Ein Grüner Brexit geht nur mit Europa

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Mit dem Ausstieg Großbritanniens aus der EU sind die europäischen Klimaziele stark gefährdet. Auch die Energieversorgung würde sich mit dem Brexit verändern - zu Lasten der britischen Bevölkerung. Kann Energiearmut und wirtschaftliche Ungerechtigkeit durch eine stabile britisch-europäische Kooperation verhindert werden?

Windräder an der Küste von Liverpool Großbritannien Brexit Energie

Wenn ich in diesen Monaten in London mit dem Fahrrad an die Uni fahre, dann wechseln sich heftige Windböen und ungemütliches Nieselwetter mit strahlenden Sonnentagen bis zu 20 °C ab, beides im Gemisch mit qualmenden Autoabgasen. Dieses Jahr haben die Londoner den heißesten Februarmonat seit der Wetteraufzeichnung erlebt. Trotzdem gibt es im britischen Parlament immer noch Abgeordnete, die den Klimawandel ganz leugnen: Nigel Farage, Anführer der Brexit Partei, gründete sogar das Institut „Global Warming Policy Foundation“ für Studien gegen den Klimawandel.  

Mit dem Brexit wird die jahrzehntelange energie- und klimapolitische Einbindung Großbritanniens in die EU mit dem Austritt aus der Europäischen Energieunion, dem europäischen Emissionshandel sowie aus dem EURATOM Abkommen abrupt enden. Dadurch sind die europäischen Klimaziele, für die auch Großbritannien sich verpflichtet hat, massiv gefährdet.

Britische Energie-Souveränität zulasten der Bürger/innen

Der Austritt aus den europäischen Energie- und Klimaabkommen bedeutet für viele Brexit-Befürworter/innen ein wichtiger Schritt in Richtung Souveränität. Mit dem Klimawandel-Gesetz hatte Großbritannien 2008 europäische Umweltregelungen in nationales Gesetz übernommen. Durch die Kopplung des Gesetzes an die europäische Gesetzgebung wird dessen Einhaltung von der EU und dem Europäischen Gerichtshof legislativ und juristisch kontrolliert. Mit dem geplanten Austritt aus der EU und aus EURATOM löst sich Großbritannien nun von der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs. Zwar soll eine eigene Regulierungsbehörde die britische Regierung ab 2020 in umweltpolitischen Fragen beraten – doch fehlt ihr der Fokus auf den Klimawandel, und vor allem die juristische Macht, um die Regierung im Streitfall vor Gericht zu bringen.

Für Brexiters wie Michael Gove, der aktuelle Umweltminister, stellt der Austritt die Chance für einen „Green Brexit“ dar. Denn Großbritannien ist anderen EU-Ländern in vielem voraus: Laut dem Europäischen Energieatlas hat das Land zwischen 2005 und 2015 seine Treibhausgasemissionen um mehr als ein Viertel (25,9%) reduziert (im Vergleich: 16,7% im EU-Durchschnitt und nur 8,7% in Deutschland). Als Vorreiter in der Windkraft sorgte die Erneuerbare 2018 für 14,1% der nationalen Stromerzeugung – bis 2030 soll allein Offshore-Wind 30% des britischen Stroms ausmachen. 2025 wird Großbritannien aus der Kohle aussteigen, ab 2040 sollen den Benzin- und Dieselschleudern auf der Straße der Kampf angesagt werden. Im Alleingang hätten die Brit/innen nicht mehr mit nationalen Bedenken aus Deutschland, Polen oder Tschechien zu kämpfen. So weit die Idee.

Doch dieser „grüne“ Brexit hat einen Haken: Er würde die Energiearmut im Land verschärfen und die Energiesicherheit gefährden – zulasten der britischen Bevölkerung.

Nina Locher

Nina Locher ist die Autorin des Brexit-Blogs der Heinrich-Böll-Stiftung und schreibt über die aktuellen Entwicklungen in Großbritannien. 

Derzeit absolviert sie den Master of Public Administration an der London School of Economics and Political Science (LSE). Von 2016 bis 2018 war sie in der Berliner Zentrale der Heinrich-Böll-Stiftung für Projekte zur Türkei und zu Griechenland, sowie zur Europäischen Energiewende zuständig.

Im Brexit-Blog thematisiert sie aktuelle Entwicklungen in Großbritannien sowie übergreifende Themen wie Gender und LGBTQ+, Bregret und die Generation-Brexit.

Soziale Folgen eines britischen Alleingangs in der Energiepolitik

Mit dem Austritt aus der EU wäre Großbritannien nicht mehr Teil des europäischen Energie-Binnenmarkts, welcher bis dato die Energieversorgung für Strom und Gas in Großbritannien sichert. Als zukünftiger externer Handelspartner der Energieunion würden die Preise und somit die Ineffizienz des Strommarkts für Großbritannien steigen. Die irische Insel stellt dabei eine besondere Herausforderung dar: Die Strombinnenmarkt zwischen Nordirland und Irland würde im Falle eines harten Brexit die unmittelbare Energieversorgung von Nordirland gefährden. Zudem könnte die Gefahr einer Deregulierung des britischen Energiemarkts laut der Europäischen Kommission den europäischen Wettbewerb durch Steuer-, Sozial- und Umwelt-Dumping verzerren – und damit auch den Handel der Energieunion einschränken.

Diese Entwicklungen werden sich auf das allgemeine Wohl und die Sicherheit der britischen Bürger/innen in Energiefragen auswirken. Steigende Preise werden die wirtschaftliche Ungleichheit in Großbritannien weiter verschärfen – und gefährdete Menschen in die Energiearmut treiben. Energiearmut bezeichnet die Gefahr, durch zu hohe Preise Wohnungen nicht heizen und Stromrechnungen nicht bezahlen zu können. Bereits jetzt leben etwa 15 % bzw. 4 Millionen britische Haushalte in Energiearmut; 17.000 Menschen starben im vergangenen Jahr aufgrund von kalten Wohnverhältnissen. Eine nachhaltige und sozial gerechte Energiewende kann für Großbritannien deshalb nur europäisch funktionieren. Es muss jetzt darum gehen, britisch-europäische Kooperationen zu stärken und strenge Klimaregulierungen in Großbritannien durchzusetzen.


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