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„Nutzen statt Besitzen“ – auf dem Weg zu einer ressourcenschonenden Konsumkultur“

Lesedauer: 13 Minuten

Schlussfolgerung aus der gleichnamigen Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie

Es gibt einen neuen Trend, der nicht nur in Deutschland sondern weltweit Einzug hält: Er heißt „Collaborative Consumption“ oder gemeinschaftlicher Konsum und umfasst so unterschiedliche Praktiken wie Wohnungstausch, Kleidertauschparties, Autogemeinschaften, Gemeinschaftsgärten, Tauschringe für Werkzeuge, Drucker oder DVDs und vieles andere.

Das Internet macht‘s möglich: Tauschplattformen wie „Netcycler“ (für Dinge), „9flats“ (für Wohnungen) oder „Nachbarschaftsauto“ (für private Autos) versetzen uns in die Lage, schnell und unkompliziert denjenigen zu finden, der (oder die) das hat, was wir brauchen. Mit der Verbreitung digitaler Leih-, Miet- und Tauschmodelle entstehen neue Geschäftsformen, die sich auf einer neuen „Währung“ gründen: Vertrauen. Vertrauen, dass der andere meine Dinge gut behandelt und mich nicht hinters Licht führt, obwohl ich den anderen noch nie gesehen habe. Und so sprießen weltweit Startups und private Initiativen aus dem Boden, die Leute mit gleichen Interessen zusammenführen, die leihen, tauschen, teilen oder schenken wollen. Das Time Magazin hat diese neue Konsumform sogar zu einer der zehn großen Ideen erkoren, die die Welt verändern werden.

Gemeinschaftliche Nutzungsformen sind nicht neu: Wohngemeinschaften, Bibliotheken, Waschsalons, Mehrwegflaschen, landwirtschaftliche Genossenschaften – alle beruhen auf der Idee, Ressourcen gemeinsam zu nutzen. Schon seit den 1970er Jahren macht sich die Ökologiebewegung unter dem Stichwort „Nutzen statt Besitzen“ für diese Konsumformen stark. Wenn Dinge gemeinsam genutzt und weiterverwendet werden, kann – so die Hoffnung - der Ressourcenverbrauch entscheidend gesenkt werden.

Doch bisher ist diesen Nutzungsformen der Durchbruch nicht gelungen. Carsharing, Second-Hand-Läden und Verleiher führten bis vor kurzem ein Nischendasein. Die Umständlichkeit des Leihens und Tauschens sowie eine Flut von Billigprodukten erschwerten eine breite Kultur des „Nutzen statt Besitzen“.

Durch den internetbasierten Trend zum gemeinschaftlichen Konsum hat sich die Situation geändert. So könnte aus einem Nischenphänomen Mainstream werden. Dabei spielt das Internet als Vermittlungsinstanz eine zentrale Rolle. Weite Bereiche des Netzes basieren auf dem Prinzip des Teilens von Informationen, Texten oder Musik – sei es in kommerzieller oder nichtkommerzieller Form. Auch bieten digitale wie reale Tauschbörsen einen sozialen Mehrwert. Sie sind eine Kommunikationsplattform, um miteinander in Kontakt zu treten und sich gegenseitig Tipps zu geben. Es besteht die Hoffnung, dass dieser Kulturwandel, der online beginnt, sich auch offline auswirkt und zu einer generellen Zunahme von Nutzen-statt- Besitzen-Modellen führt.

Vor diesem Hintergrund haben die Heinrich-Böll-Stiftung und der NABU die Kurzstudie „Nutzen statt Besitzen – auf dem Weg zu einer ressourcenschonenden Konsumkultur“ beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie in Auftrag gegeben. Anhand der drei Beispiele Kleidertausch, Werkzeugverleih und Chemikalienleasing geht die Kurzstudie der Frage nach, welche Potenziale zur Reduktion des Ressourcenverbrauchs im Konzept „Nutzen statt Besitzen“ enthalten sind. Außerdem wird untersucht, wie diese Formen kommuniziert werden müssen, um sie möglichst breit bekannt zu machen und Menschen für eine Veränderung ihres Konsumstils zu motivieren. Abschließend wird in einem ganzen Bündel von Handlungsempfehlungen gezeigt, wie alte und neue Pioniere des Teilens, Nutzen und Tauschens unterstützt werden können.

