Paradiese in der Krise - Transparenz und neue Regeln für Steuer- und Regulierungsoasen
E-Digest
Paradiese in der Krise - Transparenz und neue Regeln für Steuer- und Regulierungsoasen
Die weltweit rund siebzig Steueroasen sind unter Druck geraten. Das kommt nicht von ungefähr, denn den betreffenden Staaten und Gebieten wird vorgeworfen, dass sie eine Mitschuld an der internationalen Finanzkrise tragen und der Steuerhinterziehung Vorschub leisten. Doch reichen die vorgesehenen Abkommen und Regelwerke, um diesen dubiosen Finanzmarktplätzen beizukommen und sie zu mehr Transparenz zu zwingen und Steuerflucht zu verhindern? Der Ökonom Thomas Rixen hat im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung die bisherigen Pläne der Regierungen und UN-Institutionen analysiert. Er macht Vorschläge, welche Maßnahmen wirkungsvoll sein könnten, um Steuerschlupflöcher zu schließen.
Dieser E-Digest (PDF) ist die Zusammenfassung der Studie mit dem gleichen Titel, die auch als PDF erhältlich ist.
Von Thomas Rixen
Steuer- und Regulierungsoasen sind Ausdruck eines „neoliberal“ geprägten, deregulierten und globalisierten Kapitalismus. Sie ermöglichen Personen und Unternehmen, sich jeglicher Besteuerung und ökonomischen Regulierung zu entziehen. Außerdem forcieren sie die Deregulierung, weil sie andere Staaten in einen Wettbewerb um niedrige Standards und Steuern drängen. Wenn nun die gegenwärtige Finanzkrise tatsächlich – wie viele meinen – eine Zäsur für den deregulierten Kapitalismus darstellt, dann wäre zu erwarten, dass die Schlupflöcher, die von den Oasen angeboten werden, sehr schnell und effektiv ge-schlossen werden. Und tatsächlich erfährt die Problematik der Steuer- und Regulierungsoasen derzeit hohe öffentliche und politische Aufmerksamkeit. Erstens wird diesen Staaten und Gebieten vorgeworfen, dass sie eine Mitschuld an der Finanzkrise tragen. Zweitens geraten sie in diesen Zeiten, in denen die Krisenbewältigung den Regierungen erhebliches finanzielles Engagement abverlangt, aufgrund ihrer Rolle als Steuerfluchtburgen ohnehin verstärkt ins Blickfeld.
Anders als die verwendete Rhetorik suggeriert – man denke an Steinbrücks „Kavallerie“ oder die vollmundige Ankündigung der OECD, dass es sich bei den neuen Regeln zum Informationsaustausch um eine „Revolution“ handele –, sind die bisher ergriffenen Maßnahmen aber unzureichend. Es müssen dringend weitergehende Vorschläge auf die politische Agenda, damit sich das Gelegenheitsfenster, das sich durch die Finanzkrise geöffnet hat, nicht ungenutzt wieder schließt.
Wie Steuer- und Regulierungsoasen funktionieren und welchen Schaden sie anrichten
Weltweit haben sich 72 Staaten als Steuer- und Regulierungsoasen positioniert. Das heißt, sie verfolgen ein Geschäftsmodell, das darauf basiert, Steuerbasis und Finanzströme aus anderen Ländern anzulocken. Dies gelingt ihnen durch extrem niedrige bzw. Nullsteuersätze und ein striktes Bank- und Steuergeheimnis.
