Zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU
Die Landwirtschaft steht weltweit vor der Herausforderung, Nahrungsmittel für eine stark wachsende, zunehmend urbane Weltbevölkerung produzieren und ländliche Armut reduzieren zu müssen. Der Klimawandel, knapper werdende Ressourcen, erodierende oder ausgelaugte Böden und weltweit instabile Märkte für landwirtschaftliche Produkte machen dies umso schwieriger.Eine Landwirtschaft, die Umwelt und Klima schützen und die biologische Vielfalt erhalten will, muss auf europäischer Ebene ansetzen. Europäisches Handeln hat klare Vorteile (1) bei Zielen mit grenzüberschreitendem oder globalem Charakter, (2) bei Problemen, die zwar regional oder national sind, für die aber in den betroffenen Ländern keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stehen (z.B. der Erhalt ländlicher Räume in ärmeren Regionen) sowie (3) in Bereichen, die sich stark mit anderen bereits integrierten Politikfeldern wie dem EU-Binnenmarkt oder der internationalen Handelspolitik überschneiden.
Die Agrarpolitik der EU ist lange schon weitgehend vergemeinschaftet. Jedoch diente die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) bislang überwiegend der inneren Selbstbehauptung der EU. Ihre wichtigsten Ziele waren, die Produktivität zu steigern, Versorgung und Einkommen abzusichern und allgemein für Stabilität zu sorgen. Die GAP hat dadurch sowohl in der EU als auch in den Ländern des Südens erheblich zu sozialen und ökologischen Problemen beigetragen und widersprach häufig den Zielen der EU in der Entwicklungs-, Umwelt- und Klimapolitik.
Die Agrarpolitik der EU muss grundsätzlich neu ausgerichtet werden. Neues Leitbild muss eine sozial und ökologisch nachhaltige Landwirtschaft sein. Eine zukunftsgerichtete Agrarpolitik hat nicht nur die Aufgabe, Nahrungsmittel zu produzieren, sie muss auch Kulturlandschaften pflegen, öffentliche Güter bereitstellen, dezentral Energie erzeugen, lebendige ländliche Räume schaffen und für ausreichende Einkommen sorgen. Diese Ziele darf die EU nicht auf Kosten ihrer Handelspartner in anderen Regionen verfolgen. Die EU muss mit anderen Ländern fairen Handel treiben, muss mit ihnen gleichberechtigt zusammenarbeiten, nur so können die Entwicklungsländer ihre Bevölkerung versorgen und ihre Ökosysteme schützen. Ernährungssicherheit und das Recht auf Nahrung, die nachhaltige und schonende Ressourcennutzung europa- und weltweit sind Prioritäten einer solchen Landwirtschaft.
Instrumente für eine neue Gemeinsame Agrarpolitik sind:
- ökologisch korrekte Preise, das heißt Preise, die die Folgen der Landwirtschaft auf das Klima berücksichtigen;
- öffentliche Zuschüsse für ökologische und andere gesellschaftliche Leistungen;
- Stärkung der Erzeuger innerhalb der Vermarktungskette, damit für landwirtschaftliche Produkte angemessene Preise erzielt und abhängig Beschäftigte angemessen bezahlt werden können;
- eine europäische Agrarhandelspolitik, die nicht auf immer mehr Exporte setzt und die den Import von besonders umwelt- und klimaschädlichen Produkten senkt und zwar durch Normen für Nachhaltigkeit und durch Vereinbarungen mit den Herkunftsländern.
Für eine zukunftsgerichtete ökologisch und sozial nachhaltige Landwirtschaft
Zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik der EUVon Tobias Reichert
sowie Holger Bartels, Andrea Beste, Christine Chemnitz, Stephan von Cramon-Taubadel, Martin Häusling, Ulrike Höfken, Matthias Meißner, Friedrich Ostendorff , Theo Rauch, Bernd Voß, Marita Wiggerthale
Redaktion: Christine Pütz, Heinrich-Böll-Stiftung
Das vorliegende Papier ist das Ergebnis der einjährigen Arbeit der Fachkommission. Es ist im Laufe mehrerer Sitzungsrunden durch mündliche und schriftliche Kommentare sowie durch eigene Textbeiträge der genannten Expertinnen und Experten gemeinschaftlich entstanden. Das Papier repräsentiert nicht zwangsläufig in jedem Punkt die Meinung jedes Mitglieds der Fachkommission.
Dossier
Zur Zukunft der EU
Die Schuldenkrise droht in eine Legitimitätskrise der EU zu münden. Die Antwort darauf muss heute vor allem in einer Stärkung der europäischen Demokratie liegen. Die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen, die in der Studie "Solidarität und Stärke" erarbeitet wurden, werden im Dossier genauso wie diejenigen der Expert/innenkommission, vorgestellt.