„Nutzen statt Besitzen“ – eine Begriffsklärung

Als „Nutzen statt Besitzen“ werden hier alle Produkte und Dienstleistungen verstanden, die auf eine Verlängerung und Optimierung der Produktnutzungsphase abzielen. Dies wird zumeist über Dienstleitungen, die Produkte ersetzen, beispielsweise durch Leih- oder Leasingmodelle umgesetzt, aber auch durch Tauschformen. Kommerzielle Nutzen-statt- Besitzen-Formen sind sogenannte Produkt-Dienstleistungs-Systeme. Diese bieten eine Kombination aus Produkten und Dienstleistungen an, die in der Lage sind, ein Konsumentenbedürfnis zu erfüllen und eine Alternative zum Produktkauf bzw. Neukauf zu bieten (vgl. auch Harms 2003). Konkret geht es um folgende Aspekte:

Dienstleistungen des Zur-Verfügung-Stellens von Gütern: Vermietsysteme zur gemeinsamen (kurzen oder langfristigen) Nutzung von Gütern, zum Beispiel Autovermietung, Werkzeugverleih, Waschsalon. 

Dienstleistungen der Weiter- und Wiederverwendung von Komponenten und Gütern: Tausch- und Verschenksysteme, Second Hand etc.

Alles Öko? – Das Ressourcenschonungspotenzial von „Nutzen statt Besitzen“-Modellen

Nutzen-statt-Besitzen-Formen gelten im Vergleich zum Besitz von Konsumgütern als umweltschonend. Sie setzen nämlich bei zwei Phänomenen an, die wesentlich zur Senkung des Ressourcenverbrauchs beitragen. 

Schnellere Produktzirkel, Billigprodukte und Shoppingkultur haben zu einer Flut von Dingen geführt, die in unseren Wohnungen, Kellern und Dachböden lagern und kaum genutzt werden. Aus Umweltperspektive sind sie alle ungenutzte Rohstoffschätze. Wenn Dinge von mehreren Verbraucherinnen und Verbrauchern genutzt werden, indem sie getauscht, geliehen oder vermietet werden, dann – so die Vermutung - werden die Ressourcen in unserem Konsumgütern effizienter genutzt.  

Außerdem kann „Nutzen statt Besitzen“ einen Fehlanreiz bei der Produktentwicklung korrigieren. Denn bisher haben Unternehmen keinen Anreiz, ihre Produkte so zu entwickeln, dass sie lange halten. Wenn der Unternehmer aber, wie beim Chemiekalienleasing, nicht mehr für die Menge bezahlt wird, die er verkauft, sondern für den Nutzen, den er durch sein Produkt erzielt, dann dreht sich die Verkaufslogik um. Der Ressourcenverbrauch wird von einem Erlös- zu einem Kostenfaktor. Das bedeutet beim Chemikalienleasing beispielsweise, dass der Chemikalienhersteller für die gereinigte Fläche (€/t) bezahlt wird und nicht für die Menge an Reinigungsmittel (z.B. €/m2 gereinigte Fläche). Auch bei Vermietung oder Leasen können die Nachfrage nach langlebigen Produkten sowie die Geräteauslastung erhöht werden. 

Die Kurzstudie geht diesen Annahmen anhand einer Kurzanalyse von drei unterschiedlichen Nutzen-statt-Besitzen-Formen nach. Als erstes wird ein online-basiertes Modell, bei dem Textilien zwischen Verbrauchern getauscht und zur Wiederverwendung verkauft werden, untersucht. Das zweite Beispiel ist ein Geschäftsmodell zwischen Unternehmen und Verbrauchern, bei dem Werkzeug vermietet wird. Als drittes Beispiel dient ein Geschäftsmodell, das zwischen Unternehmen stattfindet, das Leasing von Chemikalien.

