Perspectives Africa 03/2014: What Ya Looking At?

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Spricht man über die Beziehungen zwischen Europa und Afrika, wird Europa meist als Zentrum und Akteur, Afrika dagegen als Peripherie und Re-Akteur dargestellt. Die Kolonialgeschichte der europäischen Länder, deren heutige „Afrika“-Politik oder die Art und Weise der Berichterstattung über Afrika sind hinreichend bekannt. Relativ selten erfährt man jedoch über die Ansichten von Afrikaner/innen über Europa oder Europäer/innen sowie darüber, wie sich diese im Laufe der Zeit verändert haben.

In den letzten 10 Jahren haben mehrere grundlegende geopolitische und sozioökonomische Veränderungen stattgefunden, die es umso interessanter machen, zu fragen, wie Europa in Afrika wahrgenommen wird.

So wurden etwa durch den politischen und wirtschaftlichen Aufstieg von Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien die privilegierten Beziehungen, welche Europa aus historischer Sicht mit Afrika genossen hat, deutlich in Frage gestellt. Und während der Finanzkollaps von 2008 einen Großteil der Eurozone in eine Schuldenkrise und in gedämpftes Wirtschaftswachstum stürzte, entledigte sich Afrika seines „hoffnungslosen“ Rufes, um zur neuesten Wachstumsstory der Welt zu werden – vielen auch bekannt als „Africa Rising“.

Vor diesem Hintergrund hat die Heinrich-Böll-Stiftung verschiedene afrikanische Intellektuelle, Schriftsteller/innen und Analyst/innen zu deren Meinung über die afrikanisch-europäischen Beziehungen befragt. Entstanden ist daraus eine kleine Sammlung von Interviews, kurzen Essays und Kommentaren, die mit Hilfe von Analyse, Erfahrung, Provokation und Humor Licht auf die Komplexität und die Komplexe dieser Beziehungen wirft.

Während hunderte Afrikaner/innen weiterhin nach Europa auswandern und dabei täglich ihr Leben riskieren, um einen Ort zu erreichen, der ihnen vermeintliche Modernität, Stabilität und ökonomische Sicherheit bietet, erzeugen diese Veränderungen bisher unbekannte und gewagte Bilder und Statements: Europa gilt als alt und arrogant in seiner Ignoranz gegenüber Afrikas eigentlichem Potenzial. Viele führende Afrikaner/innen sind in ihren Beziehungen zu Europa wesentlich bestimmter und deutlicher geworden. Einige von ihnen haben ihren „Blick nach Osten“ gerichtet, um umfassende politische und wirtschaftliche Beziehungen, vor allem mit China, zu pflegen.

Doch obwohl sich die Rahmenbedingungen des Engagements im Wandel befinden, spricht keiner der hier versammelten Beiträge davon, dass Afrika kurz davor ist, seine Beziehungen zu Europa zu beenden; zu stark sind die Bande zwischen beiden Regionen, als dass sich Afrika ausschließlich mit den Schwellenländern des globalen Südens verbinden würde. Die gegenseitigen Abhängigkeiten sind so stark, dass eine klare Abtrennung nur schwierig zu erzielen wäre, wie vor allem der Beitrag aus Angola deutlich macht: nach fünf hundert Jahren Kolonialismus und einem auf die Unabhängigkeit folgenden Bürgerkrieg, in dem tausende Angolaner/innen nach Portugal flohen, scheinen beide Länder ihre Rollen in gewisser Weise getauscht zu haben. Wegen des ölbedingten Wirtschaftsbooms in Angola emigrierten in den vergangenen Jahren tausende Portugies/innen auf der Suche nach einem besseren Leben in ihre ehemalige Kolonie.

Afrika, so zeigt sich, ist dabei, ein neues Selbstbewusstsein aufzubauen und wird von Europa künftig mehr erwarten als dessen zwar gut gemeinte, aber häufig paternalistische Haltung. Oder wie es der Kameruner Intellektuelle und Filmemacher Jean-Pierre Bekolo provozierend formuliert: „ Europa hat keinen Plan mehr für Afrika, sondern inzwischen hat Afrika einen Plan für Europa.“

 

Produktdetails
Veröffentlichungsdatum
November 2014
Herausgegeben von
Heinrich-Böll-Stiftung
Seitenzahl
36
Inhaltsverzeichnis
  • 5 Editorial
  • 6 Interview - Europe: The View from Africa - Jean-Pierre Bekolo
  • 14 The Angola-Portugal Connection: A Relationship of Mutual Dependency - António Tomás
  • 19 Little Black Man Cake - Billy Kahora
  • 23 African Perceptions of Europe and the Rise of Emerging Powers: Implications for Future Relations - Sanusha Naidu
  • 29 Between Rhetoric and Reality: Kenya’s Relations with Europe Murithi Mutiga
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