Ein Griff in die Mottenkiste

Milchkühe
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Der Deutsche Bauernverband fordert die "Erschließung neuer Märkte"

Der weltweite Milchmarkt hat sich in diesem Sommer drastisch verändert. Nun will die EU-Kommission Subventionen für Butter- und Milchpulverlager wieder einführen.

Butterberge und Milchseen – diese Symbole einer verfehlten europäischen Agrarpolitik der achtziger und neunziger Jahre sollten endgültig der Vergangenheit angehören. Seit der letzten Reformrunde der EU-Agrarpolitik 2013 wurden staatliche Eingriffe in die Märkte drastisch zurückgefahren. Die entwicklungspolitisch besonders schädlichen Exportsubventionen waren  bis vor wenigen Jahren Auslöser zahlreicher Handelsstreitigkeiten und wurden auf Null gesetzt.

Das war aber nicht das Ende europäischer Agrarexporte. Im Gegenteil: Die zunehmende Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten bot den europäischen Fleischkonzernen und Molkereien neue Wachstumsmärkte. Damit diese voll genutzt werden können, wird im Frühjahr 2015 eine der letzten systematischen Eingriffe in den EU-Agrarmarkt beseitigt. Die Milchquote, die bislang noch eine verbindliche quantitative Obergrenze für die Milcherzeugung für die EU insgesamt und damit für jedes Mitgliedsland und letztlich jeden Betrieb festlegt. Schon heute liegt die Quote deutlich über dem Verbrauch der Europäischen Union und ermöglicht Exporte. Aber es soll noch mehr exportiert werden. Milchbauern und Molkereien investieren in große Ställe und neue Milchpulverfabriken. Dafür zahlen die EU und ihre Mitglieder auch weiterhin Subventionen.

Bis zum Frühjahr schien diese Strategie wunderbar zu funktionieren. Vor allem die Nachfrage aus China stieg wegen des höheren Einkommens und einer Reihe von Skandalen in der dortigen Milchindustrie rasant. China wurde zum größten Absatzmarkt für europäische Milchprodukte. Gleichzeitig stieg auch die Nachfrage aus Russland und anderen Schwellenländern spürbar. Die Weltmarktpreise für Milchprodukte, vor allem Vollmilchpulver, erreichten ein Rekordniveau.

Seit dem Sommer hat sich die Situation deutlich verändert. Die Nachfrage in China wächst weniger schnell und die Produktion dort nimmt wieder zu, sodass die Lagerbestände steigen. Die Weltmarktpreise für Milchprodukte fielen binnen weniger Monate um 40 Prozent. Der aufgrund der Ukraine-Krise verhängte Importstopp Russlands wirkt sich auf die EU negativ aus, denn Russland ist der zweitwichtigste Exportmarkt für Milchprodukte.
 
Für EU-Agrarkommissar Dacian Cioloş kommt die aktuelle Entwicklung in Russland womöglich nicht ungelegen. Sie ist ein guter Anlass, auf den Preisverfall zu reagieren und die nur noch als „Notfallinstrument“ vorgesehenen Subventionen für Lagerhaltung wieder einzuführen, da sich die russischen Sanktionen nun auf dem EU-Milchmarkt bemerkbar machten.

Cioloş kündigt zudem an, dass weitere Maßnahmen folgen würden, sollte dies notwendig sein. Sein Instrumentenkasten ist allerdings begrenzt. Neben der Lagerhaltung ist als Notfallmaßnahme nur noch die Wiedereinführung der Exportsubventionen vorgesehen.  Der Deutsche Bauernverband fordert bereits die „Erschließung neuer Märkte“ als wichtigsten Schritt gegen die derzeit fallenden Preise, ohne dabei Exportsubventionen ausdrücklich zu erwähnen.

Kurzfristig wird vermutlich der Rückgang beziehungsweise Ausfall der Nachfrage in China und Russland durch höhere Exporte in schon bestehende Märkte kompensiert werden. Dies sind vor allem afrikanische Länder. Noch im letzten Jahr gingen zwar knapp 14 Prozent der EU-Milchexporte nach China, der Anteil des arabischen Raums, vor allem Nordafrikas war aber genauso hoch. Der Anteil der AKP-Staaten, vor allem Westafrikas, war mit fast 18 Prozent noch höher. Exportiert die EU in die afrikanischen Märkte bei niedrigen Preisen mehr, werden die dortigen lokalen Landwirte die Verlierer sein - unabhängig davon, ob Steuerzahler durch Exportsubventionen oder  Milchbauern durch geringe Erzeugerpreise dafür aufkommen.

EU-Kommission und Mitgliedsstaaten sollten weder die aktuelle Situation auf dem Milchmarkt, noch die angespannte außenpolitische Lage dazu nutzen, alte Instrumente aus der Mottenkiste zu holen, die schon in der Vergangenheit falsch waren. Sondern endlich die exportorientierte Fleisch- und Milchproduktion ad Acta legen.