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Des Teufels Regime mit dem Beelzebub austreiben

Die Schlussfolgerungen des Rates vom 22. April 2013, alle Sanktionen gegen Myanmar aufzuheben, waren zu erwarten gewesen. Jeder Sinn und Zweck, den diese Sanktionen über die letzten 25 Jahre gehabt haben mögen, ist schon lange verpufft. Folglich konnte ihnen Daw Aung San Suu Kyi den Todesstoß versetzen, was sie auch in einem Telefongespräch mit US-Außenminister William Hague kurz nach dem Treffen der G8-Außenminister zu Beginn des Monats ohne zu zögern tat.

Menschenrechtsgruppen haben diese Entscheidung bedauert. „Die Aufhebung der gezielten EU-Sanktionen gegen Burma ist voreilig und bedroht in unverantwortlicher Weise die bisherigen Fortschritte bei den Menschenrechten“, so Lotte Leicht, EU-Direktorin von Human Rights Watch, am 22. April in einer Erklärung. „Die EU-Mitgliedstaaten beenden Maßnahmen, die eine treibende Kraft der aktuellen Fortschritte waren, und sie verlassen sich auf den guten Willen der burmesischen Regierung und des burmesischen Militärs, ihr Wort zu halten und die Reformen weiterzuführen.“ 

Ich verstehe, dass die Aufhebung der Sanktionen für die Menschenrechtslobby keine gute Nachricht ist. Sie lebt von der Konfrontation, und wenn das Regime nicht permanent in Ungnade gehalten wird, ist jeder Anflug von Normalität schlecht fürs Geschäft. Widerspenstige Regimes müssen zum Kotau gezwungen werden. Für kreative Diplomatie ist dabei kein Platz. 

Ich ziehe einen weniger konfrontativen Ansatz vor. EU-Sanktionen können nie auf das Regime selbst abzielen, einfach weil es keine Sanktionen gibt, die dies tun. Die einzige finanzielle Sanktion, die eine Strafwirkung gehabt haben könnte, wäre das Einfrieren von Erlösen aus dem Verkauf von Erdgas an Thailand gewesen, die jährlich bereits mehr als 3 Milliarden US-Dollar ausmachen und weiter steigen werden, sobald die Pipeline nach China in Betrieb genommen wird. Eine solche Maßnahme stand aber immer außer Frage, da sie den Zugang Thailands zu 30 Prozent seiner Erdgas- und 20 Prozent seiner gesamten Energieressourcen versperrt und damit sowohl der thailändischen Industrie als auch der Zivilgesellschaft enorm geschadet hätte. 

Sanktionen nur eine stumpfe Waffe?

Nach der „Safran-Revolution“ hatten die USA im Oktober 2007 versucht, Thailand und Singapur dazu zu zwingen, die Konten zu sperren – allerdings ohne Erfolg. Insbesondere Singapurs Außenminister George Yeo bestand auf der ordnungsgemäßen Abwicklung aller Finanztransaktionen. Folglich verfügte das Regime über ausreichende Mittel zur Deckung seiner Bedürfnisse und der Westen hatte keinerlei Handhabe.

Da es demnächst den Vorsitz der Association of Southeast Asian Nations übernehmen wird, „ist Myanmar gezwungen, das Tempo der Reformen beizubehalten“, so der indonesische Außenminister Marty Natalegawa. Definitiv ein besseres Druckmittel als die stumpfe Waffe der Sanktionen.

Was die Wirksamkeit betrifft, so haben die EU-Sanktionen auf ganzer Linie versagt. Sie haben lediglich die Entschlossenheit des Militärs gestärkt, seinen Verfassungsprozess, den 7-Punkte-Plan zur Wiederherstellung der Demokratie, "auf Teufel komm" raus durchzudrücken, denn nichts liebt das Militär mehr als einen Kampf. 

Die Geschichte der EU-Sanktionen hat etwas von einer unabwendbaren griechischen Tragödie. Nach dem Militärputsch am 18. September 1988 wurden die Entwicklungshilfe der westlichen Länder und der größte Teil der humanitären Hilfe beendet. Die EU beschloss, Handel, Investitionen und Tourismus zu blockieren und gab so unseren asiatischen Wettbewerbern, insbesondere China, freien Zugang zum burmesischen Markt. Die EU-Sanktionen, die am meisten Schaden anrichteten, zogen ihre Wirkung nicht aus ihrem Inhalt, sondern aus der Tatsache, dass sie europäische Firmen, die es immer noch wagten, in Myanmar Geschäfte zu machen, einem inakzeptablen Reputationsrisiko aussetzen.

