Machen die Sanktionen gegen Simbabwe noch Sinn?

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Straßenansicht in Simbabwes Hauptstadt Harare

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde von der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten eine Reihe von „gezielten Maßnahmen“ eingeführt, denen sich etwas später auch Australien, Neuseeland und Kanada anschlossen, die Einreiseverbote und Kontensperrungen für einzelne Personen des Mugabe-Regimes zur Folge hatten. Die Maßnahmen wurden als Reaktion auf die schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten und Menschenrechtsverletzungen bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in den Jahren 2000 bzw. 2002 verhängt. Die Intervention war ganz eindeutig auch ein Echo auf die Vorgänge der Landenteignungen von Staatsseite, die sich zu Beginn des neuen Millenniums immer weiter ausbreitete und die ländliche Struktur von Großgrundbesitzern radikal zugunsten der Ansiedlung von Kleinbauern auf den Ländereien verschob.

Die Kontroverse über die Bedeutung der „gezielten Maßnahmen“ prägt den politischen Diskurs im Land seit mehr als einer Dekade. Für die Oppositionspartei die MDC (Movement for Democratic Change - Bewegung für demokratischen Wandel), die Bürgerbewegungen und die westlichen Länder stellten diese Maßnahmen eine angemessene Antwort auf die repressive autoritäre Politik des Mugabe-Regimes dar, bei der die meisten der Volksabstimmungen in der ersten Dekade der 2000er Jahre von Gewalt und Unregelmäßigkeiten getrübt waren. In dieser Periode spielten die Sanktionen eine wichtige Rolle, um den Missbrauch der Staatsführung Mugabes im Blick zu behalten und lieferten einen gewissen Maßstab für die Verantwortlichkeit an den schweren Menschenrechtsverletzungen durch den Staat zu diesem Zeitpunkt.

Mugabes ZANU-PF (Zimbabwe African National Union-Patriotic Front) sah die Maßnahmen nicht als zielgerichtet an. Ihr zufolge gehörten sie vielmehr einem breiteren Sanktionsregime an, die nicht nur Einzelpersonen in der regierenden Partei, sondern auch die Wirtschaft und die gesamte simbabwische Bevölkerung ganz allgemein trafen. Diese Argumentation stützte sich auf die Tatsache, dass sich die Strafmaßnahmen aus dem Westen nicht nur auf die Lieferung von Kriegsgerät an die Regierung Mugabes beschränkten, sondern, abgesehen von der Bereitstellung humanitärer Hilfe, auch verhinderten, dass substanzielle neue Investitionen ins Land fließen konnten. Darüber hinaus, wie es in den Konditionen der US-Regierung im Zimbabwe Democracy and Economic Recovery Act von 2001, dem Gesetz für Demokratie und wirtschaftlichen Aufschwung in Simbabwe, festgeschrieben war, lehnten die USA jedwede neuen Darlehen, Krediterleichterungen oder Initiativen zum Schuldenabbau von Seiten der Internationalen Finanzierungsinstitutionen (IFI) kategorisch ab. Diese Festsetzungen verschärften den Investitionsdruck in Simbabwe, der sich seit den späten 1990er Jahren aufgebaut hatte, als die Regierung des Landes sich mit den Internationalen Finanzierungsinstitutionen (IFI) überworfen hatte, noch zusätzlich.

Kritik an Sanktionen als politisches Programm

Während der gesamten Dauer der simbabwischen Krise seit 2000 integrierte das Mugabe-Regime das Sanktionsthema in seinen anti-imperialistischen und pan-afrikanischen Diskurs und machte es zu einem wesentlichen Bestandteil der „patriotischen Geschichte“, auf deren Grundlage es sein politisches Projekt gestaltete. Diese Strategie war besonders erfolgreich darin, die Unterstützung durch die die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika, SADC, (Southern African Development Community) und der AU (African Union) zu mobilisieren. Sie war auch sehr effektiv, als es darum ging, die Opposition als Teil einer westlichen Interventionsstrategie in Simbabwe hinzustellen, die es darauf anlegte, die Unabhängigkeit des Landes und die Ziele des Befreiungskampfes zu untergraben.

Bis zur Unterzeichnung des von der SADC vermittelten Umfassenden Politischen Abkommens (GPA - Global Political Agreement) im Jahr 2008 zwischen der ZANU-PF und den beiden Parteien der Bewegung für den Demokratischen Wandel (MDCs) stieß die ZANU-PF-Rhetorik bezüglich des Sanktionsthemas im südlichen Afrika und auf dem gesamten afrikanischen Kontinent auf große Resonanz, wo der Einsatz der anti-imperialistischen Haltung Mugabes wirksam an politischer Zugkraft gewann.

