Friedensfilm 2017: El Pacto de Adriana (Adriana’s Pact) von Lissette Orozco

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Yael Inokai verliest die Laudatio der Jury

Guten Abend sehr geehrte Damen und Herren,

einer der größten Widersacher des Friedens ist das Schweigen.

Wir schweigen aus Scham, Angst, und dem Wunsch heraus, die Vergangenheit umzudeuten. Uns selbst eine andere Geschichte zu geben. Eine Auseinandersetzung ist mit Schweigen aber nicht möglich. So halten Kriege an, lange nachdem sie offiziell ihr Ende gefunden haben. Trotz gestürzter Diktatoren leben die Gräueltaten eines Regimes weiter. Das Schweigen steht der Konfrontation und Aufarbeitung im Weg. Es macht den Neuanfang zunichte.

Mit „El Pacto de Adriana (Adriana’s Pact)“ haben wir in diesem Jahr einen Film ausgezeichnet, deren Regisseurin das Schweigen nicht hinnimmt. Sie nutzt das Medium, um sichtbar zu machen und zum Reden aufzufordern. Ihrer geliebten Tante Adriana wird vorgeworfen, während des Pinochet Regimes mehr als nur eine Sekretärin gewesen zu sein. Lissette Orozco beginnt mit der Kamera ihre eigene Familiengeschichte aufzuarbeiten. Im ständigen Zwiespalt zwischen Loyalität und Zweifel geht die Filmemacherin einem ebenso alten wie hochaktuellen Thema nach:
Was ist Wahrheit, wenn jeder denkt, seine Fakten sind die einzigen, die stimmen?

Denn das Schweigen ist mehr als nur Nicht-Sprechen. Selektive Wahrnehmung und Erinnerung und parallele Realitäten sind ebenso ein Teil davon.   

Die Offenheit der Regisseurin erstreckt sich auch auf den Prozess des Filmemachens an und für sich. So zeigt sie, wie sie sich zur Aufarbeitung der Familiengeschichte verschiedenster Medien bedient: Skype, News Footage, Projektion, etc. Durch diese Perspektivenverschiebungen gewinnt der Film nicht nur seine Spannung, er erzählt auch formal davon, was es bedeutet, in der heutigen Medienwelt nach Wahrheit zu suchen.

Die Regisseurin erlaubt uns Einblick in ihre eigene Zerrissenheit. Dadurch, dass sie bei sich selbst bleibt und keine Allgemeingültigkeit und kein Urteil in Anspruch nimmt, wird die Geschichte ihrer Familie universell.

Wie geht man damit um, dass einem nahestehenden Menschen schlimme Verbrechen vorgeworfen werden? In einer Szene im Film besucht Lisette Orozco eine Veranstaltung zu Ehren Pinochets. Ungläubig schweigend wird sie allerdings nicht bleiben. In ihrer Beharrlichkeit zeigt sie nach und nach auf, dass ein Mensch nie nur für sich die Verantwortung trägt, sondern auch für die kommenden Generationen.

Mit welchen Fragen werden unsere Nichten, Neffen, Kinder, Enkel eines Tages an uns treten?

Die Regisseurin hetzt nicht. Sie fordert zu einem Dialog auf. „El Pacto de Adriana“ ist ein Friedensfilm, weil er den Frieden nicht nur als Zustand, sondern auch als Entscheidung begreift, die immer wieder aufs Neue getroffen werden muss und in der man nicht bequem werden darf.

Die Entscheidung zu sagen: Lass uns nicht schweigen. Lass uns miteinander sprechen.

Dafür möchten wir Lisette Orozco und ihrem Team ganz herzlich danken und zum Preis gratulieren. Wir freuen uns darauf, den Film nun im Rahmen der Verleihung gemeinsam zu sehen.