Die Antwort lautet zusammengefasst: Nutzen-statt-Besitzen-Angebote, die gebrauchte Dinge verleihen, tauschen und verkaufen, können den Ressourcenverbrauch reduzieren. Allerdings muss man einen Blick auf die Rahmenbedingungen werfen. Es hängt im Wesentlichen von der Häufigkeit der Nutzung sowie der Art und Weise der Transaktion ab, also wie der Gegenstand die Nutzer wechselt. Dies wird anschaulich am Beispiel einer geliehenen Bohrmaschine, eines Rasenmähers und eines getauschten T-Shirt.

Die Lebensdauer von Produkten richtet sich nicht nur nach dem Alter der Geräte, sondern auch danach, wie häufig und intensiv Geräte gebraucht werden. Dieser sogenannte Nutzungsvorrat einer Bohrmaschine wird in der Regel nicht ausgeschöpft. Denn eine Bohrmaschine wird im Laufe ihres Lebens durchschnittlich nur 45 Stunden genutzt. Ohne Probleme kann das Gerät aber über 300 Stunden eingesetzt werden. Der Verleih einer Bohrmaschine sorgt dafür, dass das Gerät tatsächlich besser ausgelastet wird. Damit können sechs weitere Maschinen ersetzt werden, die ansonsten 255 Stunden in Kellern liegen und auf ihren Einsatz warten. 
Dieses hohe Potenzial der Ressourcenschonung kann jedoch durch die Emissionen, die durch den Fahrweg zum Verleih entstehen - oft Baumärkte auf der grünen Wiese -  verkleinert werden. Die Länge und die Art des Transportes sowie Modalitäten wie Verpackung und Gewicht sind weitere wesentliche Einflussgrößen, die die Einspareffekte aufheben können.

Auch bei Online-Transaktionen können die Ressourceneffizienzpotenziale durch den Transport aufgehoben werden. So schneiden online-Transaktionen zwar generell im Vergleich zu etablierten Transaktionen wie Flohmärkten, Second-Hand-Läden und Kleinanzeigen (Zeitung) hinsichtlich der CO2-Emissionen besser ab, da keine unnötigen Wege anfallen und zielgerichtet bestellt werden kann. Liegt die Transportentfernung bei der Online-Transaktion nur 50% höher als die Transportentfernung der physischen Transkation, so gibt es keine signifikanten Unterschiede zum Kauf im Second-Hand- Laden oder zum Flohmarkt – zumal die räumliche Dichte der Second-Hand-Läden und Flohmärkte nur grob geschätzt wurde. 

Je öfter ich einen Gegenstand brauche, desto mehr fallen die bei der Transaktion des Tauschen, Leihens und Vermietens anfallenden Ressourcen ins Gewicht. Benutze ich beispielsweise einen Rasenmäher einmal im Monat, dann können die Transportemissionen die Ressourceneinsparungen auffressen, die ich dadurch einspare, dass ich mir keinen eigenen Rasenmäher anschaffe. Je mehr ich also einen Gegenstand nutze, desto weniger lohnt sich aus Umweltsicht „Nutzen statt Besitzen“, außer wenn man dies in der Nachbarschaft bewerkstelligen kann oder durch den Verleih keine zusätzlichen Wege entstehen. Auf den Punkt gebracht: Die Skater, die ich kaum nutze, leihen, das Fahrrad das ich täglich nutze, kaufen.

Insgesamt gilt auch: Je mehr Ressourcen die Produktion eines Gegenstandes in Anspruch nimmt, desto positiver ist die Ökobilanz beim Tauschen, Leihen und Mieten. Eine Bohrmaschine ist sehr viel ressourcenintensiver in der Produktion als ein T-Shirt. Aber auch hier variieren die Potenziale hinsichtlich des Ressourcenverbrauchs stark je nach Material (z.B. Baumwolle, Viskose, Hanf, Seide, Wolle), Anbauart und -verfahren sowie eventuell angewandten Veredelungsverfahren. Insgesamt spart also jede geliehene Bohrmaschine mehr Ressourcen ein, als wenn ich ein gebrauchtes T-Shirt kaufe, leihe oder tausche. 