Artikel IV des GPA-Abkommens verpflichtete die beteiligten Parteien zur Aufhebung aller Arten von Maßnahmen und Sanktionen gegen Simbabwe und zu einer Wiederaufnahme der Beziehungen mit der internationalen Gemeinschaft. Diese Vereinbarung verlieh der Position der ZANU-PF gegenüber den Sanktionen noch größere Akzeptanz. Sie zwang auch die beiden MDC-Parteien, öffentlich von einem weiteren Engagement für diese Maßnahmen Abstand zu nehmen, ungeachtet der zwiespältigen Meinung, die insbesondere Tsvangirais MDC-Bewegung zu diesem Thema hinter verschlossenen Türen vertrat. Nachdem das GPA-Abkommen erst einmal unterzeichnet war, mit einer Positionierung gegen die Sanktionen, die von der SADC in mehreren Gipfeltreffen wiederholt bekräftigt wurde, zeigte sich das westliche Festhalten an diesen Maßnahmen als zusehends kontraproduktiv und versetzte die MDC-Bewegungen bei diesem Streitpunkt in die ständige Defensive.

Das GPA-Abkommen löste bei der Europäischen Union einen Entwicklungsprozess aus, bei dem sie sich allmählich immer weiter von den „gezielten Maßnahmen“ distanzierte und nach und nach diverse ZANU-PF-Mitglieder und Instanzen von der Strafliste entfernte. Dieses Vorgehen setzte sich bis Juli 2013 fort. Danach strich die EU alle Namen aus der Liste der Betroffenen, bis auf Mugabe und seine Ehefrau, und mit Ausnahme der militärischen Zusammenarbeit, die weiterhin ausgeschlossen bleibt. Obwohl die EU weiterhin an den schwerwiegende Verfehlungen bei den Wahlen festhielt, drängte eine Kombination aus überwältigendem „Stimmenverlust“ für die MDC-Parteien, Belgiens Interesse an Simbabwes Diamanten und die Vertiefung der Gräben in der Simbabwe-Problematik für eine stete Annäherung der EU an Simbabwe. Es ist durchaus vorstellbar, dass bei der nächsten Zusammenkunft der Europäischen Gemeinschaft zur Simbabwe-Frage im November 2014 die letzten Sanktionen ebenfalls fallen werden - unter der Voraussetzung, dass die Regierung Simbabwes zwischenzeitlich keine weitere Runde schwerer Menschenrechtsverletzungen einläutet.

Sanktionen sind kontraproduktiv

Im Gegensatz dazu haben die USA erklärt dass sie bei ihrer Position zu den Sanktionen bleiben, da sie wegen der schweren Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen 2013 keinen Veranlassung sehen, ihre Haltung aufzugeben. In Wahrheit können die USA ihr hartes Vorgehen gegen Simbabwe nur beibehalten, weil bei der Kalkulation der globalen amerikanischen Interessen den Angelegenheiten Simbabwes nur eine geringfügige Bedeutung zukommt. Von daher erleidet die US-Regierung durch ihren derzeitigen Standpunkt keine großen Verluste.

In der Zwischenzeit hat die Regierung Mugabes ihre „Look East“-Politik mit China vor allem dazu benutzt, um die Verhandlungen mit dem Westen voranzutreiben und wieder neu aufzunehmen. Da sich die Wirtschaft auch nach der Wahl weiterhin großen Herausforderungen gegenübergestellt sieht, sind neue Investitionen notwendig, über die Intervention der Chinesen auf bestimmten Sektoren wie Bodenschätze und Agraruntervergabe hinaus. Dies erscheint im Bereich der massiv deindustrialisierten Manufaktur besonders dringend. Die aktuelle Kampfangsage gegen die Korruption der Mugabe-Regierung ist wohl nicht allein dem Nachfolgekampf innerhalb der Regierungspartei zuzuschreiben, sondern mag auch dem Bedürfnis geschuldet sein, dem Westen eine Bereitschaft zur Reform signalisieren zu wollen. Es gibt noch viele widersprüchliche Signale von Seiten der simbabwischen Regierung, darunter nicht zuletzt die Verwirrung über ihre Indigenisierungsstrategie. Dennoch scheint wenigstens die momentane Ausrichtung eher auf einen erneuten umfassenderen Dialog zwischen der EU und Simbabwe zuzusteuern.

Abschließend kann gesagt werden, dass die Sanktionen ungeachtet ihrer Vorzüge bis zur Mitte der 2000er Jahre, nach Unterzeichnung des GPA-Abkommens kontraproduktiv geworden sind. In Anbetracht der GPA Übereinkunft  über die Aufhebung der Sanktionen und der Haltung von Seiten der SADC und AU gegen die Maßnahmen, erschien ein Festhalten des Westens an ihnen nur noch als ein weiteres Beispiel der westlichen Arroganz gegenüber afrikanischen Initiativen. In dem neuen politischen Kontext nach den Wahlen von 2013 erscheint eine Aufrechterhaltung der Sanktionen wenig sinnvoll, es sei denn man möchte die afrikanische Unterstützung für das Mugabe-Regime stärken und sie uneindeutige Haltung der MDC-T und der Bürgerbewegung zu diesem Thema offen legen. Es ist an der Zeit, die Sanktionen aufzuheben.