schließt z.B. „sustainable forest management“ ein, normalerweise eine Beschreibung für großflächige Holzwirtschaft. Die weltweiten Debatten um REDD spiegeln sich besonders in Südamerika wider. Die Amazonasregion, und hier insbesondere Brasilien, sind das größte Regenwaldgebiet der Erde. Die Zukunft von REDD hängt daher entscheidend von dieser Region ab.

Große Erwartungen

REDD hat große Erwartungen geweckt, nicht zuletzt bei indigenen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Brasilien. Für die Befürworter ist REDD eine einmalige Chance, eine ökonomische Basis für den Waldschutz zu schaffen. Laut Paulo Moutinho vom Instituto de Pesquisa Ambiental da Amazônia (IPAM) hat das im brasilianischen Amazonaswald gespeicherte CO2 einen Wert von 500 Mrd. US-Dollar. Waldschutz könnte so mehr einbringen als die Umwandlung des Waldes in Anbauflächen für Soja oder Viehweiden. In einem Artikel in der Science (vol. 326, Dez. 2009) haben Wissenschaftler aus verschiedenen Länder vorgerechnet, dass der totale Stopp der Entwaldung im brasilianischen Amazonasgebiet etwa 7 bis 18 Mrd. US-Dollar pro Jahr kosten würde. Daniel Nepstad, einer der Verfasser der Studie, hält es nicht nur für möglich, dass REDD solche Mittel aufbringt – sondern er hält sogar mehr für möglich. „In unserer Studie ging es nicht darum zu schätzen, was der Markt aufbringt, das könnte viel mehr (als 7-18 Milliarden) sein.“

Wenn solche wie die genannten Zahlen im Spiel sind, dann ist REDD nicht mit bisherigen Programmen der internationalen Zusammenarbeit zu vergleichen. Milliardenbeträge pro Jahr für den Waldschutz würden tatsächlich die ökonomischen und sozialen Realitäten in Amazonien radikal verändern. Es ist auch verständlich, dass solche Zahlen riesige Erwartungen bei den sozialen Bewegungen in Amazonien wecken. Organisationen der indigenen Völker des Amazonasbeckens (COIAB), der Kautschukzapfer (CNS), das Netzwerk von Basisgruppen in Amazonien (GTA) und brasilianische NGOs schlossen sich einer Pro-REDD-Mobilisierung an. Wichtiger Akteur wurde das Forum da Amazônia Sustentável (koordiniert von Imazon), das neben den Organisationen der Zivilgesellschaft auch für Amazonien zentrale Unternehmen umfasst, wie das Bergbauunternehmen Vale oder den Aluminiumkonzern Alcoa. Diese Akteure haben sich ausdrücklich für REDD mit Marktmechanismen ausgesprochen – und damit eine erbitterte Diskussion ausgelöst.

Inzwischen haben sich aber die Erklärungen gegen REDD mit Marktmechanismen gehäuft. In Brasilien wurde 2009 ein offener Brief, die sogenannte Carta de Belém veröffentlicht, die u.a. von NGOs (FASE, Amigos da Terra Brasilien), Netzwerken aus Amazonien (FAOR) und Bauernorganisationen (Via Campesina) unterzeichnet worden ist. In dieser Erklärung wenden sich die Unterzeichner explizit gegen die Merkantilisierung und Kommodifizierung des Waldes. In anderen Ländern Südamerikas verstärkte sich unter brasilianischer Beteiligung die Ablehnung von Marktmechanismen. So haben das Forum Social das Americas, der alternative Klimagipfel von Cochabamba und die Regierung von Bolivien  Erklärungen gegen REDD mit Marktmechanismen verfasst. Auch hier war Lobby-Arbeit wirksam. Die Regierung Boliviens war anfangs durchaus offen für jegliche Art von REDD-Finanzierung. Indigene Organisationen Südamerikas haben zahlreiche Erklärungen sowohl für wie gegen REDD unterzeichnet. Die Fronten dieser zwei Positionen, pro und contra, verhärten sich allerdings zunehmend.

