Globale Ernährungskrise

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"Biosprit als Sündenbock, das ist zu einfach"

16. April 2008

Heinrich-Böll-Stiftung, Karoline Hutter, Pressesprecherin
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Die gestiegene Nachfrage nach Biokraftstoffen ist nicht allein verantwortlich für die weltweite Nahrungsmittelkrise: "Wer darin den Sündenbock sieht, verkennt die fatalen Folgen einer über Jahrzehnte verfehlten, weltweiten Agrarpolitik", kritisiert Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. "Über Jahre wurde der ländliche Sektor im Süden durch billige Nahrungsmittelimporte vor allem aus den USA und der EU geschwächt: Lokale Strukturen, die die heutigen Preise auffangen könnten, gibt es in vielen Ländern kaum noch. Damit zahlen wir heute den Preis für eine verfehlte Agrarpolitik."

Die Eingliederung der Landwirtschaft in den internationalen Markt habe einen Wettbewerbsdruck ausgelöst und eine Intensivierung der Landwirtschaft zur Folge gehabt: Viele Kleinbauern seien heute abhängig von ölintensiven Produktionsmitteln wie etwa Dünger und Pestiziden. *Der landwirtschaftliche Sektor ist unmittelbar von den steigenden Ölpreisen betroffen: Das hat die Kosten für landwirtschaftliche Produkte zusätzlich nach oben getrieben. Auch hier braucht es Wege aus der fossilen Sackgasse", so Unmüßig weiter.

Mit Blick auf die Forderungen des Präsidenten der Weltbank, Robert Zoellick, der sich für eine weitere Liberalisierung des Agrarhandels im Rahmen der WTO-Verhandlungen ausspricht, plädiert Christine Chemnitz, Referentin für internationalen Agrarhandel der Heinrich-Böll-Stiftung, für eine radikale Umkehr in der globalen Landwirtschaftspolitik. "Es gibt Alternativen zum heutigen Freihandel", so Chemnitz. "Dazu müssen alle Länder weltweit ihre politische Verantwortung ernst nehmen, den Agrarhandel nachhaltig zu gestalten. Ihn lediglich zu deregulieren bringt uns nicht weiter."

Zur Ausgestaltung eines fairen und ökologisch nachhaltigen Agrarhandels hat die Heinrich-Böll-Stiftung gemeinsam mit dem katholischen Hilfswerk Misereor in einem zweijährigen internationalen Dialogprozess, dem "EcoFair Trade Dialogue", ein politisches Konzept entworfen: Dieses erkennt die ökologischen und sozialen Aspekte des Agrarsektors an, etwa die Ernährungssicherheit der ländlichen Bevölkerung und den Schutz der biologischen Vielfalt.

"Eines ist klar", so Barbara Unmüßig, "die Produktion der Nahrungsmittel muss immer Vorrang haben vor der Produktion von Energiepflanzen: Für beides brauchen wir lokale und regionale Nutzungsmöglichkeiten. Eine nachhaltige und sozial orientierte Landwirtschaft kann Teil der Lösung zu sein - sowohl im Kampf gegen den Klimawandel als auch im Kampf gegen die weltweite Armut. Das ist aber aussichtslos, wenn wir nicht den Mut haben, unser heutiges Freihandelssystem fundamental zu überdenken."

Weitere Informationen zum "EcoFair Trade Dialogue" finden Sie unter www.ecofair-trade.org

Fachkontakt: Christine Chemnitz, Tel. 030-28523-312, chemnitz@boell.de