Anders sieht es aus, wenn „Nutzen statt Besitzen“ wie beim Chemikalienleasing dazu führt, dass der Hersteller ein Produkt nicht mehr verkauft, sondern dem Abnehmer ein bestimmtes Ergebnis garantiert. Chemikalienleasing ist nur bei Chemikalien möglich, in denen keine Reaktionen mit festen Mengenverhältnissen und Rezepturen stattfinden. Ein Ressourcenschonungspotenzial besteht somit bei Lösungsmitteln, Farben, Lacken, Klebstoffen, Pflanzenschutzmitteln und Desinfektionsmitteln. 

In Deutschland finden im internationalen Vergleich Fertigungsprozesse mit Chemikalienverbrauch auf einem hohen Niveau statt. Während in Deutschland mit einer durchschnittlichen Mengenreduktion von 10-20% gerechnet wird, zeigen Erfahrungen aus Schwellenländern, dass doppelt so hohe Einsparpotenziale realisiert werden können.

Dennoch ist das Ressourcenschonungspotenzial von Chemikalienleasing auch in Europa groß: Die „Chemical Product Services in the European Union“-Studie des Institute for Prospective Technological Studies beziffert den möglichen Umsatzwert für Chemikalienleasing auf 77 Mrd. Euro, was etwa 14% der europäischen Chemikalienumsätze entspricht.

Wenn das Ressourcenschonungspotenzial so stark nach Nutzen-statt-Besitzen-Konstellation variiert, kann man dann aus ökologischer Perspektive die Ausweitung von Nutzen-statt-Besitzen generell unterstützen? 

Auch aus Umweltsicht ist zu wünschen, dass Nutzen-statt-Besitzen-Angebote sich weiter ausbreiten. Denn es fördert einen generellen Wertewandel weg vom Eigentum hin zum geteilten Nutzen. Menschen erfahren ganz praktisch, dass man kein exklusives Eigentum an Dingen haben muss, um deren Vorteile nutzen zu können. Es wird deutlich, dass die Reduzierung der Gütermenge und des Besitzes nicht mit einem niedrigeren Lebendstandard des Einzelnen zusammenhängt. Zusätzlich wird die geschäftliche Logik gebrochen, die den Verkauf von vielen kurzlebigen Produkten honoriert. Aber – so macht unsere Kurzstudie deutlich – dieser Wandel muss gestaltet werden, damit das Ressourcenschonungspotential von Nutzen-statt-Besitzen-Formen (kurz: NsB) sich auch tatsächlich realisiert. 

Dazu gehören aus unserer Sicht folgende Maßnahmen:

  • Ökologisches Bewusstsein schaffen: Ökologische Aspekte spielen nach Auskunft unserer Interviewpartner (Praktiker und Experten) bei der Entscheidung für ein NsB-Angebot und letztlich auch bei der Kommunikation eine untergeordnete Rolle. Vorrangig sind bei der Entscheidung für NsB-Angebote finanzielle Aspekte, gefolgt von einem sozialen Zusatznutzen. Doch nur wenn ökologische Aspekte bei NsB-Formen ebenso kommuniziert werden, können Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Anbieterinnen und Anbieter ihr Handeln danach ausrichten und ihren Ressourcenverbrauch durch Umkreissuche und Sammelsendungen senken. So sollte bei der Kommunikation der NsB-Angebote zum einen der ökologische Mehrwert eine Rolle spielen, zum anderen auch der Ressourcenverbrauch durch die Transaktionsmodalitäten. Verbraucherverbände aber auch die Unternehmen selber spielen hier eine zentrale Rolle. 
     