Zweifelhafte Wirksamkeit

Soweit ich informiert bin, kamen sowohl interne Analysen der nationalen Regierungen der EU-Mitgliedstaaten als auch der EU-Kommission zu einem vernichtenden Urteil über die Wirksamkeit der Sanktionen, weshalb in den vergangenen 25 Jahren keine einzige offizielle Analyse erstellt, geschweige denn veröffentlicht wurde. Dies hätte die Behauptungen europäischer, insbesondere britischer Politiker unterminiert, die Sanktionen seien „gezielt“. Früher oder später werden diese Analysen zweifellos unter einem Informationsfreiheitsgesetz ans Tageslicht gelangen.

Hier sei auch erwähnt, dass nur wenige Beobachter der Vorgänge in Myanmar die EU-Sanktionen für sinnvoll hielten. Es war von Anfang an klar, dass die Sanktionen nur die Entschlossenheit des Regimes stärkten, ihren Verfassungsprozess durchzuziehen – und dass sie der Bevölkerung nur noch weiteres Leid brachten. Experten zum Thema Sanktionen erkennen durchaus an, dass die sanktionierenden Regierungen Maßnahmen ergreifen müssen, die „eine klare Sprache sprechen“ und dann eine symbolische Bedeutung erlangen. Aber diese innenpolitische Relevanz ist nur ein beschämendes Gegengewicht zu dem zusätzlichen und unnötigen Elend, das der burmesischen Bevölkerung aufgebürdet wurde, die bereits unter dem Joch der Militärherrschaft und dem katastrophalen Wirtschaftsmanagement stand. 

Angesichts dieser unangenehmen Wahrheiten versuchten einige Regierungen und die Menschenrechtslobby, ihre Vorliebe für Sanktionen mit dem Argument zu verteidigen, dass die Reformen, die die Regierung unter Präsident Thein Sein seit ihrem Amtsantritt am 30. März 2011 umgesetzt hat, in hohem Maße den Sanktionen zu verdanken sind. Das mag sein, aber nicht in der Art und Weise, die uns hier implizit verkauft wird. Der Präsident und seine führenden Kollegen haben sich von Anfang an für die Aufhebung der Sanktionen eingesetzt und zwar mit dem Argument, dass die Sanktionen die allgemeine Wirtschaft zerstört hätten und dass es die Bevölkerung als Ganzes ist, die ihre Konsequenzen tragen muss. 

Des Teufels Regime mit dem Beelzebub austreiben

Einige, auch Daw Aung San Suu Kyi, seit 1989 eine Anhängerin der Sanktionen, haben dies als Hinweis darauf ausgelegt, dass die Sanktionen bei den Generälen einen Eindruck hinterlassen haben – warum würden sie sich sonst beklagen? Das wiederum zeigt ein moralisches Dilemma. Das Ergebnis der Sanktionen gegen Myanmar stützt das umstrittene Argument, dass unter besonderen Umständen diejenigen Maßnahmen gegen ein Regime am effektivsten sind, die in erster Linie die Bevölkerung treffen – also inhärent unmoralisch sind. Damit wird des Teufels Regime mit dem Beelzebub ausgetrieben. Die Vereinten Nationen sind sich schon seit langem der negativen Auswirkungen wirtschaftlicher Sanktionen auf die Menschenrechtslage in den betroffenen Ländern bewusst. 

Die Einsicht, dass eine unerwartet reformbereite Regierung in Myanmar das Ende der Sanktionen, die nur die Bevölkerung treffen, fordern könnte, ist wahrscheinlich zu viel verlangt von den aktuellen Kritikern, die nicht akzeptieren können, dass „die Bösen“ einen Reformprozess ohne externen Druck beginnen könnten. Wie Lionel Barber, Redakteur der Financial Times, nach seinem allerersten Besuch in Myanmar gesagt hat, ist es Scham, Angst und Stolz der Generäle, die in erster Linie für deren Sinneswandel verantwortlich sind. 

Es ist höchste Zeit, dass der leidigen Geschichte der Sanktionen gegen Myanmar ein Ende gemacht wird. Es gibt Hinweise, dass die US-Regierung ihre Position überdenkt, aber derzeit verfolgt die US-Politik weiterhin einen kalibrierten Ansatz. Aber wie lange noch? Die Vorboten sind unübersehbar.


Derek Tonkin, Berater für Bagan Capital Limited, hat langjährige Erfahrung mit dem Thema Sanktionen: Von 1983 bis 1986 war er Minister an der britischen Botschaft in Südafrika, 1980-82 Botschafter in Vietnam und 1993-2001 Direktor von zwei südostasiatischen Private Equity Fonds.