Steueroasen können einerseits zur (illegalen) Steuerhinterziehung durch Privatpersonen genutzt werden. Dazu werden häufig Stiftungen („Trusts“), besondere Fonds oder andere spezielle Rechtskonstruktionen angeboten, in denen man sein Geld anonym anlegen kann. Banken bieten ihren wohlhabenden Kunden maßgeschneiderte Offshore-Strukturen an, bei denen das Geld oft durch mehrere Geschäftseinheiten in verschiedene Oasen fließt, um eine mehrfache Verschleierung zu erreichen. Andererseits spielen Steueroasen eine Rolle bei der (legalen) Steuervermeidung. Beispielsweise setzen multinationale Unternehmen Finanzierungsgesellschaften ein, die ihren Sitz in Niedrigsteuerländern bzw. Steueroasen haben. So ist es möglich, Gewinne steuerfrei bzw. -günstig in solche Steuerparadiese zu verlagern, während die Kosten in Hochsteuerländern steuerlich geltend gemacht werden. Dies kann z.B. durch hohe Fremdfinanzierung, die Manipulation firmeninterner Verrechnungspreise oder die Auslagerung von Lizenzrechten an Tochterunternehmen in die genannten Oasen geschehen. Dabei geht es nicht um die Verlagerung realer wirtschaftlicher Aktivität, sondern lediglich um ein Verschieben von Buchgewinnen und -verlusten, ohne dass damit reale Produktionsverlagerungen verbunden wären.
Außerdem können Regulierungsoasen von Finanzmarktakteuren genutzt werden, um heimische Regulierungen zu umgehen. Sie verlangen oft eine niedrige Eigenkapitalausstattung und wenig Transparenz über Eigentümerstrukturen; außerdem haben sie eine lasche Bankenaufsicht. Viele der dort ansässigen Finanzunternehmen stehen unter der geschäftlichen Kontrolle von Nichtansässigen, und die Mehrheit ihrer Bilanzpositionen auf der Aktiv- und Passivseite ist auswärtigen Geschäftspartnern zugeordnet. Sie dienen also als Durchleiter für Finanzströme und ermöglichen es Investoren überall auf der Welt, riskante, oft außerhalb der Bilanz getätigte Geschäfte einzugehen und im Erfolgsfall höhere Renditen zu erzielen, als dies bei Einhaltung der „onshore“ geltenden Standards möglich wäre. Dazu bedienen sie sich sogenannter „Schattenbanken“ – so werden Finanzmarktakteure bezeichnet, die bankenähnliche Dienste anbieten, aber nicht wie eine Bank reguliert werden (z.B. Hedgefonds und Zweckgesellschaften). Das Schattenbankensystem ist eine der Hauptursachen der Finanzkrise. Die inzwischen gefürchteten Derivate der US-Hypothekenkredite sind oft von Zweckgesellschaften in Regulierungsoasen zusammengeschnürt und ausgegeben worden. Bei vielen der Banken, die in akute Nöte geraten sind, zeigen sich Verbindungen in Regulierungsoasen. Die zur Verfügung stehenden Daten legen den Schluss nahe, dass die Nutzung von Offshore-Finanzzentren für Banken und andere Finanzmarktakteure der Regelfall war.
Je nach Quelle wird geschätzt, dass 5 bis 11,5 Billionen US-Dollar Privatvermögen in Steuer- und Regulierungsoasen versteckt werden. Dies bedeutet einen geschätzten jährlichen Steuerausfall in den Wohnsitzstaaten von insgesamt 110 bis 255 Mrd. US-Dollar. Diese Schätzungen beinhalten noch nicht die Verluste, die durch Gewinnverlagerungen der Unternehmen entstehen. Raymond Baker schätzt die gesamten, also privaten und unternehmerischen, illegitimen, internationalen Finanzströme auf jährlich 1 bis 1,6 Billionen US-Dollar. Besonders betroffen sind die Entwicklungsländer. Nach Berechnungen von „Global Financial Integrity“ gehen ihnen jährlich 850 Mrd. bis 1 Billion US-Dollar an Kapital auf illegitime Weise verloren, das meist in Steueroasen fließen dürfte. Dies ist ungefähr das Zehnfache der öffentlichen Entwicklungshilfe aller OECD-Staaten. Christian Aid schätzt, dass die Entwicklungsländer alleine durch die Manipulation von Transferpreisen jährlich 160 Mrd. US-Dollar an Steuereinnahmen verlieren.