  • Daten und Fakten gewinnen und zur Verfügung stellen – Die Kurzstudie zeigt deutlich, dass aktuelle Zahlen und Werte über spezifische NsB-Formen nur in geringem Umfang vorliegen. Vorhandene und aktuell entstehende Angebotsformen sind deshalb systematisch unter Ressourceneffizienzkriterien zu bewerten. Die Ergebnisse könnten abrufbar über Tracking-Codes oder Apps zur Verfügung gestellt werden und so den Konsumentinnen und Konsumenten Orientierung geben.
     
  • Ökologische Leitplanken einziehen – Auch hier gilt: Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Nur wenn die richtigen Anreize gesetzt werden, kann NsB sein Ressourcenschonungspotenzial entfalten. Nach Auskunft der Praktiker und  Experten erschweren Billigprodukte die Ausweitung von NsB-Formen. Solange beispielsweise eine Bohrmaschine für 30 Euro zu bekommen ist, fehlen die Anreize, den Aufwand und die Kosten einer Miete auf sich zu nehmen. Diese Probleme können nur an der Wurzel behoben werden, das heißt durch gesetzliche Vorgaben bei der Produktion, das sogenannte Ökodesign. Durch den Einsatz von recycelten Materialien, einer material- und energieeffizienten Bauweise, durch Vorgaben bezüglich der Reparatur- und Recyclingfähigkeit sowie einer schadstofffreien Zusammensetzung kann der Ressourcenverbrauch gesenkt werden. Auch eine Ausweitung der Rücknahmepflicht ist von zentraler Bedeutung. Dabei kann man die Unternehmen besser in die Verantwortung für die Wiederverwertung von Produkten nehmen, wenn diese nicht mehr verkauft werden, sondern nur zeitweise in die Nutzung des Kunden übergehen, bevor sie wieder von den Herstellern übernommen werden.
    Des Weiteren sind längere Gewährleistungspflichten nötig, damit Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Rechte bezüglich der Qualität einfordern können. Ein nachhaltiges Verkehrssystem ist für eine nachhaltige Konsumweise unabdingbar.

Von der Nische zum Mainstream: Wie bringt man „Nutzen statt Besitzen“ an den Mann und an die Frau?  

Damit Nutzen-statt-Besitzen-Modelle Teil unserer Alltagskultur werden, müssen unsere tagtäglichen eigentumsorientierten Gewohnheiten aufgebrochen werden. Konsumkultur und Lebensstil sind bekanntlich nicht leicht zu verändern. Jeder, der sich erfolglos an einer Diät probiert hat, weiß, wie schwer es ist, Routine und langjährige Verhaltensmuster zu ändern. Hier kommen verschiedene Aspekte zum Tragen: die Gewohnheit, das Alltagswissen, wie etwas funktioniert und wo ich Dinge herbekommen. Aber auch die persönliche und gesellschaftliche Bewertung eines Verhaltens spielen eine Rolle. 

Gewohnheiten können besonders gut in Umbruchphasen aufgebrochen werden. Wenn neue gefunden werden müssen, wie nach einem Umzug, der Geburt des ersten Kindes oder in einem neuen Beruf, sind Menschen nach Auffassung unserer Interviewpartner besonders offen für Nutzen-statt-Besitzen-Angebote. 

Zudem gibt es Zielgruppen, die für Nutzen-statt-Besitzen-Modelle eher ansprechbar sind: Dazu gehören Digital Natives wie z.B. Facebook-Mitglieder; sie werden als potenziell offen für Nutzen-statt-Besitzen-Angebote wahrgenommen, weil sie viele private Informationen im Netz preisgeben und entsprechend von einem weniger ausgeprägten Verhältnis zu Eigentum auszugehen ist. Auch die Gruppe der bereits eigentumslos Konsumierenden, die gegenüber weiteren Angebotsformen eher aufgeschlossen ist, gehört dazu.

Damit dieser Kulturwandel hin zum geteilten Nutzen gelingt, sind drei Dinge notwendig: Information, Vertrauen und Rechtssicherheit.

