Urvashi Butalia
Schriftstellerin und Frauenrechtlerin, Indien

Seit über vierzig Jahren engagiert sich Urvashi Butalia dafür, marginalisierten Gesellschaftsgruppen in Indien eine Stimme zu geben. Als feministische Verlegerin setzt sie sich für einen Wandel der indischen Gesetzgebung zu Vergewaltigung und Mitgift ein und ist eine international geschätzte Essayistin.  Durch Publikationen in internationalen Zeitungen und Zeitschriften wie dem Guardian, sowie durch ihre Teilnahme an zahlreichen Konferenzen, informiert Urvashi Butalia das internationale Publikum über die Situation der Frauen in Indien.  

Urvashi Butalia, geboren 1952 im nordindischen Bundesstaat Punjab, studierte in Neu-Delhi Literatur und in London Südasienwissenschaften. Sie lehrt seit über zwanzig Jahren an der Universität, momentan an der Universität Ashoka in der Nähe von Neu-Delhi. Gemeinsam mit der Schriftstellerin Ritu Menon gründete sie 1984 das erste feministische Verlagshaus Indiens, Kali for Women. Daraus entstand 2003 der von Urvashi Butalia geleitete Verlag Zubaan („Zunge, Sprache, Stimme“), ebenfalls spezialisiert auf Literatur zu Frauenrechten, Gender und allgemeinen sozialwissenschaftlichen Themen.

Der Verlag veröffentlicht Bücher auf Englisch und Hindi, meist übersetzt aus einer der 22 indischen Landessprachen. Mit diesem Programmprofil ist Zubaan einzigartig in der indischen Verlagslandschaft. In der Reihe Young Zubaan publiziert Urvashi Butalia Kinder- und Jugendbücher, die sich mit Themen auseinandersetzen, die in Indien meist tabuisiert werden, wie beispielsweise alternative Lebens- und Familienmodelle, Behinderung, Tod oder Fanatismus.  

Ohne direkt politisch tätig zu sein, ist Urvashi Butalia doch landesweit dafür bekannt, die Rechte von Minderheiten mit starker Stimme einzufordern und die jüngere indische Vergangenheit unter neuen Gesichtspunkten aufzuarbeiten. Seit 1997 veröffentlicht sie regelmäßig Artikel in Lettre International zur Lage der Frauen und zu sozio-politischen Entwicklungen in Indien sowie zur Erinnerungskultur nach der Teilung Indiens im Jahr 1947. Ihr Buch „The Other Side of Silence: Voices from the Partition of India“ („Geteiltes Schweigen: Innenansichten zur Teilung Indiens“, 2000/dt. 2015) ist eine der wichtigsten Arbeiten im Bereich der Südasienstudien. Es dokumentiert anhand von Interviews mit Zeitzeugen, wie diese die politische Teilung Indiens, bei der etwa eine Million Menschen starben, erlebt haben. „The Other Side of Silence“ war sechs Monate auf Indiens Bestsellerlisten und wurde in viele internationale Sprachen übersetzt.  

Urvashi Butalia war an zahlreichen internationalen Konferenzen sowohl als Organisatorin als auch als Referentin beteiligt: Beispielsweise initiierte sie im Jahr 2015 die Konferenz „Cross Border Conversations: European and Indian Women Writers“, an der neben Indien acht europäische Nationen teilnahmen. Eine seit 2010 stattfindende Konferenzreihe zur Leseförderung in Indien, die mit Unterstützung des Goethe-Instituts Neu-Delhi durchgeführt wird, konzipierte Urvashi Butalia federführend mit. Bei der Podiumsdiskussion #Aufschrei anlässlich des Internationalen Frauentages 2013 in der Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin diskutierte sie unter anderem mit der britischen Feministin und Bloggerin Laurie Penny über
Alltagssexismus und sexuelle Gewalt gegen Frauen.

Urvashi Butalia wurde mehrfach mit nationalen und internationalen Auszeichnungen geehrt, unter anderem 2011 mit einem der höchsten Zivilorden Indiens (Padma Shree). Im Jahr 2002 wurde sie zum „Chevalier des Artes et des Lettres“ der Republik Frankreich ernannt.   

