„Krise als Chance für den Umbau“

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5. März 2009
Industrie und Schwellenländer überbieten sich mit immer neuen Konjunkturprogrammen. Doch statt in den Wandel zu investieren, setzen sie auf alte Rezepte, kritisiert Ralf Fücks, Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung. Dabei gebe es gerade jetzt die Chance für einen Kurswechsel.

Jutta vom Hofe: Die Bundesregierung hat ein Konjunkturpaket auf den Weg gebracht für „Zukunftsinvestitionen“, mit einer „Umweltprämie“, einem „Kinderbonus“, mit mehr Ausgaben für Bildung. Jubilieren Sie?

Ralf Fücks: Das wäre maßlos übertrieben. Der Löwenanteil des Pakets wird mit der Gießkanne verteilt. Das wird verpuffen und wenig mehr hinterlassen als einen riesigen Schuldenberg für künftige Generationen. Aber Sie haben doch sicher nichts dagegen, dass die Regierung mehr Geld für Bildung ausgeben will? Investitionen in Bildung sind im Prinzip in Ordnung. Aber dieses Programm bezieht sich vor allem auf die Sanierung von Gebäuden. Neue Schulklos oder Fenster sind vielerorts überfällig. Aber eine Bildungsoffensive sieht anders aus. Wir brauchen den Ausbau von Ganztagsschulen sowie von Kindergärten für ein- bis dreijährige Kinder. Darüber hinaus müssen mehr Mittel für Forschung und Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden. Gerade in der Krise muss man auf Innovationen setzen.

Wirken diese Maßnahmen denn schnell genug?

Was wir jetzt erleben, ist eine Chance, die man nur ein Mal im Leben hat. Eine solche Möglichkeit zur Umsteuerung auf eine zukunftsfähige Wirtschaft mit einer massiven öffentlichen Anschubfinanzierung wird es auf absehbare Zeit nicht wieder geben. Denn nach der jetzigen Ausgabenorgie wird es vorrangig um Haushaltskonsolidierung gehen. Dann herrscht ein Regime der knappen Kassen. Wenn wir schon neue Schulden machen, dann für Investitionen in die Zukunft. Man muss die Krise als Chance für den ökologischen Umbau nutzen.

Was meinen Sie konkret?

Sinnvoll wäre der Ausbau eines leistungsfähigen europäischen Stromnetzes, das es erlaubt, Solarstrom aus dem Süden mit Windenergie von den Küsten, Wasserkraft aus den Gebirgsregionen und Biomasse-Strom aus den großen landwirtschaftlichen Flächen in Mittel- und Osteuropa zu verknüpfen. Außerdem müssen wir mehr Geld für den öffentlichen Personen- und Güterverkehr ausgeben. Wir müssen Investitionen in grüne Technologien fördern, die nicht nur den CO2-Ausstoß reduzieren, sondern auch die Grundlage für nachhaltiges Wachstum schaffen und damit auch für neue Jobs. Das bringt nicht nur ökologischen Nutzen, sondern auch einen Vorsprung im internationalen Wettbewerb.

Was halten Sie von der Abwrackprämie für alte Autos?

Gar nichts, solange man das nicht an strengere Verbrauchswerte für Neuwagen bindet. Ich wäre dafür, die Neuwagen-Prämie zum Beispiel an die „Euronorm 5“ zu koppeln, um die Produktion schadstoffarmer Autos anzukurbeln. Schuldenfinanzierte Programme zur Erhaltung des Status quo sind herausgeworfenes Geld.

Was schlagen Sie noch vor?

Die Sanierung des Altbaubestandes muss wesentlich energischer vorangetrieben werden. Dazu gehört ein großangelegtes Förderprogramm für die Wärmedämmung von Altbauten und den Einbau energieeffizienter Heizungen. Das ist doch auch geplant. Das vorgesehene Volumen ist zu gering. Die Anreize für Immobilienbesitzer müssten stärker sein, damit sie den Bestand modernisieren. Am besten gelingt das über zinsgünstige Kredite und verbesserte Möglichkeiten, Investitionen zur Senkung des Energieverbrauchs auf die Miete umzulegen. Das wäre eine Maßnahme mit sowohl kurzfristigen als auch langfristigen Effekten. Es gibt auch den Vorschlag, Vermieter über Auflagen zur Modernisierung zu zwingen. Dafür gibt es nur begrenzte Möglichkeiten, solange das Mietrecht nur so enge Spielräume zum Umlegen des Sanierungsaufwandes zulässt. Es gibt eine Vielzahl von kleinen Hauseigentümern, deren finanzielle Leistungsfähigkeit man nicht überfordern darf. Deshalb brauchen wir Förderprogramme. Deutschland bzw. manche europäische Staaten sehen sich, was die ökologische Umsteuerung angeht, trotz allem in der Vorreiterrolle.

Tun andere zu wenig?

Der europäische Vorsprung schrumpft. Inzwischen ist es so, dass sich viele Länder in Bezug auf Umwelttechnologien nicht mehr hinter Europa verstecken müssen. Das gilt besonders für die USA mit dem neuen Präsidenten, der dezidiert auf grüne Technologie und grüne Jobs setzt. Das bietet eine neue Chance für koordinierte, globale Aktionen.

In Sachen Ökologie hält Obama also, was er verspricht?

Es sieht so aus. Die neue Administration will in den nächsten zehn Jahren 150 Mrd. Dollar in erneuerbare Energien investieren. Das amerikanische Konjunkturpaket enthält darüber hinaus viele ökologische Elemente, zum Beispiel für eine intelligentere Stromnutzung und für mehr Energieeffizienz. Außerdem macht Obama den Automobilherstellern Druck, damit sie endlich spritsparendere Fahrzeuge auf die Straße bringen. Er forciert eine grüne Wende, die sich in den USA schon seit einigen Jahren abzeichnet. Zum Beispiel fließt das Wagniskapital, das die Internet-Revolution finanziert hat, jetzt in ökologische Innovationen. Das ist auch ein Modell für uns.

Das Interview erschien in dieGesellschafter.de (Seite 15).

Ralf Fücks ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung

Er publiziert in großen deutschen Tages- und Wochenzeitungen, in internationalen politischen Zeitschriften sowie im Internet zum Themenkreis Ökologie-Ökonomie, Politische Strategie, Europa und Internationale Politik.

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