Aber nicht nur die direkten Einnahmeverluste sind zu berücksichtigen. Darüber hinaus gibt es den indirekten Effekt des internationalen Steuerwettbewerbs, der zu einer Veränderung der Steuersysteme führt. In fast allen Ländern sind in den letzten 10 bis 15 Jahren die nominalen Körperschaftssteuersätze, zentrale Größe für die Entscheidung von Unternehmen zur Gewinnverlagerung, gesenkt worden. Im Gegenzug ist in vielen Ländern die Bemessungsgrundlage verbreitert worden, um Steuerausfälle zu verhindern. So kommt es zu einer Entlastung von großen, multinational organisierten Firmen und zu einer Belastung von kleinen und mittelständischen Betrieben und zu einer relativ stärkeren Belastung des Faktors Arbeit gegenüber Kapital und zu einer Umschichtung auf indirekte Steuern.
Bei den Steuer- und Regulierungsoasen handelt es sich um ein systemisches Problem, das sich nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage ausbreitet. Auf der Nachfrageseite sind Unternehmen und Private auf der Suche nach Möglichkeiten zur Umgehung steuerlicher und regulatorischer Vorschriften. Auf der Angebotsseite haben souveräne Staaten und Gebiete die Möglichkeit, entsprechende Angebote zu unterbreiten. Im Ergebnis geraten die Staaten in einen Steuer- und regulatorischen Wettbewerb um die Anziehung von Steuerbasis und Geschäftstätigkeit im Banken- und Finanzsektor. Aber es beteiligen sich nicht nur die oft kleinen Staaten, die sich selbst als Steuer- und Regulierungsoasen aufgestellt haben, an dem Wettbewerb, sondern auch die großen Normalsteuerländer. Sie haben beispielsweise gezielt Lücken zur Nutzung von Steueroasen gelassen oder bestimmte Steuerpräferenzen für ausländische Steuerzahler („ring fencing“) angeboten.
Da es sich um ein systemisches Problem handelt, in das alle Staaten verwickelt sind, wird es sich nicht durch moralische Appelle oder Beschimpfungen einzelner Regierungen lösen lassen. Vielmehr muss es darum gehen, die strukturellen Bedingungen, sprich die steuerlichen und Finanzmarktregulierungen, so zu verändern, dass es sich nicht mehr lohnt, sich als Steuer- oder Regulierungsparadies aufzustellen. Dies wird nur dann gelingen, wenn alle Regierungen sich kollektiv auf bessere Regeln einigen und für deren effektive Durchsetzung sorgen.
Die bisherigen Regulierungsbemühungen reichen nicht
Im Bereich der Steuerhinterziehung hat sich die OECD darum bemüht, einen globalen Standard für Transparenz und Informationsaustausch einzuführen. Dieser Standard ist mangelhaft, weil er lediglich einen Austausch auf Anfrage vorsieht. Damit die Anfrage positiv beantwortet wird, muss ein plausibler Anfangsverdacht vorgewiesen werden. Dazu bedarf es aber oft genau der Informationen, über die man wegen der von den Steueroasen bewusst hergestellten Intransparenz nicht verfügt. Außerdem erfolgt der Informationsaustausch lediglich auf Basis bilateraler Abkommen, was angesichts des multilateralen Charakters der Steuerflucht nicht angemessen ist. Schließlich richten sich diese Maßnahmen lediglich gegen Steuerhinterziehung, nicht aber gegen legale Steuervermeidung.
