US-Wahlen 2014: Umschwung ohne Debatte

Kapitol in Washington D.C.
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Das Kapitol in Washington: Schon bald könnten die Republikaner hier die Mehrheit haben

Es hat schon spannendere Wahlkämpfe gegeben als die zu den MidTerm-, den Halbzeit-Wahlen der aktuellen Legislaturperiode am 4. November 2014. Ungewöhnlich ist an dem Wahlkampf vor allem eines: Über zentrale Fragen sind sich beide Parteien einig. Einig allerdings nur darin, dass sie sie nicht diskutieren wollen - die Fragen nach dem Krieg in Irak und Syrien. Erst der neue Kongress soll laut Mehrheitsführer John Boehner die Debatte angehen. Das wird nicht vor dem kommenden Jahr der Fall sein.

Bis dahin meiden die Abgeordneten das heikle Thema und bleiben in ihren Wahlkreisen. Berufen können sie sich dabei auf aktuelle Rechtsgrundlagen. Beide Häuser des Kongresses gehen davon aus, dass die alte Anti-Terror Gesetzgebung aus der Ära des George W. Bush die Angriffe gegen ISIS in Irak und Syrien ausreichend legitimiert. Doch nicht nur die Abgeordneten scheuen die Kontroverse, auch der Präsident vermeidet tunlichst das Wort Krieg. Die größte und älteste deliberative Demokratie der Welt entzieht sich dem,  was sie bedeutsam gemacht hat: der engagierten Debatte.

Damit leistet sich der Kongress einen neuen Höhepunkt an Politikverweigerung – in dieser an Entscheidungen ohnehin armen Legislaturperiode. Wer sich über die künftige Politik Amerikas Gedanken macht, greift deshalb auf die Analysen der Pollster zurück. Pollster gelten als eine Art Wahrsager der Neuzeit: Aus immer raffinierteren Umfragen und Analysen versuchen sie, die Entwicklung der Politik vorherzusagen.

Die aktuellen Umfragen schwanken. Doch seit einigen Wochen gibt es eine etwa 60 prozentige Wahrscheinlichkeit, dass die Demokraten auch im Senat ihre Mehrheit verlieren. Und nicht nur das: Vieles spricht dafür, dass die Republikaner sogar ihre Mehrheit von 58 Gouverneuren ausbauen können. Selbst eine Ausweitung der bereits bestehenden Mehrheit im Repräsentantenhaus ist nicht auszuschließen.

Regieren per Veto?

Dass ein Präsident gegen die Mehrheit der anderen Parteien regiert, kommt in präsidialen Systemen immer wieder vor, so etwa auch in Frankreich. In den USA musste sich zum Beispiel Ronald Reagan in den achtziger Jahren mit einem demokratischen Kongress arrangieren. Gut in Erinnerung sind auch die Kämpfe von Bill Clinton gegen den damaligen Mehrheitsführer Newt Gingrich. Letzterer machte die Blockade zum politischen Instrument und sich selbst zum Architekten der Politikunfähigkeit des aktuellen Kongresses.

Bleibt die Frage, was Amerika von einem republikanischen Kongress erwarten kann? Eines steht fest: Die Produktivität des Kongresses, die ohnehin historisch niedrig ist, wird weiter abnehmen. Der Präsident wird ihn weiterhin einen „do nothing congress“ nennen können. Einen Kongress, der nichts hinbekommt. Allerdings wird das Weiße Haus zunehmend in diese Blockadesituation involviert sein. In den letzten Jahren konnte der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, die republikanischen Vorlagen aus dem Repräsentantenhaus abbügeln. In Zukunft wird der Präsident wohl regelmäßig von seinem Vetorecht Gebrauch machen müssen. Der Vorwurf der Blockade wird so häufiger gegenüber dem Weißen Haus erhoben werden. Kein gutes Image für die letzten beiden Amtsjahre des Präsidenten. Die aber sind mitentscheidend für seine historische Bedeutung, die jedem Präsidenten wichtig ist. Zudem dürfte der Präsident verstärkt zu sogenannten „presidential orders“ greifen, also zu Verordnungen, die er ohne das Parlament erlassen kann. Diese sind allerdings verfassungsrechtlich problematisch.

