Last Chance: Exit vom Brexit?

Blog

Seit dem Brexit-Referendum 2016 ist Großbritannien in zwei Fraktionen geteilt: Remainer und Leaver. Unsere Autorin spricht mit Remainer Thomas Cole über sein Engagement bei der People's Voice Kampagne, #Bregret und weitere Fortschritte auf dem Weg zu einem zweiten Referendum.

Demonstration gegen Brexit

Seit der offizielle Entwurf zum Austritt aus der Europäischen Union debattiert wird, ist die Anzahl der Politiker/innen, die sich öffentlich für ein zweites Referendum aussprechen, parteiübergreifend gestiegen. Ein „No Brexit“, ein Rücktritt vom Rücktritt aus der EU, scheint nun möglich und wird in den Medien und auf der politischen Bühne diskutiert.

Ich treffe mich mit Thomas Cole, Leiter der Policy-Abteilung bei der People’s Vote Kampagne. Nachdem Cole vier Jahre lang bei der Europäischen Kommission in Brüssel arbeitete, beschloss er, nach Großbritannien zurückzugehen und sich als Aktivist für ein zweites Referendum zu engagieren.

People’s Vote wurde im Frühjahr 2018 mit der Forderung nach einem zweiten Brexit-Referendum gegründet. Das Hauptargument: Die Britinnen und Briten wurden nicht ausreichend darüber aufgeklärt, welche Dimension das Referendum für ihre Zukunft habe. Ausgehend von einer kleinen Initiative hat People’s Vote es geschafft, viele Organisationen und über 20.000 Aktivist/innen hinter sich zu vereinen.

Die Unterstützer/innen eines zweiten Referendums

Das Referendum 2016 hat die Identitätsfrage der britischen Gesellschaft verändert. Wenn ich mich in London über britische Politik unterhalte, dann höre ich schnell die Antwort: „Ich bin Remainer“ oder „Ich habe Leave gewählt“. Nach einer Studie von NatCen aus dem Jahr 2018 identifizieren sich 44% der Befragten in Großbritannien politisch mit den Werten Remain (Verbleib in der EU) oder Leave (Austritt aus der EU), während sich nur 9% mit einer politischen Partei identifizieren können. Auch für Thomas Cole ist der Brexit eine Frage der Identität: „Die Politik kann mir nicht einfach die Möglichkeit nehmen, in den 27 anderen europäischen Ländern meine Zukunft zu gestalten. Ich weiß nicht, was nach dem Brexit kommen wird“.

In den letzten zwei Jahren sind viele gesellschaftspolitische Initiativen entstanden, die ein zweites Referendum unterstützen, auch wenn bei den britischen Wähler/innen die Mehrheit knapp bleibt. In Umfragen sprachen sich im Dezember 2018 53% der Befragten für den Verbleib in der EU aus. Wie #RemainerNow, eine Gruppierung derjenigen Menschen, die 2016 für den Ausstieg stimmten, seit den Verhandlungen jedoch ihre Meinung geändert haben. Auch hierfür gibt es nun ein neues Wort: den #Bregret. Die Organisation Our Future Our Choice engagiert sich für einen Verbleib in der EU insbesondere in Hinblick auf die Folgen, die der Brexit für die junge Generation haben wird. Und es gibt auch kreative Projekte: So ist Remainiacs einer der erfolgreichsten britischen Polit-Podcasts, der die Entwicklungen mit viel britischem Humor begleitet.

Nina Locher

Nina Locher ist die Autorin des Brexit-Blogs der Heinrich-Böll-Stiftung und schreibt über die aktuellen Entwicklungen in Großbritannien. 

Derzeit absolviert sie den Master of Public Administration an der London School of Economics and Political Science (LSE). Von 2016 bis 2018 war sie in der Berliner Zentrale der Heinrich-Böll-Stiftung für Projekte zur Türkei und zu Griechenland, sowie zur Europäischen Energiewende zuständig.

Im Brexit-Blog thematisiert sie aktuelle Entwicklungen in Großbritannien sowie übergreifende Themen wie Gender und LGBTQ+, Bregret und die Generation-Brexit.

Die EU tut dabei ihr übriges: Die 27 Mitgliedsstaaten stehen zwar geschlossen hinter dem vereinbarten Austrittsentwurf mit May, doch sprechen sich viele der Regierungschefs wie etwa Merkel und Juncker immer wieder für einen Verbleib Großbritanniens aus. Zudem beschloss der Europäische Gerichtshof im Dezember 2018, dass es rechtmäßig sei, wenn Großbritannien die Austrittserklärung einseitig zurückzuziehe – und ermöglichte so den rechtlichen Weg zu einem „No Brexit“.

Zwar sind auch die Brexit-Befürworter/innen in Initiativen organisiert. So sind sowohl Leave means Leave, eine politische Interessensgruppe, und die European Research Group – eine Forschungsgruppe von konservativen, britischen Parlamentsabgeordneten – Organisationen, welche sich für einen möglichst harten Brexit einsetzen.

Doch bleibt Cole auf meine Nachfrage optimistisch. „Wir werden nach der Kampagne alle arbeitslos sein. Aber im Moment ist für uns das wichtigste zu wissen, dass wir wirklich an unsere Arbeit glauben. Und das ist ein Gefühl, das uns mit dem Blick auf den 29. März 2019 jeden Tag begleitet“.