Auf dem Gebiet der Finanzstabilität sind die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), der Internationale Währungsfonds (IWF) und das „Financial Stability Board“ (FSB, früher Forum, FSF) tätig. Im Jahre 2000 wurden vom FSF regulatorische Standards entwickelt; außerdem wurde eine schwarze Liste mit Offshore-Zentren benannt, die die Standards nicht erfüllten. Allerdings wird dabei lediglich die Qualität der Aufsicht über heimische Banken bewertet und nicht berücksichtigt, dass man sich in vielen Regulierungsoasen für unzuständig erklärt, wenn es um die Aufsicht über die dort ansässigen ausländi-schen Bankniederlassungen und Zweckgesellschaften geht. In Folge der Finanzkrise soll das FSB gemeinsam mit dem IWF ein Frühwarnsystem für Finanzkrisen und ein Verfahren zur besseren Aufsicht über die Regulierungsoasen entwickeln. Es ist aber kaum damit zu rechnen, dass am Ende Regeln stehen, die auch gegen den Willen nicht-kooperativer Jurisdiktionen durchgesetzt werden können, weil das FSB nicht mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet ist.
Auch auf der europäischen Ebene sind die Erfolge bisher ausgeblieben. Die Zinsbesteuerungsrichtlinie, die die richtige Idee eines automatischen Informationsaustausches verfolgt, ist in ihrem Anwendungsbereich zu eng begrenzt und kann durch Investitionen in andere Anlageformen, z.B. Aktien, leicht umgangen werden; auch sind Stiftungen („Trusts“) nicht eingeschlossen; und sie kann durch Anlage in Drittstaaten umgangen werden. Derzeit wird deshalb über eine Verschärfung und Ausweitung der Richtlinie verhandelt. Das Projekt einer Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage (GKKB), die, wenn sie richtig ausgestaltet wird, einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung von Steuervermeidung leisten kann, musste die Europäische Kommission vorerst aufgeben. Auch die bisherigen Vorschläge für eine europäische Finanzaufsicht sind unzureichend. Die geplanten Gremien sind zu sehr fragmentiert, und es wird lediglich eine Koordinierung der nationalen Aufsichten angestrebt statt einer ef-fektiven supranationalen Instanz.
Neben diesen internationalen Bemühungen gibt es in den meisten Staaten auch nationale Gesetze, mit denen die Möglichkeiten zur internationalen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung begrenzt werden sollen. Zu nennen ist hier z.B. der „Stop Tax Haven Abuse Act“, der aktuell in den USA im Kongress behandelt wird. Bei diesem und ähnlichen Versuchen, unilateral gegen Steuervermeidung vorzugehen, zeigt sich, dass es schwierig ist, harte Regeln gegen die Interessen der Wirtschaftsverbände durchzusetzen. Diese argumentieren, dass ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Wettbewerbern aus anderen Ländern, in denen weniger strenge Regeln herrschten, leide. Das Ergebnis ist meist, dass die unilateralen Abwehrmaßnahmen schwach ausfallen. Dabei wären strengere nationale Gesetze nicht zuletzt deshalb wichtig, weil sie die Glaubwürdigkeit in internationalen Verhandlungen über Steuerflucht erhöhten.
Insgesamt sind die bisher ergriffenen und derzeit diskutierten Gegenmaßnahmen nicht ausreichend, da sie zu stark zersplittert sind, auf unzureichenden Standards beruhen und bisher keine internationale Organisation mit den notwendigen Kompetenzen und der Legitimität ausgestattet ist, sie gegenüber nicht folgewilligen Staaten durchzusetzen.
Das Gelegenheitsfenster nutzen und wirksame Politikmaßnahmen ergreifen
Da es sich bei den Steuer- und Regulierungsoasen um ein systemisches Problem handelt, muss es durch möglichst global geltende Regeln bekämpft werden. Damit sich das Gelegenheitsfenster zur Regulierung nicht schließt, gehören die folgenden Vorschläge möglichst schnell auf die Tagesordnung.
Transparenz als zentrale Anforderung
Das Geschäftsmodell der Steuer- und Regulierungsoasen beruht im Kern auf gezielter Geheimhaltung. Aus diesem Grund ist der Schlüssel zur Lösung des Problems die Schaffung von Transparenz.