Warum auf den Markt hoffen?

Die starke Unterstützung für REDD mit Marktmechanismen hängt offensichtlich mit den finanziellen Erwartungen, die geweckt worden sind, zusammen. Nur der Markt, so das Credo der Befürworter, könne genug Finanzmittel aufbringen, um die notwendigen Milliardenbeträge für einen wirksamen Waldschutz zu sichern. So geht etwa Virgilio Viana, Ex-Umweltminister des Bundesstaates Amazonas und aktiver REDD-Lobbyist, davon aus, dass ein internationaler CO2-Markt „sieben Milliarden US-Dollar pro Jahr bis 2012“ mobilisieren könne.

Die Bereitstellung solch gewaltiger Summen hängt aber davon ab, dass ein internationaler Emissionshandel geschaffen wird, auf dem Emissionen des Nordens gegen Waldzertifikate getauscht werden können. Die jetzt schon existierenden freiwilligen CO2-„Märkte“ können nur wesentlich geringere Mittel aufbringen. Ein internationaler Emissionsmarkt mit Waldzertifikaten hängt nicht unbedingt von einem globalen Klimaabkommen ab, sondern könnte auch durch ein Klimagesetz der USA geschaffen werden.  Allein die Vorschläge eines zurzeit verhandelten Klimagesetzes (Wexham/Markey) hätten laut Viana das Potenzial 10-20 Milliarden US-Dollar jährlich für den Waldschutz bereitzustellen.

Die Aussicht auf derartige Geldbeträge hat in Brasilien die Diskussion entscheidend beeinflusst. Eine breite Front, die von den Gouverneuren der amazonischen Bundesstaaten über NGOs bis zu indigenen Gruppen reicht, hat sich im Vorfeld der Konferenz von Kopenhagen dafür eingesetzt, dass sich die brasilianische Regierung – entgegen ihrer bisherigen Position – für ein REDD-Regime mit Marktmechanismen einsetzt.

Marktskepsis

Auf der anderen Seite stehen die Kritiker. Signifikante Summen werden Marktmechanismen ja nur aufbringen können, wenn sie an eine Kompensation („offset“) gebunden sind. Sprich: Verschmutzer aus dem Norden würden ihre Reduktionsziele durch den Kauf von CO2-Zertifikaten aus reduzierter Entwaldung erreichen – nur um dergestalt ihre Verschmutzung im Norden fortzuführen. Ein solch ausgestalteter Mechanismus des Handels mit CO2-Zertifikaten existiert zurzeit allerdings nicht, der europäische Emissionshandel erlaubt derzeit nicht den Einsatz von Waldzertifikaten.

Die klimapolitische Brisanz von REDD ist offensichtlich: die unterlassene Reduzierung von CO2 im Norden wird mit Walderhaltung aufgerechnet. Der notwendige Umbau der Ökonomie des Nordens kommt damit nicht voran. REDD wird ein Mechanismus, um Zeit zu gewinnen. Das könnte aber gerade im augenblicklichen Zustand der Klimaverhandlungen das einzig realistische kurzfristige Ergebnis der nächsten Runden sein.

Für die Kritiker von REDD mit Marktmechanismen bedeutet dies nicht nur, einen fragwürdigen Ablasshandel zu ermöglichen, sondern auch einen Schritt zur Merkantilisierung der Natur. „So wird eine neue Etappe der Privatisierung der Natur beginnen, die sich in bisher nicht gekannter Weise auf Wasser, auf Biodiversität und alles, was sich nun 'Umweltdienstleistungen' nennt, ausdehnt“, so der bolivianische Präsident Evo Morales in einer Erklärung.

