(Berlin, 7. November 2012) Die Heinrich-Böll-Stiftung schließt ihr Landesbüro in Äthiopien zum Ende des Jahres 2012. Die politischen Rahmenbedingungen und die Gesetzeslage in Äthiopien verhindern eine politisch vertretbare und praktikable Arbeit der Stiftung.
"Unser Auftrag, gemeinsam mit lokalen Partnern für Demokratie, Geschlechtergerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung einzutreten, ist nicht mehr erfüllbar“, erklärt Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung.
Äthiopien verfolgt seit langem ein autoritäres Entwicklungsmodell. Seit den umstrittenen Wahlen von 2005 wurden die Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit drastisch eingeschränkt. Mit der äthiopischen Gesetzgebung zur Rolle und Arbeitsweise von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus dem Jahr 2009 und den 2011 veröffentlichten Umsetzungsverordnungen wurde ein neuer Höhepunkt der Einschränkung der Handlungsfreiheit der Zivilgesellschaft erreicht.
Das Gesetz untersagt weitgehend die Arbeit zu Themen wie Menschenrechte, Demokratie, Gender oder Konfliktlösung. Diese Restriktionen gelten nicht nur für alle internationalen Nichtregierungsorganisationen, sondern auch für einheimische NGOs, die mehr als zehn Prozent ihres Budgets aus dem Ausland erhalten. NGOs werden in dem Gesetz als Dienstleister für Bedürftige bzw. Durchführungsorganisationen für Regierungsprogramme definiert; Advocacyarbeit ist hingegen nicht als legitime Aufgabe akzeptiert.
Diese Entwicklung wird auch von einer Welle strafrechtlicher Verfolgungen friedlicher Journalist/innen und Oppositionspolitiker/innen unter Berufung auf das Anti-Terrorgesetz unterstrichen.
Die Entpolitisierung der Gesellschaft und eine Kultur der Selbstzensur sind die Folge. "Die Auflösung der Präsenz der Stiftung in Äthiopien soll auch ein Zeichen des Protests gegen die fortschreitende Einschränkung von Bürgerrechten und demokratischer Entwicklung bedeuten", sagt Barbara Unmüßig.
Nach dem Tod von Premierminister Meles Zenawi hat sich die neue Regierung unter Hailemariam Desalegn zur Fortführung der von Meles geprägten Politik in allen Bereichen bekannt und damit jeglicher Diskussion um eine Neuausrichtung vorzeitig einen Riegel vorgeschoben. Mit einer Lockerung von Presse- und Meinungsfreiheit sowie der NGO-Gesetzgebung ist in absehbarer Zukunft nicht zu rechnen.
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