Erstens sollte ein automatischer multilateraler Informationsaustausch eingeführt werden, der den bisherigen OECD-Standard ersetzt. Hierzu könnte man die bereits seit 1988 bestehende multilaterale Konvention zum Informationsaustausch des Europarates und der OECD ausbauen. Auch die Zinsbesteuerungsrichtlinie der EU beweist, dass multilateraler, automatischer Informationsaustausch über Ländergrenzen hinweg möglich ist; sie bietet deshalb einen zweiten möglichen Ansatzpunkt.
Zweitens sollte zur länderweisen Bilanzierung („country-by-country-repor¬ting“) übergegangen werden, so dass in der Handelsbilanz die Gewinne und Verluste in den einzelnen Ländern sichtbar werden. Dies würde es den Behörden einfacher machen, Steuervermeidung und -hinterziehung zu entdecken, weil man diese Zahlen mit der steuerlichen Bilanz vergleichen kann, die ja gerade nur das steuerliche Ergebnis in einzelnen Staaten anzeigt.
Aber nicht nur die Behörden sollten – drittens – bessere Informationen über die finanzielle Situation von Steuerzahlern erhalten, auch die Öffentlichkeit sollte davon profitieren. Der Financial Transparency Index, den die Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network (TJN) im November 2009 erstmals veröffentlichte, sollte deshalb breite politische Unterstützung und Beachtung finden. Mit dem Index wird die Transparenz aller Finanzzentren der Welt bewertet. Eine weitere mögliche Maßnahme besteht darin, multinationale Unternehmen dazu aufzufordern, sich im Rahmen ihrer Programme zur sozialen Unternehmensverantwortung („Corporate Social Responsibility“) zur angemessenen Steuerzahlung in allen Ländern, in denen sie operieren, zu verpflichten.
Im Bereich der Finanzaufsicht muss – viertens – darauf gedrungen werden, dass bei der Bewertung von systemischen Risiken, auch die. Dazu wären die Registrierung und Offenlegung von Geschäftstätigkeit in Regulierungsoasen vorzuschreiben. So eröffneten sich auch Möglichkeiten zu einer indirekten Regulierung, indem man den „onshore“ ansässigen Geschäftspartnern von Finanzinstitutionen in Regulierungsoasen ein höheres Risiko zuschreibt und von ihnen beispielsweise eine höhere Eigenkapitalquote verlangt.
Globalisierungsfestes Steuerrecht – partielle Harmonisierung und Koordinierung
Allerdings verhindert keine der bisher genannten Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz Regulierungs- und Steuerflucht direkt. Sie machen es lediglich möglich, dass die zuständigen Stellen entsprechendes Verhalten aufdecken und ex post ahnden können. Sie sollten deshalb ergänzt werden durch Maßnahmen, die Möglichkeiten zur Regulierungs- und Steuerflucht ex ante begrenzen.
Eine erste Möglichkeit bestünde in der koordinierten Einführung einer Quellensteuer in allen OECD- und G 20-Ländern. Da die Gelder, die in den Steueroasen angelegt werden, dort nicht mit einer ausreichenden Rendite investiert werden können, werden von dort Realinvestitionen in anderen Volkswirtschaften getätigt, zum Großteil in OECD- und G 20-Ländern. Wenn diese Länder eine Quellensteuer einführten, wäre zumindest sichergestellt, dass die Investitionseinkommen überhaupt irgendwo besteuert würden. Die Attraktivität der Steueroasen für Anleger wäre geschmälert.
