Ökologische und soziale Transformation in Afrika:
Nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN (FAO) litten 2017 nahezu 30 Prozent der afrikanischen Bevölkerung unter schwerer Ernährungsunsicherheit. Chronischer und akuter Hunger bleiben, trotz jahrzehntelanger Bemühungen ihn zu lindern, auch weiterhin ein Problem. Seit 3 Jahren nimmt in fast allen Regionen des Kontinents Unterernährung, chronische Nahrungsmittelnot und akute Ernährungsunsicherheit, nach Verbesserung in der Vergangenheit, sogar wieder zu.
Ernährungsunsicherheit und Hunger werden durch eine Reihe von miteinander verwobenen Faktoren verursacht, darunter Armut, Konflikte, mangelnde Investitionen in die Landwirtschaft und instabile Märkte. Die Klimakrise entwickelt sich immer schneller zu einer weiteren wesentlichen Variablen. Laut Bericht des Weltklimarats (IPCC) 2018 werden die Landwirte mit höheren Temperaturen, zunehmenden Hitzewellen, anhaltenden Dürren und Sturzfluten zu kämpfen haben. Wie der jüngste Wirbelsturm in Mosambik zeigt, führen extreme Wetterereignisse ebenfalls zu Vertreibungen, zum Verlust von Lebensgrundlagen und in deren Folge wiederum zu Hunger. Die gegenwärtigen Klimaveränderungen und die, mit denen bei einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 2°C zu rechnen ist, werden die Ernährungsunsicherheit in Afrika voraussichtlich noch weiter verschärfen und dazu führen, dass mindestens die Hälfte der Bevölkerung von Unterernährung bedroht sein wird. Die Auswirkungen werden sehr wahrscheinlich am härtesten Frauen, Kinder und Menschen mit niedrigem Einkommen treffen, wodurch die bestehenden Ungleichheiten innerhalb der Länder selbst, zwischen den Ländern untereinander und zu der „entwickelten“ Welt noch größer werden.
Doch wie diese Sonderausgabe von Perspectives zeigt, gibt es Lösungen, die nicht nur die Widerstandsfähigkeit der landwirtschaftlichen Erzeugnisse verbessern können, sondern auch zur Verringerung von Armut, Ungleichheit und Arbeitslosigkeit beitragen können. Viele dieser Optionen finden jedoch kaum Gehör in einem Mainstream-Diskurs, mit einem reinen Wachstums- und Produktivitätsparadigma .
Die Ausgabe wurde gemeinsam mit den Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Nordafrika und dem Projekt Transform Africa zusammengestellt. Sie ist der stärker werdenden Debatte über alternative Ansätze zur Bekämpfung der Ernährungsunsicherheit bei der Vorbereitung auf eine Welt mit +2°C gewidmet, die allesamt die konventionelle Strategie der Industrialisierung der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelsysteme in Frage stellen.
Um das Wohlergehen und die Entwicklung der Menschen auf dem Kontinent im wahrscheinlichen Szenario einer Welt mit einem Temperaturanstieg von 2°C und mehr sicherzustellen, bedarf es keiner neuen industriellen „grünen Revolution“, sondern eines grundlegenden Wandels der politischen Werte und Entscheidungsstrukturen. Statt profitorientiert zu sein, müssen die Ernährungssysteme an den Bauern und Bäuerinnen und gemeinschaftsorientiert sein und sich auf bottom up und lokal entwickelte und angepasste Alternativen stützen, um Armut und Ungleichheit sowie die Ernährungssicherheit zu bekämpfen. Wir hoffen, dass diese Ausgabe von Perspectives dieser Aufgabe mehr Aufmerksamkeit verschafft.
Katrin Seidel
Büroleitung (Kapstadt)
und
Keren Ben-Zeev
Stellvertretende Büroleitung (Kapstadt)