Journalist/innen-Briefing: Erdgipfel in Rio de Janeiro (31. Mai 2012)
Grüne Ökonomie: Wunderwaffe oder Wolf im Schafspelz?
So lassen die vom Umweltprogramm der Vereinten Nation (UNEP), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) oder der Weltbank vorgelegten Konzepte einer grünen Ökonomie die Fragen der Folgenabschätzung neuer Technologien vielfach außer Acht. Auch vernachlässigen sie Verteilungs- und Gerechtigkeitsfragen, Machtstrukturen sowie menschenrechtliche Kriterien.
Als aufstrebende Großmacht wird sich vor allem der Gastgeber Brasilien international profilieren. Das Land will nicht mehr – wie 1992 – wegen der Vernichtung des Amazonas-Regenwaldes am Pranger stehen, sondern plant, sich als Vorbild für eine grüne Ökonomie etwa mit Hilfe „sauberer Energien“ einen Namen zu machen. Was aber sind die ökologischen und sozialen Kosten dieses Modells? Wie positionieren sich die verschiedenen Akteure in Rio de Janeiro, wo liegen die Macht- und Interessenkonflikte? Und welche Chancen und Risiken finden sich auf dem Weg zu einer grünen Ökonomie?
Programm, Donnerstag, 31. Mai 2012
9:15 Anmeldung und Kaffee
9:30 Begrüßung und Einführung:
Stand der Verhandlungen im Vorfeld des Erdgipfels in Rio de Janeiro
Zum Erdgipfel werden mehr als 135 Staats- und Regierungschefs aus über 100 Ländern erwartet. Bis zum Gipfelauftakt bleiben den Delegationen nur noch wenige Verhandlungstage, um Einigung in Schlüsselfragen zu erzielen, etwa der „Green Economy Roadmap“, den „globalen Nachhaltigkeitszielen“ oder der Aufwertung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP). Wo liegen die wichtigsten Streitpunkte? Wie positionieren sich die verschiedenen Akteure? Und welche Erwartungen an ein konkretes Ergebnis sollte man derzeit überhaupt noch haben?
Input:
Lili Fuhr, Leiterin Referat Internationale Unmweltpolitik,
Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin
9:40 Grüne Ökonomie – die neue Zauberformel?
Die weltweite Debatte darüber, wie eine grüne Ökonomie bzw. grünes Wachstum aussehen, welche sozialen und ökologischen Kriterien sie erfüllen sollten, spaltet nicht nur Regierungen, sondern auch die Zivilgesellschaft. Wo liegen die Chancen und Risiken der vorliegenden Konzepte? Inwiefern bieten sie Lösungen für Ressourceneffizienz, CO2-Reduktionen, grüne Investitionen, und leisten einen Beitrag für Armutsbekämpfung und den Schutz der Menschenrechte? Welche Macht- und Interessenkonflikte bestimmen die neuen Märkte?
Input:
Barbara Unmüßig, Vorstand, Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin
10:00 Fragen und Diskussion
10:45 Zwischen grünem Erfolgsmodell und Größenwahn – Ein Blick hinter die Kulissen
des Entwicklungs-Weltmeisters Brasilien
Brasiliens wichtigste Energiequelle ist die Wasserkraft, doch deren Zukunft hängt von Großstaudämmen im Amazonasgebiet ab. Großprojekte mitten im Regenwald bedeuten aber auch die Vertreibung von Bewohnern und die Zerstörung sensibler Ökosysteme. Das brasilianische Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, das eine Amnestie für Abholzungen vorsieht und den Waldschutz aufweicht. Welche Zukunft hat Amazonien im brasilianischen Entwicklungsmodell? Was sind die ökologischen und sozialen Kosten dieses Modells?
Input:
Dr. Thomas Fatheuer, Berater Waldschutz und Biodiversität, ehem. Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung
11:00 Fragen und Diskussion
ab 11:45 Mittagsimbiss
Das Journalisten-Briefing will einen fundierten Einblick im Vorfeld des Weltgipfels geben. Im Anschluss an jeden Input wird es ausreichend Zeit für Nachfragen, Diskussionen und den Austausch der Teilnehmerinnen und Teilnehmer untereinander geben.
Eine Mappe mit Publikationen zum Thema wird bereit gestellt.
Kurzbiografien der Referent/innen
Barbara Unmüßig
ist seit 2002 Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie ist verantwortlich für die Strategie und Programmentwicklung u.a. für Lateinamerika, Afrika, Asien und Nahost. Ihre Schwerpunkte liegen auf den Themen Globalisierung und internationale Klimapolitik, nationale und internationale Geschlechterpolitik sowie Demokratieförderung und Krisenprävention. In den Jahren 1991 und 1992 war sie Leiterin der Projektstelle UNCED (UN-Konferenz Umwelt und Entwicklung) des Deutschen Naturschutzrings (DNR) und des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zur Vorbereitung des Erdgipfels in Rio de Janeiro 1992. Als damalige Leiterin der Projektstelle hat sie die deutschen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen in Rio koordiniert. Auch dieses Jahr wird sie gemeinsam mit Mitarbeiter/innen und Partner/innen der Heinrich-Böll-Stiftung an der UN-Konferenz in Brasilien teilnehmen.
Lili Fuhr
leitet das Referat Internationale Umweltpolitik der Heinrich-Böll-Stiftung. Dort ist sie zuständig für die internationale Klima- und Ressourcenpolitik. Aktuell koordiniert sie die Aktivitäten der Stiftung rund um den Erdgipfel in Rio de Janeiro. Sie bloggt regelmäßig auf: www.klima-der-gerechtigkeit.de.
Dr. Thomas Fatheuer
hat Sozialwissenschaften und klassische Philologie in Münster studiert. Von 2002 bis 2010 lebte und arbeitete er in Brasilien. Von 2000 bis 2003 arbeitete er für die GTZ im Bereich des Schutzes tropischer Regenwälder im Umweltministerium in Brasilia. 2003 bis 2010 leitete er das Brasilien-Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Rio de Janeiro. Zahlreiche Veröffentlichungen zum Thema brasilianisches Entwicklungsmodell, Regenwaldschutz REDD und brasilianischer Fußball. Seit 2011 ist er als freier Berater und Autor in Berlin tätig.