Zweitens sollte, zunächst in der europäischen Union, eine Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage (GKKB) mit Mindeststeuersatz eingeführt werden. In einem System mit GKKB wird der Gesamtgewinn des Unternehmens über alle Unternehmensteile hinweg nach einheitlichen Regeln ermittelt und anschließend anhand realwirtschaftlicher Faktoren wie Lohnsumme, Umsatz oder Vermögen auf die Sitzländer verteilt (sogenannte Formelallokation). Dies macht das Verschieben von Buchgewinnen für multinationale Unternehmen deutlich schwieriger. Damit sich der Steuerwettbewerb um Buchgewinne nicht in einen realen Steuerwettbewerb um wirkliche Standortentscheidungen verwandelt, muss eine GKKB durch einen Mindeststeuersatz ergänzt werden.
Aber auch auf nationaler Ebene lässt sich etwas tun. Drittens sollte deshalb in Deutschland eine Melde- und Genehmigungspflicht für Steuerplanungsmethoden eingeführt werden, so wie sie auch in Kanada, Südafrika, Großbritannien und den USA gilt. Dieses Verfahren ermöglicht nicht nur eine bessere Regulierung der aggressiven Steuerplanung, sondern es kommt auch den Steuerzahlern zugute, weil frühzeitig Rechtssicherheit hergestellt wird.
Global Governance in der Steuer- und Finanzmarktpolitik
Das Hauptproblem beim Kampf gegen Steuer- und Regulierungswettbewerb ist, dass es sich um ein globales Phänomen handelt, für das es aber kaum effektive politische Handlungskapazitäten auf globaler Ebene gibt. Die Regelungskompetenzen sowohl in der Steuerpolitik als auch bei der Finanzmarktregulierung liegen hauptsächlich auf der nationalen Ebene. Diese Struktur wird der globalisierten Wirtschaft im 21. Jahrhundert nicht mehr gerecht.
Es sollte deshalb sowohl eine Weltsteuerorganisation als auch eine Weltfinanzaufsicht geschaffen werden. Beide Institutionen hätten die Aufgabe, unter ihrem Dach effektive Steuer- und Regulierungsstandards verhandeln zu lassen. Außerdem müssen sie über ausreichende Kompetenzen zur Durchsetzung dieser Standards verfügen, d.h. sie müssen einerseits effektive Überwachungsmechanismen entwickeln und andererseits Verstöße sanktionieren können. Der Ruf nach starken internationalen Institutionen in der Steuer- und Finanzpolitik ist weniger utopisch als es zunächst erscheinen mag. Eine internationale Institution, die eine solche Funktion in einem anderen Politikbereich, nämlich dem internationalen Handel, bereits erfüllt, ist die Welthandelsorganisation (WTO).
Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass es in naher Zukunft zur Gründung solcher Institutionen kommt. Stattdessen haben sich die G 20 auch in der aktuellen Finanzkrise dazu entschieden, lediglich die bestehenden und bisher nur mäßig erfolgreichen globalen Initiativen weiterzuentwickeln. Deshalb muss zumindest sichergestellt werden, dass diese Initiativen gut miteinander verzahnt werden. Zum einen ist der Tatbestand der Steuerhinterziehung mit in die Kriterien der Financial Action Task Force (FATF) aufzunehmen. Zum anderen sollte das FSB Mindeststandards in Bezug auf die Steuerkooperation festlegen. Weiterhin gilt es, die bestehende Zusammenarbeit nationaler Finanzverwaltungen auszubauen. Insbesondere sollten weitere Länder im Joint International Tax Shelter Information Center (JITSIC) aufgenommen werden, in dem bisher die USA, England, Australien Kanada und Japan vertreten sind. Es handelt sich um eine internationale Verwaltungseinheit, die das Ziel hat, aggressive Steuerplanung und -ge¬staltung zu bekämpfen.
Mit der Umsetzung dieser Maßnahmen könnte die internationale Gemeinschaft beweisen, dass sie es ernst meint mit der Schaffung eines starken internationalen Regelwerks, das Steuer- und Regulierungsflucht unterbindet.
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Erscheinungsdatum | 4. 2009 |
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