Finanzpolitische Kommission der Heinrich-Böll-Stiftung fordert nachhaltige Wege aus der Schuldenkrise
In diesem Jahr hat die Bundesregierung erstmals seit 1969 einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt, für die kommenden Jahre verspricht Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble einen „Kurs der Nullverschuldung“. Die finanzpolitische Kommission der Heinrich-Böll-Stiftung hält diese Bilanz für geschönt, weil sie wesentliche Kostenfaktoren ignoriert. Schäubles Kurs ist bei weitem nicht ausreichend, um eine tatsächliche Konsolidierung der Staatsfinanzen zu erreichen.
In ihrem Abschlussbericht fordert die finanzpolitische Kommission eine ehrliche Bestandsaufnahme als Basis für eine nachhaltige Finanzpolitik. Darin müssen die impliziten Lasten eingehen, die sich etwa aus den Zahlungsverpflichtungen für die Beamtenpensionen ergeben, wie auch der Finanzbedarf zur Beseitigung des Investitionsstaus in Deutschland. Es muss jetzt Vorsorge für eine Zukunft getroffen werden, in der die staatlichen Finanzierungsspielräume durch den demografischen Wandel zunehmend eingeengt werden. Um die staatliche Handlungsfähigkeit nachhaltig zu sichern, ist nach Ansicht der Kommission der Aufbau einer Rücklage in Höhe von 1 Prozent des Bruttoinlandproduktes erforderlich. Dafür sind strukturelle Veränderungen auf der Ausgabenseite ebenso notwendig wie Verbesserungen auf der Einnahmeseite. Steuerschlupflöcher für Unternehmen und vermögende Privatpersonen sind zu schließen, Steuerhinterziehung muss effektiver bekämpft und einzelne Steuern moderat erhöht werden.
Zur Bewältigung der Krise im Euroraum empfiehlt die Kommission, am Abbau der Staatsverschuldung und dem Aufbau tragfähiger Wirtschaftsstrukturen festzuhalten. Auch die gemeinschaftliche Regulierung des Bankensektors und der nationalen Haushaltspolitiken soll fortgeführt werden. Als Sanktion für das Verfehlen der „Maastricht-Kriterien“ durch einzelne Staaten schlägt die Kommission die Erhebung einer sogenannten „Blue Tax“ als Aufschlag auf die Umsatzsteuer vor.
Der Bericht, den die Kommission nach zweijähriger Arbeit vorlegt, bietet eine Reihe von Handlungsempfehlungen an die Politik. Sie umfassen auch eine Neuorientierung der föderalen Strukturen, die Stärkung der Produktivität des staatlichen Sektors sowie verstärkte Investitionen in Bildung, Forschung und öffentliche Infrastruktur. Ihre Empfehlungen hat die Kommission in zehn Leitlinien einer nachhaltigen Finanzpolitik zusammengefasst.
Link zum Bericht: Nachhaltig aus der Schuldenkrise – für eine finanzpolitische Zeitenwende
Zu den Ergebnissen des Berichts sagt Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung: „Sparpolitik zu Lasten von Zukunftsinvestitionen ist auf Sand gebaut. Wir brauchen eine Kombination aus strukturellen Reformen der sozialen Sicherungssysteme, einer effektiveren öffentlichen Verwaltung sowie strategischen Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Infrastruktur, um die Basis für nachhaltigen Wohlstand zu legen.“
Mitglieder der Kommission sind:
- Stefan Bach (wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Staat im DIW Berlin und Privatdozent an der Universität Potsdam)
- Rainer Emschermann (DG Enlargement, Europäische Kommission, Brüssel)
- Anja Hajduk (MdB Bündnis 90/Die Grünen, Parlamentarische Geschäftsführerin, Mitglied im Haushaltsausschuss)
- Thomas Losse-Müller (Bündnis 90/ Die Grünen, Staatssekretär im Finanzministerium von Schleswig-Holstein)
- Hans-Christian Müller-Dröge (Journalist und promovierter Volkswirt) und
- Michael Thöne (Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln)
Der Bericht der Finanzpolitischen Kommission wird am Dienstag, 7. Oktober 2014, 19.00 – 21.00 Uhr in den Räumen der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin vorgestellt. Auf dem Podium diskutieren:
- Anja Hajduk, MdB Bündnis 90/Die Grünen
- Prof. Gustav Horn, Hans Böckler Stiftung
- Prof. Eckhard Janeba, Universität Mannheim.
Moderation: Ralf Fücks, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung.
Die Veranstaltung wird als Livestream übertragen.
Schriften zu Wirtschaft und Soziales, Band 14:
Nachhaltig aus der Schuldenkrise – für eine finanzpolitische Zeitenwende
Bericht der finanzpolitischen Kommission der Heinrich-Böll-Stiftung
Herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung
Berlin, September 2014, 104 Seiten, ISBN 978-3-86928-133-9
Fachkontakt: Ute Brümmer, T 030-28534-237, E-Mail bruemmer@boell.de
Presse: Vera Lorenz, T 030-28534-217, E-Mail lorenz@boell.de