Auf jeden Fall würde REDD als Marktinstrument dazu tendieren, soziale Akteure in Amazonien zu Anbietern von Dienstleistungen zu transformieren. Ganz egal, wie man zu REDD mit Marktmechanismen steht – die Konsequenzen einer derartigen Transformation sind zum jetzigen Zeitpunkt kaum zu übersehen: Neue Ungleichheiten werden das soziale Gefüge radikal verändern. Nicht alle sozialen Gruppen verfügen über Wald (=CO2), wie etwa traditionelle Fischer. Auch lassen sich die Ökosysteme Amazoniens nicht auf Wald reduzieren. Und trotz aller Win-win-Rhetorik, die auf den Gewinn von REDD für die Biodiversität hinweist – auf den Emissionsmärkten zählt nur noch das messbare CO2. Indigene Völker und traditionelle Waldnutzer müssen sich dann aber als Anbieter einer handelbaren Dienstleistung  auch gegen andere Anbieter behaupten. Dies wird nicht ohne Abhängigkeiten von Beratern zu machen sein. Bereits jetzt ist eine neue Generation von „Experten“ in Amazonien aufgetaucht. Sie verstehen nichts von Ökologie oder sozialen Fragen, können aber umso besser CO2 berechnen, mit GPS umgehen und REDD-Projekte entwickeln. Neue Wörter dringen in den Sprachschatz, wie etwa „Carbon Hunters“, die mit Vertretern indigener Völker nicht regulierte CO2-Deals für einen freiwilligen Markt abschließen.

REDD – Zweifel und ungelöste Fragen

Aber auch jenseits des Grundsatzstreites um REDD mit Marktmechanismen gibt es eine Reihe ungelöster Fragen. Viele internationale NGOs, die den Einsatz von Marktinstrumenten nicht prinzipiell ablehnen, sehen Probleme und Risiken im Verhandlungsprozess. Ein Stein des Anstoßes bleibt die viel zu weite und ungenaue Definition von Wald. Bisher gilt in den Klimaverhandlungen die sogenannte Marrakesch- Definition, die Wald folgendermaßen definiert: „Forest is a minimum area of land of 0.5 ha with tree crown cover of more than 10-30 % with trees with a potential to reach a minimum height of 2-5 at maturity in situ.“

Diese Definition schließt ausdrücklich Plantagen ein und fördert somit Befürchtungen, dass REDD missbraucht werden könnte zur Umwandlung von (degradierten) Wäldern zu Plantagen oder zumindest zur Förderung von Baumplantagen. Dies gilt insbesondere für Ölpalmen. Diese Befürchtung eint REDD-Befürworter, die sich um das „Wie“ Gedanken machen, mit den grundsätzlichen Kritikern.

In Brasilien hat die Regierung den Fundo Amazônia eingerichtet, der erste REDD-Projekte unterstützt und vorwiegend von der norwegischen Regierung finanziert wird. In seinem Regelwerk zieht er keine klaren Grenzen zwischen Naturwäldern und Plantagen, er ermöglicht folgende Finanzierungslinien:

  • die Förderung von Waldsystemen („sistemas florestais“)
  • die Entwicklung und Einrichtung von Modellen zur Wiederherstellung von Schutzzonen mit Schwerpunkt auf der ökonomischen Nutzung

Hier wird vieles von der Gestaltung von REDD-Projekten in der nächsten Zeit abhängen. Der Druck, auch Aufforstung unter bestimmten Bedingungen in einen REDD-Mechanismus zu integrieren, ist groß und wird durch einflussreiche Lobbygruppen gestärkt.

Prämie für Entwalder?

Ein zweites nicht gelöstes Grundproblem von REDD ist die Frage, wie die Reduzierung von Entwaldung mit Walderhalt in Einklang zu bringen ist. Wenn sich REDD, wie ursprünglich gedacht, insbesondere auf die Reduzierung von Entwaldung konzentriert, würden die bisherigen Waldzerstörer die großen Nutznießer von REDD werden, während etwa indigene Völker, die ihren Wald erhalten haben, weitgehend leer ausgingen. Dass ein derartig gestaltetes REDD schwerste Legitimationsprobleme heraufbeschwören würde, ist inzwischen auch den REDD-Befürwortern aufgegangen. In Brasilien hat die NGO IPAM einen Vorschlag entwickelt, bei dem sowohl die Reduzierung von Entwaldung wie auch die Walderhaltung REDD-Zertifikate bekommen können. Aber es gibt keine Garantie, dass solchen Vorschläge mit den Ergebnissen der Verhandlungen übereinstimmen werden.

