Carina Wagner, Technische Universität Dresden
Mit dem Schutz des Wolfes nach internationalen und nationalen Richtlinien und Gesetzen verpflichtet sich Deutschland dem europäischen Ziel einen stabilen Erhaltungszustand dieser Tierart herbeizuführen. Als klassischer Vertreter der Großraubsäuger ist die Rückkehr des Wolfes aber von einem hohen Konfliktpotential begleitet, das sich in Sachsen, dem Bundesland mit dem größten zusammenhängenden Wolfsgebiet in Deutschland, derzeit in der geringen Akzeptanz der naturschutzrelevanten Tierart insbesondere bei Nutztierhaltern und Jägern widerspiegelt. Durch die Fokussierung auf Schalenwildarten als Beute, wird der Wolf in der Jägerschaft nicht nur als Nahrungskonkurrent eingestuft, sondern steht auch im Verdacht durch die Veränderung der Raumnutzung der Beutetiere bzw. durch hohe wolfsbedingte Mortalitäten die Jagd auf Schalenwild zu erschweren oder gar den Zusammenbruch der Wildbestände herbeizuführen.
Während durch die Etablierung eines Monitoringprogramms, ergänzt durch weitere wissenschaftliche Begleituntersuchungen in den letzten Jahren die Situation der Wolfspopulation in Sachsen gut dokumentiert ist, fehlen entsprechende Zustandsanalysen bei den Beutetierarten. Wissenschaftlich fundierte Daten über populationsstrukturelle Parameter der Schalenwildarten sind aber Voraussetzung, um die Wechselbeziehungen zwischen dem Prädator Wolf und seinen Beutetieren zu quantifizieren und die äußerst emotional geführten Diskussionen zu versachlichen bzw. die Interessenskonflikte zu entschärfen. Die Zustandsanalyse der Beutetiere bildet darüber hinaus die Grundlage für eine potentielle Anpassung des derzeitigen Konzeptes der Wildbewirtschaftung an die durch die Existenz des Wolfes gegebenen neuen Bedingungen und trägt somit letztendlich auch zur Sicherung des Wolfsbestandes in Deutschland bei.
Ziel des Promotionsvorhabens ist es, in einem für die Region repräsentativen Untersuchungsgebiet mit ständigem Wolfsvorkommen (Muskauer Heide) die Populationsstruktur von Schalenwildarten mit wissenschaftlich etablierten Methoden zu erfassen, um daraus Effekte des Wolfes auf seine Beutetiere abzuleiten. Im Mittelpunkt stehen - auch aufgrund ihrer jagdpolitischen und ökologischen Relevanz - die beiden Hauptbeutearten Reh (Capreolus capreolus) und Rothirsch (Cervus elaphus). Folgende Parameter, die Aussagen zur Struktur der Schalenwildbestände erlauben, werden hierfür erhoben: Populationsdichte (Distance-sampling-Verfahren), Geschlechterverhältnis (systematische Direktbeobachtungen ergänzt durch die Analyse von Jagdstrecken und Unfallwild), Altersstruktur (systematische Direktbeobachtungen ergänzt durch die Analyse von Jagdstrecken und Unfallwild mit Hilfe des Zahnzementlinienverfahren), Sozialstruktur (systematische Direktbeobachtungen), körperliche Kondition (Analyse des Fettgehaltes im Knochenmark erlegter Tiere und von Unfallwild), Reproduktionsraten (Uterus und Eierstockanalysen an Jagdstrecken und Unfallwild) sowie die jagdlich bedingte Mortalität (Analyse der Jagdstrecken). Unter Einbeziehung der Ergebnisse nahrungsökologischer Untersuchungen am Wolf und der Rissanalysen ermöglichen die Ergebnisse Aussagen über eine mögliche Selektivität der Nahrungswahl des Wolfes und die Quantifizierung der wolfsbedingten Mortalität von Reh und Rotwild.