#MyTransition: Ruf nach einer inklusiven Regierungsführung

Kommentar

Der Hashtag #myTransition breitete sich eine Woche nach dem militärischen Sturz des malischen Präsidenten Kaita Ende August dieses Jahres rasant in den sozialen Netzwerken aus. Tausende junge Malier/innen forderten die Mitbestimmung im Reformprozess. Doch wenn ein neues offenes und inklusives Mali entstehen soll, so die junge Aktivistin und Frauenrechtlerin Aïssata Ba, bedarf es insbesondere auch einer Mitbestimmung der malischen Frauen.

#MyTransition : As capable as men, unleashing Malian women’s potential through inclusive governance

Wie eine inklusive Regierungsführung das Potenzial der Malierinnen freisetzen könnte

Das „Nationalkomitee zur Rettung des Volks“ (CNSP) scheint das Leuchtfeuer zu sein, auf das die Mehrheit der Malier/innen die letzten dunklen Jahrzehnte gewartet haben. Jahre, in denen das Land immer mehr in die Hände von Terrorist/innen geraten und in Unsicherheit, Vetternwirtschaft und Korruption versunken ist. Nun halten die Malier/innen gebannt den Atem an und warten auf das Ergebnis der Beratungen und auf das, was die neuen Führer/innen und die anderen daran beteiligten Parteien beschließen werden. Ebenso bangen auch wir, die Verfechter/innen von Frauenrechten und Geschlechtergleichstellung. Auch wir sind der Überzeugung, dass für Frauen die Chance gekommen ist, gleichermaßen vertreten zu sein und das Schicksal des Landes mitzubestimmen.

Es wäre nicht einfach nur jammerschade, sondern ein grober Fehler, wenn die CNSP – oder wer immer das Land dann regieren wird – es versäumte oder es bewusst unterließe, Frauen in die unterschiedlichen Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen, bzw. sie daran hinderte, Führungspositionen zu übernehmen. Die Mitwirkung von Frauen ist maßgebend für einen gelungenen Übergang.

Phallokratie und Patriarchat

Frauen sind ebenso fähig wie Männer und ebenso Bürgerinnen und Einwohnerinnen Malis und sollten bereits allein deshalb das gleiche Recht haben, das Land zu regieren. Es ist wichtig, dies zu bedenken, weil offenbar alle – selbst Verfechter/innen der Frauenrechte –, die Einbeziehung von Frauen nur unter dem Aspekt: „Frauen sind Mütter, sie sind Mütter von Führern und von Terroristen“ zu rechtfertigen scheinen. Schenkt man Frauen Gehör, dann auf der Basis dieser gesellschaftlichen Rolle. Das ist bedenklich, weil es auf einem sozialen Konstrukt beruht, dass Frauen auf ihre Mutterrolle reduziert und auch diejenigen außer Acht lässt, die keine Mütter sind.

Wir sollten nicht den Fokus auf die mütterliche Rolle legen. Bei Männern ist es ja auch nicht die Vaterrolle, die es ihnen ermöglicht, die Führung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen. Es sind die Privilegien, die ihnen innerhalb des Patriarchats und der Phallokratie zugesprochen werden. Wir müssen uns darauf konzentrieren, das Patriachart abzuschaffen, damit Frauen mitbestimmen können. Es ist ihr gutes Recht! Weil Sie ebenso Bürgerinnen des Landes sind und nicht, weil sie Mütter sind.

Die Perspektive von Frauen ist eine einzigartige Ressource.

Es muss garantiert sein, dass Frauen vertreten sind und uneingeschränkt teilhaben können. Denn wenn Jemand nicht anwesend ist, wird dessen Standpunkt auch nicht wahrgenommen oder schlichtweg vergessen. Basierend auf ihren Lebensrealitäten haben Frauen auch ganz eigene Betrachtungsweisen. Da Frauen am meisten unter den gesellschaftlichen und geschlechtsspezifischen Normen zu leiden haben, sind sie eben auch in der Lage, Unterdrückung einzuschätzen und zu beurteilen – anders als Männer.

Frauen sind somit die einzigen, die aus eigener Erfahrung sprechen und dafür sorgen können, dass Gleichstellung und andere Themen wie geschlechterspezifische Gewalt Beachtung bei dem politischen Übergangsprozess und darüber hinaus finden werden. Wenn man zudem bedenkt, wie patriarchalisch unser Land ist und wie seine Gesetzgebung Frauen diskriminiert, kann allein schon ihre Beteiligung eine Veränderung bewirken und Mali näher an die Umsetzung von Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit heranführen.

Frauen aus allen Lebensbereichen und mit unterschiedlichen Erfahrungshintergründen müssen mit einbezogen werden

Ebenso wichtig wie die generelle Einbeziehung von Frauen ist auch die Auswahl der Frauen, die beteiligt werden. Bei meinem Engagement für die Inklusion von Frauen spreche ich deshalb nicht nur für die Eliten, die selbstverständlich auch eine Rolle spielen, sondern setze mich dafür ein, dass alle malischen Frauen vertreten sind. Insbesondere der jungen Generation mit ihrem Potenzial und ihrer einzigartigen Erfahrung von Unsicherheit, Konflikten, dem Anstieg der geschlechterspezifischen Gewalt bis hin zum Femizid, sollten neue Technologien und Bildungschancen eröffnet und von ihnen genutzt werden können. Somit könnte bereits während des Übergangs der Aufbau einer stärkeren Nation gefördert werden.

Eine weitere Gruppe von Frauen, deren Ansichten mit einfließen sollten, sind Frauen aus den ländlichen Gebieten. Wer wäre besser dazu geeignet, über die schrecklichen Auswirkungen der miserablen Gesundheitsversorgung, Mütter- und Kindersterblichkeit, Trinkwassermangel und vor allem von fehlenden Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Teilhabe und Mitgestaltung zu berichten als diese Frauen? Deshalb sollte ihrer Erfahrung, die eine privilegierte, gebildete Frau aus der Stadt nicht repräsentieren kann, Beachtung geschenkt und ihre Anliegen durch Mitbestimmung berücksichtigt werden.

Darüber hinaus glaube ich, dass diese Zeit eine großartige Gelegenheit bietet, Frauen ein Mitspracherecht bei den Angelegenheiten des Friedensprozesses einzuräumen. Vor allem wenn man bedenkt, dass selbst das vorangegangene Friedensabkommen mit all seinen Verhandlungen, das nicht vollbracht hat. Es ist wichtig, Frauen einzubinden, insbesondere diejenigen, die direkt von den Konflikten und Unsicherheiten betroffen sind.

Auch Soldatenwitwen und geflüchtete Frauen – insbesondere im Norden und im Zentrum des Landes – müssen vertreten sein, denn wer könnte die Konfliktsituationen und deren schreckliche Auswirkungen besser beurteilen als sie. Dies ist eine einmalige Gelegenheit, ihre Anliegen mit einzubeziehen und zu gewährleisten, dass zur Linderung ihrer Schmerzen und Verluste Maßnahmen ergriffen werden. Von ihnen können wir ganz besonders viel lernen und unsere Lehren in Hinsicht auf konfliktbezogene Themen, Gerechtigkeit und Versöhnung daraus ziehen. Kurzum: wenn wir ein anderes Mali wollen, müssen wir anfangen für ein offenes, inklusives Entscheidungs- und Regierungskonzept einzutreten!

Bei diesem Artikel handelt es sich um die deutsche Übersetzung des auf Benberge.org erschienen Originaltextes.