Praktisch alle am REDD-Prozess beteiligten Akteure der Zivilgesellschaft, aber auch Weltbank, UN und viele Regierungen betonen, dass REDD die Rechte indigener Völker und traditionelle Waldnutzer respektieren und eventuell stärken muss. Der bisherige REDD-Prozess lässt aber Zweifel aufkommen, ob solche Bekenntnisse nicht reine Rhetorik  bleiben.

Der „free, prior und informed consent“ (FPIC) soll Grundlage der Einbeziehung von Indigenen sein. Aber REDD entstammt nicht dem Arsenal von Forderungen indigener Völker. In Amazonien können wir zurzeit einen Wettkampf um Zustimmung oder Ablehnung von REDD beobachten, bei dem Indigene und traditionelle Nutzer eher Objekte als Subjekte sind. Powerpoint-Präsentationen mit den auch hier zitierten immensen Zahlen sind in Seminaren und Kursen allgegenwärtig. In kurzer Zeit hat eine erstaunliche Vielzahl von finanzierten Pro-REDD-Aktivitäten im  Amazonasgebiet um sich gegriffen. Alle diese Aktivitäten waren und sind darauf aus, Zustimmung zu REDD zu erzielen – „Readiness for REDD“ heißt daher auch die aktuelle Phase. Diese Prozesse sind nicht ergebnisoffen, sondern eher Propagandaveranstaltungen, die „stakeholders“ ködern sollen. Ihnen fehlt das dialogische Element, das auch Grundsatzdiskussionen zu REDD zulassen müsste. Die jetzt zu beobachtenden Divergenzen sind Resultat eines Prozesses, der gleich auf Unterstützung zielte, statt einen umfassenden Dialog zu ermöglichen.

Symptomatisch ist die Kritik der indigenen Völker Guyanas an dem REDD-Vertrag ihrer Regierung mit Norwegen, der die Zahlung von 250 Millionen US-Dollar für REDD-Aktivitäten via Weltbank vorsieht: „We demand that any official procedures for opting in (and opting out) Low Carbon Developing Strategies or REDD+ ... be based on established principles of FPIC, including our right to develop and adopt our own FPIC and good faith negotiations guidelines.“

Die Kritik an dem REDD-Abkommen mit Guyana zeigt, dass der bisherige REDD-Prozess in Amazonien eher auf schnelle Zustimmung zielte denn auf einen geduldigen und langwierigen FPIC-Prozess (weitere Informationen).

Ohne gesicherte Rechte indigener Völker und traditioneller Nutzer ist REDD ein risikoreiches Unterfangen. In Brasilien sind zwar die Rechte indigener Völker in Amazonien  weitgehend abgesichert, aber in weiten Teilen des Amazonasgebiets sind die Besitztitel unklar oder umstritten. Wie soll REDD unter solchen Bedingungen funktionieren? Erste Stellungnahmen zu REDD betonen daher die Notwendigkeit, die Frage des Landbesitzes in Amazonien zu klären. Dies allerdings ist ein langwieriger Prozess. Das Tempo, mit dem nun an der „Readiness for REDD“ gearbeitet wird, korrespondiert nicht mit den komplexen Prozessen und Entscheidungen, die ein neues Klima-Wald-Regime mit sich bringt.

Wie weiter?