Vertrauen herstellen 

Gerade wenn man Produkte untereinander tauscht oder teilt, ist es wichtig, dass sowohl Vertrauen aufgebaut wird, als auch, dass man sich durch Verträge absichert. Transparente Bewertungen und seriöse Verträge stellen die Basis für den Erfolg dieser neuen Modelle dar. 

Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich darüber informieren können, ob der jeweilige Anbieter seriös ist. Hier sind Verbraucherverbände und Testinstitutionen gefragt, um die unterschiedlichen Modelle zu testen und Verbraucherinnen und Verbraucher Tipps und Hinweise zu geben, worauf sie achten müssen, wenn sie Nutzen-statt-Besitzen-Modelle in Anspruch nehmen.

Rechtssicherheit schaffen 

Unabdingbar für die Ausweitung von NsB- Formen ist die Rechtssicherheit für die Beteiligten. Beim gemeinschaftlichen Konsum gegen Entgelt ist beispielsweise die Grenze zwischen privater und gewerblicher Nutzung unklar. Diese Unsicherheit behindert die Verbreitung von Nutzen-statt-Besitzen-Modellen. Bis zu welcher Grenze darf man private Gegenstände versteigern, verkaufen, entgeltlich verleihen, ohne gewerbepflichtig zu werden? Zurzeit wird diese Frage nur in Einzelfällen gerichtlich nach Streit beantwortet. Einfache, eindeutige Antworten wären hier notwendig. Ebenso ist ungeklärt, ab welchem Umfang Tauschgeschäfte gegen das Verbot der Komplementärwährung verstoßen. 

Information bereitstellen

Damit Verbraucherinnen und Verbraucher Nutzen-statt-besitzen-Modelle überhaupt nutzen können, müssen sie von ihnen erfahren. Neben einer Informationskampagne ist eine einfache und unkomplizierte Informationsbeschaffung unabdingbar. Vorstellbar ist ein gemeinsamer Internetauftritt, auf dem man sowohl nach Produkten oder Dienstleistungen als auch nach lokalen Anbietern suchen kann. 

Transparenz durch NsB-Apps schaffen

Kommunikationsmedien schaffen Transparenz über die unterschiedlichen NsB-Angebote und ermöglichen es, NsB umweltschonender zu gestalten. So könnte ein NsB-App helfen, den nächsten Anbieter zu finden, Konditionen zu vergleichen und bei Kaufgesuchen parallel eine preiswerte Mietmöglichkeit anzuzeigen. Mobile Kommunikationsmedien können so das Tauschen, Leihen und Teilen für Verbraucherinnen und Verbraucher bequemer machen und somit den Zugang vereinfachen. Durch die Weiterentwicklung der digitalen Kommunikation können auch Fehlsendungen vermieden werden, indem virtuell Kleider probiert werden können. Diese Entwicklungen sind teilweise noch im Aufbau, besitzen aber jetzt schon ein großes Potential, NsB kundenfreundlicher zu machen.

Durch unsere Kurzstudie wird deutlich: „Nutzen statt Besitzen“ kann die Effizienzrevolution nicht ersetzen, ist aber eine notwendige Ergänzung. Dafür ist es jedoch erforderlich, dass dieser Wandel in der Konsumkultur so gestaltet wird, dass sich ihr Ressourcenschonungspotenzial entfaltet und diese Formen von der Nische in den Mainstream gelangen. Wir hoffen, dass wir mit unseren Vorschlägen die neuen und alten Pioniere des „Nutzen statt Besitzens“ in diesem Anliegen unterstützen können.


Die Studie:
Nutzen statt Besitzen. Auf dem Weg zu einer ressourcenschonenden Konsumkultur 
Eine Kurzstudie von Carolin Baedecker, Kristin Leismann, Holger Rohn und Martina 
Schmitt. Im Auftrag und herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung. 
In Zusammenarbeit mit dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V. 
Berlin, Oktober 2012, 104 Seiten
ISBN 978-3-86928-094-3