Und noch weitere Schwierigkeiten könnten bei einem Mehrheitswechsel auf die Demokraten zukommen: Für verschiedene Personalien muss der Senat seine Zustimmung geben. Es wird für Obama also noch mühsamer werden, vakante Stellen zu besetzen. Dies ist der Grund dafür, dass sein langjähriger Weggefährte, Justizminister Eric Holder, im September zurückgetreten ist. Offensichtlich fürchtet der Präsident, dass diese wichtige Position in Zukunft nur nach langwierigen Auseinandersetzungen mit dem neuen Senat zu besetzen ist. Bedeutsam wird dies besonders, wenn einer der Verfassungsrichter zurücktritt. Alle Präsidenten nutzen ihre Amtszeit, um diese auf Lebenszeit mandatierten Stellen nach ihrer politischen Couleur zu besetzen und so über die eigene Amtszeit hinaus die oberste Rechtsprechung beeinflussen.

Eine weitere, aus ökologischer Sicht besonders heikle Entscheidung betrifft die sogenannte Keystone XL Pipeline. Mit ihr sollen Teersande aus Kanada quer durch die Vereinigten Staaten nach Texas transportiert werden. Zwar ist die Entscheidung über den Bau der Pipeline seit Jahren aufgeschoben, endgültig abgelehnt ist er aber nicht. Ein mehrheitlich republikanisch besetzter Kongress dürfte sich für den Bau einsetzen. Auch zahlreiche Demokraten könnten sich dafür aussprechen. In diesem Fall wird die demokratische Unterstützung vermutlich groß genug sein, dass der Präsident seine Blockadehaltung aufgibt und die Pipeline genehmigt. Der progressiven Minderheit bei den Demokraten bleibt dann nur der Protest – sie lehnt die Pipeline vehement ab.

Zusammenarbeit abgestraft

Dennoch hat es den Anschein, dass die Demokraten den sich abzeichnenden Machtverlustes gelassen nehmen. Das liegt an der kurzen Legislaturperiode von nur zwei Jahren und an politischen Berechnungen: Während in diesem Herbst die Demokraten 21 Senatorensitze verteidigen müssen, die Republikaner dagegen nur 15, ist das Verhältnis 2016 umgekehrt. Dann müssen 24 republikanische Senatoren um ihren Sitz kämpfen, aber nur 10 Demokraten. Da 2016 die Senatswahlen mit den Präsidentschaftswahlen zusammenfallen, so das Kalkül, könnten die Demokraten dann wieder die Mehrheit im Senat stellen. Günstig für die Demokraten ist zudem, dass die republikanischen Kandidaten schwierige Vorwahlen zu bestehen haben. In den letzten Jahren sind kooperationsbereite republikanische Kandidaten, wie Bob Bennett, Dick Luger oder Mike Castle, regelmäßig von der radikalen republikanischen Basis abgestraft worden. Die stattdessen gewählten Kandidaten haben es aber schwer, den Mainstream der amerikanischen Wähler anzusprechen. Die Sitze in den genannten Fällen gingen alle an die Demokraten.

Unklar ist, wie ein Mehrheitsführer wie Mitch McConnell den Senat führen wird. Aus Kreisen der republikanischen Mitarbeiter im Senat ist zu hören, dass McConnell  einen „offeneren“ Senat anstrebt, also eine bessere Zusammenarbeit der Senatoren aus beiden Lagern. Das wäre tatsächlich eine Wende zu einer neuen Kultur der überparteilichen Zusammenarbeit. Mc Connell selbst hält sich mit Ankündigungen allerdings zurück. Aus gutem Grund: Seine eigene Wiederwahl am 4. November gilt als unsicher.

So ereignisarm der aktuelle Wahlkampf auch ist, so schwierig sind Vorhersagen über den Ausgang oder gar die Konsequenzen der Wahlen. Mit den Pollstern wird uns wenig Anderes übrigbleiben, als die Wahl zu beobachten. Dabei sollte uns gewärtig sein, dass die amerikanische Demokratie immer für Überraschungen gut ist.