Die Zeit ist reif für einen Sprung nach vorn. Wenn wir im Bereich Frieden und Sicherheit die Stimmen von Frauen und Diversität allgemein stärken, ist vieles möglich! - Die Anwendung der Resolution in der EU.
Dieser Artikel ist Teil des Dossiers "No Women - No Peace: 20 Jahre UNSR Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit"
Vor 20 Jahren verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1325 zu „Frauen, Frieden und Sicherheit“, die zum wahren Meilenstein werden sollte. Ihre Ziele wurden in eine Vielzahl politischer Strategien und Aktionspläne überführt. Mutige Frauen haben für ein Umdenken im Umgang mit Konflikten und Krisen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene gesorgt. Zu Beginn wurden viele von ihnen nicht ernst genommen. Aber die Idee einer Feministischen Außenpolitik, die Frauen gleichermaßen repräsentiert und sich gegen diskriminierende Muster in der Außen- und Sicherheitspolitik wehrt, setzt sich immer mehr durch.
Als erstes Land weltweit führte Schweden im Jahr 2014 eine Feministische Außenpolitik ein. Innerhalb von sechs Jahren haben Kanada, Frankreich, Mexiko und Luxemburg vergleichbare politische Maßnahmen angekündigt oder bereits umgesetzt. Ganz offensichtlich ist Feminismus in der Außenpolitik längst kein so ungewöhnliches Konzept mehr.
Die Frauen, die hier zu Wort kommen, stehen stellvertretend für all das, was bisher schon erreicht wurde. Als Politikerin in der Außen- und Sicherheitspolitik setze ich mich mit voller Kraft dafür ein, dass die Rolle von Frauen bei Friedensverhandlungen und Konfliktlösungen noch stärker anerkannt wird. Vor den hier vorgestellten Frauen und ihren beeindruckenden Geschichten ziehe ich daher den Hut. Sie sind die Riesinnen, auf deren Schultern ich und so viele andere heute stehen.
Politische Entscheidungen sind umso besser, je vielfältiger die Gruppe der Entscheidungsträger/innen ist
Vom erklärten Ziel der Resolution 1325 – gleichberechtigte und uneingeschränkte politische Mitwirkung von Frauen im Bereich „Frieden und Sicherheit“ – sind wir leider noch immer meilenweit entfernt. Ich selbst erlebe das nahezu täglich: Wann immer ich an Gesprächsterminen, Konferenzen oder Seminaren zu außen- oder sicherheitspolitischen Fragen teilnehme, weiß ich bereits im Vorfeld, dass ich mit großer Wahrscheinlichkeit eine der wenigen Frauen im Raum sein werde.
Warum ist das so? Es kann nicht an fehlenden guten Argumenten liegen. Politische Entscheidungen sind umso besser, je vielfältiger die Gruppe der Entscheidungsträger/innen ist. Das gilt insbesondere für Konflikt- und Krisenregionen. Wir wissen, wie wirksam die Beteiligung von Frauen in diesem Bereich ist: Bei Friedensprozessen ist die Wahrscheinlichkeit für ein Scheitern um 64 % geringer, wenn Frauen mit am Verhandlungstisch sitzen. Zudem ist es um 35 % wahrscheinlicher, dass die daraus resultierenden Friedensverträge mindestens 15 Jahre lang halten.
Fehlender politischer Wille muss folglich die Ursache sein. Das lässt sich auch an den Handlungen (oder dem Ausbleiben solcher!) der Staaten ablesen, die die Resolution ratifiziert haben. Nehmen wir beispielsweise die Aktionspläne. Die Resolution fordert alle Staaten auf, nationale Aktionspläne zur Umsetzung zu verabschieden. Bis Januar 2020 hatten jedoch nur 44 % der Mitgliedsstaaten (84 Länder) solch einen Plan verfasst, und nur 28 davon (also ein Drittel) hatten tatsächlich finanzielle Mittel für die Umsetzung dieser Pläne bereitgestellt.
Initiativbericht zu einer Feministischen Außenpolitik für die EU soll im Plenum verabschiedet werden
Es liegt noch ein langer Weg vor uns, bis die Ideen der Resolution 1325 Wirklichkeit werden. In den nächsten 20 Jahren müssen wir viel zügiger voranschreiten. Ein starkes, erneuertes Bekenntnis der Mitgliedsstaaten zu den Prinzipien der Resolution ist notwendig. Sie müssen ihr Engagement verstärken, unter anderem, indem sie
- Frauen und die Zivilgesellschaft zur Teilnahme an Friedensprozessen einladen
- die nationale Gesetzgebung im Hinblick auf Gleichberechtigung und Parität verbessern
- finanzielle Zusagen einhalten (auch auf internationalem Level) und Gelder für Projekte zur Gleichstellung und Stärkung von Frauen vormerken
- die Repräsentation von Frauen in der Friedenssicherung, wie auch innerhalb der Streitkräfte und in der Diplomatie stärken
Als Mitglied des EU-Parlaments setze ich mich für diese Ziele auf der europäischen Ebene ein. Mein Kollege Ernest Urtasun und ich haben einen Initiativbericht zu einer Feministischen Außenpolitik der EU vorgelegt. Dieser wurde sowohl im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten als auch im Ausschuss für die Rechte der Frau über alle Parteigrenzen hinweg mit großer Mehrheit angenommen und wartet nun auf seine Verabschiedung im Plenum. Eine von uns in Auftrag gegebene Studie zu diesem Thema zeigt, dass der Verbesserungsbedarf auf europäischer Ebene groß ist. Eines meiner derzeitigen Hauptanliegen ist es, sicherzustellen, dass die dritte Version des EU-Aktionsplans zur Gleichstellung (der den Ansatz der EU zur Gleichstellung der Geschlechter durch außenpolitische Maßnahmen definiert), auch ein Kapitel zu „Frauen, Frieden und Sicherheit“ enthält. Darüber hinaus kämpfe ich dafür, dass der Aktionsplan ein bindendes Dokument wird, an dem sich die Maßnahmen der EU orientieren müssen.
Die Zeit ist reif für einen Sprung nach vorn. Wenn wir im Bereich „Frieden und Sicherheit“ die Stimmen von Frauen und Diversität allgemein stärken, ist vieles möglich! Die hier vorgestellten Frauen sind der lebende Beweis dafür. Sie inspirieren und motivieren mich jeden Tag aufs Neue, die EU von der Notwendigkeit einer starken Agenda im Bereich „Frauen, Frieden und Sicherheit“ zu überzeugen – sowohl in Europa selbst als auch auf internationaler Ebene. Die Außenpolitik der EU muss feministisch werden. Staaten weltweit sollten dem Beispiel von Schweden, Kanada, Frankreich, Mexiko und Luxemburg folgen. Diese Länder haben den Weg vorgezeichnet, und die hier vorgestellten Frauen belegen eindrucksvoll, dass diese Marschrichtung nicht nur gangbar, sondern erfolgversprechend ist!