Kambodscha: Schauprozess am Mekong endet mit Bewährungsstrafen

Straßensperren vor dem Gericht in Phnom Penh
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Demonstrierende an den Staßensperren vor dem Gericht in Phnom Penh zeigen ihre Solidariät mit den Angeklagten

Lediglich fünf Prozesstage genügten dem Gericht in Phnom Penh, um führende Vertreterinnen und Vertreter von Gewerkschaften, Demonstrierende sowie unbeteiligte Zivilistinnen und Zivilisten zu Haftstrafen bis zu 4,5 Jahren zu verurteilen. Sie waren am Rande der Streiks in der Textilindustrie vom Januar dieses Jahres inhaftiert worden. Ihnen wurde vorsätzliche Gewaltanwendung unter erschwerenden Umständen vorgeworfen. Hintergrund ist die blutige Niederschlagung des Streiks durch Polizei und Sicherheitskräfte. Dabei waren fünf Menschen erschossen worden. Ein unbeteiligter Passant, der von der Polizei mit Knüppeln geprügelt worden war, erlag später seinen Kopfverletzungen. Bisher ist noch kein Angehöriger von Polizei und Sicherheitskräften dafür zur Rechenschaft gezogen worden. Im Gegenteil wurden nun die Protestierenden, die für eine Anhebung des Mindestlohns auf 160 Dollar auf die Straße gegangen waren, für die Gewalt verantwortlich gemacht. Alle Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt.

In einer Vorabstellungnahme hatte das Kambodschanische Menschenrechtszentrum darauf hingewiesen, dass jegliche rechtsstaatliche Standards während des Verfahrens unterlaufen wurden. Die drei Richter beschimpften die Demonstrierenden als Gangster und Anarchisten. Entlastendes Filmmaterial wurde nicht zugelassen. Von fünf so genannten Augenzeugen berichtete lediglich einer vor Gericht, die anderen Aussagen lagen nur schriftlich vor. Die Verteidigung hatte vor Gericht keine Möglichkeit, die abwesenden Zeugen zu befragen. Der Anklagevertreter änderte in seinem Schlussplädoyer nochmals die Anklagepunkte, ohne dass die Verteidigung die Chance hatte, darauf einzugehen.

Während des Prozesses waren die Angeklagten gezwungen, orange Overalls anzuziehen, auf denen das Wort "schuldig" stand. Einem Angeklagten, dem bei der Inhaftierung die Hand gebrochen worden war, wurde ebenso der Zugang zu Gesundheitsversorgung verweigert wie einem zweiten Angeklagten, der im Gerichtssaal kollabierte.

Die Prozesstage waren von hoher internationaler Aufmerksamkeit begleitet gewesen. Vertreterinnen und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen, den Vereinten Nationen, Botschaften, der EU-Vertretung und das Netzwerk kambodschanischer Mönche beobachteten die Prozesse im Gericht und begleiteten die Demonstrationen außerhalb des Gerichtsgebäudes. Dadurch erhöhten sie den Druck auf die kambodschanischen Behörden und machten deutlich, dass trotz der Vielzahl anderer Krisenherde die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auch auf Phnom Penh gerichtet ist. Dies mag ein Grund dafür sein, dass die Strafen letztlich zur Bewährung ausgesetzt wurden.

Mit diesem Schauprozess hat die kambodschanische Regierung wieder einmal gezeigt, dass sie das Heft des Handelns in der Hand behalten will und dafür auch vor undemokratischen Methoden nicht zurückschreckt. Die Justiz ist dabei lediglich der verlängerte Arm der Regierung. Durch die jüngste Aufhebung der Regel, dass Richtende keine Parteimitglieder sein dürfen, sorgt die Regierungspartei dafür, dass sie auch nach einer eventuellen Abwahl bei den nächsten Parlamentswahlen die Macht im Staat über ihnen gewogene Richterinnen und Richter für sich beanspruchen kann.

Erst vor zwei Wochen hat der UN Sondergesandte für das Recht auf Versammlungsfreiheit, Maina Kiai, Kambodscha dafür kritisiert, dass hier gezielt Frauen durch staatliche Repression und willkürliche Gerichtsverfahren an der Ausübung ihrer Grundrechte gehindert werden. Trotz internationaler Proteste bestehe diese Praxis bis heute weiter.