Die im Mai 2010 ins Leben gerufene REDD-Partnerschaft soll die verschiedenen Programme unter einem Dach vereinen, insbesondere die Forest Carbon Partnership Facility (FCPF) der Weltbank und das UN-REDD-Programm. Bisher hakt aber auch dieser Prozess, und die zugesagten Mittel für „Readiness for REDD“ fließen nur zögerlich. Ob Cancún hier einen Durchbruch bringt, ist inzwischen mehr als fraglich. Fast alle Beteiligten stellen sich inzwischen darauf ein, dass der Prozess zu einem umfassenden, globalen REDD-Programm langwierig ist. Dies steht im tendenziellen Widerspruch zur Erwartung, REDD könne ein schnell zu etablierendes Instrument der Klimapolitik werden. Schnell ins Leben gerufen wurde jedenfalls ein unübersichtlicher Prozess von Pilotprojekten, Seminaren und Konsultationen, der einen eigenen REDD-Kosmos in Amazonien schafft.

Inzwischen hat sich weitgehend die Überzeugung durchgesetzt, dass REDD in drei Phasen implementiert werden soll: Die „Readiness for REDD“ soll in eine zweite Phase fondsfinanzierter REDD-Programme auf nationale Ebenen überleiten. Erst in der dritten Phase soll ein Emissionsmarkt mit Kompensationen („offsets“) einbezogen werden.

Den schnellen Milliarden, die viele von REDD erhoffen, ist also ein mühevoller Weg vorangestellt. Zunächst ist es offensichtlich einfacher, traditionelle Geber wie Weltbank, UN und einige Regierungen (wie Norwegen) zu mobilisieren als den „Markt“. Die Erfahrungen aus Europa lehren, dass die Etablierung von Emissionsmärkten ein komplexer und langwieriger Prozess ist – insbesondere, wenn durch „offsets“ viel Geld bewegt werden soll. Denn Kompensationszahlungen wird nur der leisten, der zu weitgehenden Reduktionszielen („caps“) verpflichtet ist. Das politische Umfeld für solche Reduktionsziele – und seien sie auch durch „offsets“ verwässert – ist aber zurzeit eher schwierig.

Mindestanforderungen an ein konsensfähiges REDD

Die Grundidee, einen finanziellen Ausgleich für Walderhalt in einem Finanzierungsmechanismus zu verankern, ist sicherlich interessant und für Länder und Völker Amazoniens attraktiv. Damit REDD aber nicht zu einer Fragmentierung sozialer Gruppen und neuen ökonomischen Ungleichheiten führt, sollten folgende Grundanforderungen erfüllt werden:

  • REDD muss als „public policy“ auf nationaler Ebene konzipiert sein.
  • Beschränkung auf Reduzierung von Entwaldung und Walderhalt ist fundamental.
  • REDD darf keine Hintertüren zur Förderung von Baumplantagen offenlassen.
  • Die Wahrung der Rechte indigener Völker und traditioneller Nutzer muss auf allen Ebenen (national bis lokal) garantiert sein. Der Dialogprozess für einen FPIC muss transparent und ergebnisoffen sein.

Wenn ein marktorientiertes REDD, das auf „offsets“ basiert, klimapolitisch zumindest fragwürdig ist, die indigenen Völker Amazoniens spaltet und großen Widerstand hervorruft, dann ist es an der Zeit, dass die wichtigen REDD-Player (Weltbank, UN, Regierungen des Nordens, große NGOs) dies als objektiven Faktor begreifen und ernst nehmen.

Eins jedenfalls steht fest: REDD wird in den nächsten Jahren ein Feld von Kontroversen bleiben. Die von vielen Akteuren verbreitete Aussicht auf Milliardenbeträge für indigene Völker durch Marktmechanismen ist im Augenblick nichts weiter als Wunschdenken. Bis zur Einrichtung eines verbindlichen Emissionshandels mit „offsets“ für REDD ist ein langer, komplexer und heute völlig unsicherer Weg zurückzulegen. Es wäre fatal, wenn die Fixierung auf einen nicht vorhandenen Markt heute das Design von REDD beeinflussen würde.

Thomas Fatheuer war von 2003 bis Juli 2010 Büroleiter des Rio-Büros der Heinrich-Böll-Stiftung. Zuvor arbeitete er in Projekten zum Waldschutz im Amazonasgebiet. Zurzeit lebt er als Autor und Berater in Berlin.