Wenig Wind, viel Unsicherheit und Kohle für Kohle

Kraftwerk Niederaußem
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Braunkohle-Kraftwerk Niederaußem in Nordrhein-Westfalen

Auf den ersten Blick kann man den Eindruck bekommen, dass der Entwurf des Koalitionsvertrags so schlimm denn doch nicht ist, wie man befürchtet hat. Je länger man sich aber damit beschäftigt, desto mehr wird klar, welche Gefahren für eine ökologische Energiewende darin stecken.

Da gibt es die schönen Formulierungen wie „Die Energiewende ist ein richtiger und notwendiger Schritt auf dem Weg in eine Industriegesellschaft, die dem Gedanken der Nachhaltigkeit und der Bewahrung der Schöpfung verpflichtet ist.“ (S. 49) „Wir wollen die Entwicklung zu einer Energieversorgung ohne Atomenergie und mit stetig wachsendem Anteil Erneuerbarer Energien konsequent und planvoll fortführen.“ (S. 49)

Diese erfreulichen Aussagen werden leider an verschiedenen Stellen konterkariert. So seien selbst Braunkohlekraftwerke „als Teil des nationalen Energiemixes auf absehbare Zeit unverzichtbar“ (S. 56). Liest man diesen Satz versteht man, warum im vorigen Zitat der Hinweis fehlt, dass wir auch weniger Strom aus fossilen Energien erzeugen wollen, so dass man die Treibhausgasemissionen senken würde. Das kann sich Schwarz-Rot offenbar nicht vorstellen, das wollen sie nicht. Im Gegenteil, sie planen mittelfristig einen Kapazitätsmechanismus, der „technologieoffen“ sein soll. Im Klartext heißt das Geld für Kohlekraftwerke. Inwiefern es mit dem Ziel, die Schöpfung zu bewahren, vereinbar ist, Braunkohlekraftwerke auf absehbare Zeit zu betreiben, ist angesichts der Katastrophenbilder aus den Philippinen schwer nachzuvollziehen.

Vor allem aber können einzelne Vorschläge zur grundsätzlichen Reform des EEG und die große Unsicherheit, die dieser Koalitionsvertrag hinterlässt, die Ausbaudynamik bei den Erneuerbaren Energien im Strombereich und die dortige Akteursvielfalt ernsthaft gefährden.

Der Ausbaukorridor

Es soll zukünftig einen „im Gesetz geregelten Ausbaukorridor“ geben (S. 53). Nachdem bislang im EEG immer Mindestziele festgelegt wurden und sich – bis „Umweltminister“ Altmaier kam – alle Umweltminister gefreut haben, wenn diese übererfüllt wurden, soll es nun einen klaren Deckel geben. Mehr als 45 Prozent in 2025 und mehr als 60 Prozent in 2035 dürfen es keinesfalls sein. Gerne aber etwas weniger. Investoren können dann nur schwer abschätzen, ob die EE-Anlagen, in die sie investieren möchten, noch benötigt werden, oder ob die Förderung abrupt abgebrochen wird, weil der Deckel sonst durchbrochen würde.

Die Abschaffung der festen Einspeisevergütung

Die feste Einspeisevergütung soll bis 2017 vollständig abgeschafft werden. Dann müssen alle Anlagen ihren Strom direkt vermarkten und erhalten zunächst die bereits bestehende gleitende Marktprämie (S. 54f). Da heute ohnehin fast jede neue Windenergieanlage die gleitende Marktprämie nutzt könnte man meinen, dass das einerseits zwar wenig zur stärkeren Marktintegration beiträgt, andererseits aber auch ungefährlich sei. Schließlich nutzt ja kaum ein neuer Windmüller das alte Einspeisesystem noch.

Dieses alte Einspeisesystem, in das alle bei Bedarf wieder zurückkehren können, gibt aber die entscheidende Sicherheit, die Banken verlangen. Es ist die Grundlage für die Vergabe von Krediten – auch wenn das System später gar nicht genutzt wird, sondern das Marktprämiensystem. Entfällt die Option, in das Einspeisesystem zurückzukehren, müssen die Banken plötzlich anders rechnen. Das könnte es für vergleichsweise finanzschwache Investoren deutlich erschweren, einen Kredit für ein neues Projekt zu bekommen. Entsprechend sehen eine Reihe der wichtigsten Finanzierer der EE in der Abschaffung der Festvergütung Nachteile für kleinere und mittlere EE-Betreiber. (BEE 2013, S. 2)

Das Ziel: Umstellung auf Ausschreibungsmodelle

Ob und ggf. wie selbst die gleitende Marktprämie nach 2018 noch Geltung haben soll, ist dabei unklar. Denn ab 2018 soll komplett auf ein Ausschreibungsmodell umgestellt werden. Dann bekommen nur noch diejenigen Investoren eine Förderung, die in einer Ausschreibung erfolgreich waren. Um z.B. einen Windpark bauen zu können muss ein Investor zunächst an einer Ausschreibung teilnehmen. Bereits dafür muss ein Projekt umfangreich geplant werden, was leicht sechsstellige Kosten verursacht. Ist der Investor nicht erfolgreich, sind diese Ausgaben verloren. Somit steigen Investitionsrisiken, Kapitalkosten und Eigenkapitalbeteiligung. Das kann eine Teilnahme an Ausschreibungen für kleine und mittlere Akteure weiter deutlich erschweren.

Hürde für Windenergie im Süden

Darüber hinaus ist unklar, ob es für Windenergieanlagen an Land an Standorten mit einem Referenzertrag von weniger als 75 Prozent noch eine rentable Finanzierung geben soll. Damit wäre fraglich, wie viele mögliche Standorte im Süden Deutschlands noch übrig bleiben. Sollte dort der Ausbau der Windenergie nicht endlich in Fahrt kommen, fehlt die erneuerbare Stromproduktion vor Ort, wenn die dortigen Atomkraftwerke abgeschaltet werden sollen. Das könnte dann sogar den Atomausstieg gefährden.

Bürgerbeteiligung

Schwarz-Rot bekennt sich dazu, dass eine „Bürgerbeteiligung“ möglich sein und die bestehende Akteursvielfalt erhalten werden soll. Es ist unklar, wie dies umgesetzt werden soll. Ferner soll ein Ausschreibungsmodell nur dann kommen, wenn ein Pilotprojekt zur Ausschreibung von 400 MW Photovoltaikanlagen gezeigt hat, dass dies kostengünstiger ist. Damit ist heute unklarer als jemals zuvor, wie die Finanzierungssystematik für den EE-Ausbau nach 2017 aussehen könnte. Dies wird maßgeblich davon abhängen, wie die künftige Regierung den Koalitionsvertrag tatsächlich umsetzt. Und wie die kommende Bundestagswahl spätestens 2017 ausgeht. Diese Unsicherheit dürfte das größte Hemmnis für neue EE-Projekte darstellen. Denn wenn die Marktbedingungen unsicher sind, finden sich weniger, die investieren wollen.

Quelle:
BEE 2013: Berliner Erklärung. Die im BEE und seinen Fachverbänden vereinten deutschen Finanzierer übernehmen Verantwortung für die Energiewende. Oktober 2013.