Zitate von Urvashi Butalia  
„Die Frauenbewegung in Indien ist eine der stärksten weltweit. Sie ist sehr aktiv und vielfältig. Es gibt weder eine dominante Figur noch eine dominante Philosophie. Quer durch das Land gibt es hunderte Frauengruppen, die sich für bestimmte Vorhaben zusammentun, gleichzeitig aber auch ihre spezifischen Anliegen einzeln verfolgen. Zahlreiche Gesetze für die Rechte von Frauen seit der Unabhängigkeit wurden nur aufgrund des Einsatzes der Frauenbewegung erlassen – das ist auch etwas, was in anderen Ländern überhaupt nicht gesehen wird.“ (Urvashi Butalia im Interview, Beate Hausbichler, „Aber wir Frauen leben hier“, Der Standard vom 19.03.2016)  

„Ich bin eine Optimistin. Wir indischen Frauen gehen keinen Schritt mehr zurück. Wir sind in einer Umbruchstimmung. Es geht nur noch voran. Wir haben eine gute Basis. Zumindest auf dem Papier. Mit einer Rechtspartei an der Spitze ist das alles schwieriger. Obwohl ironischerweise mehr Frauen als jemals zuvor in der Regierung sind. Es wird kein einfacher Kampf.“ (Urvashi Butalia im Interview, Anja Wasserbäch, „Wir sind in einer Umbruchstimmung“, Stuttgarter Nachrichten vom 23.01.2015)  
„Auch wenn Frauen in unserem Land immer noch Bürger zweiter Klasse sind, stehen sie nicht länger vor der Tür, in der Hoffnung, gesehen zu werden, sondern fordern, hereingelassen und gehört zu werden.“ (Urvashi Butalia im Interview, Nilanjana Roy, Al jazeera vom 30. September 2015)  

Zitat über Urvashi Butalia  
„Urvashi Butalia ist Schriftstellerin, Historikerin und Gründerin des ersten feministischen Verlags in Indien. Seit vielen Jahren fordert sie härtere Strafen bei Vergewaltigungen, Mitgiftmorden oder Gewalt gegen Frauen. Sie arbeitet sich ab an ihrer Heimat, an den alten Bräuchen und Riten, an Denkweisen, die sich in die Seele des Landes hineingefressen haben.“ (Karin Steinberger, „Das andere Indien“, Süddeutsche Zeitung vom 26.09.2013)  

Publikationen (Auswahl)  

  • 1992 „In Other Words: New Writing by Indian Women”, Herausgeberin, mit Ritu Menon, Kali for Women, Neu-Delhi.  
  • 1995 „Women and Right Wing Movements: Indian Experiences”, mit Tanika Sarkar, Zed Books, London.  
  • 2000 „The Other Side of Silence: Voices from the Partition of India”, Penguin Books India, NeuDelhi.  
  • 2002 „Speaking Peace: Women's Voices from Kashmir”, Herausgeberin, Kali for Women, NeuDelhi.   
  • 2006 „Inner Line: The Zubaan Book of Stories by Indian Women”, Herausgeberin, Zubaan Books, Neu-Delhi.  
  • 2015 „Partition: The Long Shadow”, Herausgeberin, Zubaan Books, Neu-Delhi.  
  • Auf Deutsch erschienen: 2006 „Frauen in Indien“, Erzählungen. Herausgeberin, dtv, München.  
  • 2015 „Geteiltes Schweigen. Innenansichten zur Teilung Indiens“, Lotos Werkstatt Verlag, Berlin.  

Auszeichnungen  

  • 1998 Best Woman Publisher of the Year für Kali for Women, Delhi State Booksellers and Publishers Association  
  • 2000 Pandora Award for Women in Publishing, London   
  • 2001 Oral History Book Association Award für „The Other Side of Silence”  
  • 2002 Ernennung zum „Chevalier des Artes et des Lettres" durch die Republik Frankreich  
  • 2003 Nikkei Asia Preis für herausragenden Beitrag zur Kultur in Asien   
  • 2011 Verleihung des Padma Shree, einem der höchsten Zivilorden Indiens   
  • 2014 Verleihung des Bene Merito-Ordens, der höchsten polnischen Ehrenmedaille 
  • 2017 Goethe-Medaille