Klimafinanzierung ist nicht gendergerecht

Hintergrund

Unter den von der Klimakrise besonders betroffenen Menschen sind vor allem Frauen zu wichtigen gesellschaftspolitischen Akteur*innen geworden. Auf lokaler Ebene tragen sie zur Bewältigung des Klimawandels durch Anpassungsmaßnahmen bei. Auf internationaler Ebene haben feministische Aktivist*innen durch kontinuierliche Advocacy-Arbeit und dank ihres vernetzten Engagements erreicht, dass sich die internationale Gemeinschaft endlich auch zu einer geschlechterverantwortlichen Klimapolitik bekennt. Wir stellen hier einige der Kernforderungen an eine global faire und geschlechtergerechte Klimafinanzierung vor.

Stadtansicht bei Sonnenuntergang
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Geschlechtergerechtigkeit muss als Leitprinzip für alle Instrumente der Klimafinanzierung anerkannt werden.

Das Cancun Agreement von 2010 betont die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen (Wir verstehen ‚Frauen‘ als nicht-binäre soziale Kategorie, die alle Menschen einschließt, die sich dieser Beschreibung zugehörig fühlen) in den Klimaverhandlungen. Diese ist noch nicht erreicht, doch sind auf den Klimakonferenzen unter dem Dach der UNFCCC mit dem Lima-Aktionsprogramm (2014) und den Gender Aktionsplänen (2017, 2019) zumindest Vereinbarungen entstanden, anhand derer die tatsächlichen Fortschritte hin zu einer sozial- und geschlechtergerechten Klimapolitik der internationalen Gemeinschaft überprüft werden können. Doch der Weg dahin ist noch lang und die Verhandlungen oft zäh.

Klimafinanzierung: zu wenig und nicht gendergerecht

Für Erfolge bei der Anpassung und dem Klimaschutz ist die finanzielle Unterstützung der Verursacher-Staaten zur Bewältigung der Klimakrise in den Ländern des Südens ein unerlässlicher Bestandteil der globalen Klimapolitik. Die internationalen Klimafonds sind für die unabhängige Zivilgesellschaft wichtige richtungsweisende Politik- und Finanzierungsinstrumente, die es kritisch zu beobachten und vor allem mit zu steuern gilt. Denn in der Klimafinanzierung spiegeln sich die systemischen, aber weiterhin ungelösten Fragen der Klimagerechtigkeit, von denen auch die Verantwortung für Geschlechtergerechtigkeit nicht ausgenommen ist: Wer entscheidet darüber, wohin wie viel Geld fließt? Sind die Mittel ausreichend, um die zunehmenden Verluste und Schäden auszugleichen, verfolgen sie einen ganzheitlichen Ansatz; einer, der Menschenrechte und Lebensgrundlagen gleichwertig mit dem Klima schützt, und erreichen sie insbesondere auch Vertreter*innen von Frauen und ihren Organisationen auf der lokalen Ebene?

Infografik
Die Grafik zu den genderrelevanten Vereinbarungen unter dem Dach der Klimakonferenzen veranschaulicht den Weg der multilateralen Klimafonds hin zu einem besseren Gender Mainstreaming und damit zu mehr Gender-Verantwortlichkeit in der Klimafinanzierung.

Akteur*innen und Aktivist*innen gegen die Klimakrise

Die Gender-Verantwortlichkeit der Klimafinanzierung ist von zentraler Bedeutung für das Erreichen von Klimagerechtigkeit, und sie wird seit vielen Jahren von Gender-Aktivist*innen im UNFCCC-Prozess eingefordert. Die multilateralen Klimafonds integrieren zunehmend eine Gender Mainstreaming-Politik in ihrer Finanzierungsstrategie sowohl für Maßnahmen zur Emissionsreduzierung als auch für Anpassungsmaßnahmen; und das in den Entscheidungsgremien wie in der operationalen Umsetzung. Dies gilt als Voraussetzung für eine geschlechtergerechte Effektivität und Nachhaltigkeit der von ihnen kanalisierten öffentlichen Mittel. Allen voran ist hier der Green Climate Fund (GCF) zu nennen, der bereits in seinen Gründungsdokumenten einen Gender Mainstreaming-Ansatz verankert und seit 2015 eine Gender-Strategie und einen Gender- Aktionsplan institutionalisiert hatte, noch bevor die ersten Projektgelder geflossen sind.

Trotz dieser Fortschritte, fehlt es allerdings weiterhin an einer systematischen Verankerung eines transformativen Gender-Ansatzes, der für alle Programmphasen, alle Arbeitsebenen, alle operativen Geschäftsbereiche und alle Beratungs- und Entscheidungsgremien verbindlich zu berücksichtigen ist.

Liane Schalatek, stellvertretende Leiterin des hbs-Büros in Washington, arbeitet seit vielen Jahren zu makroökonomischen Aspekten der Klimagerechtigkeit und hat in dem spezifischen Themenfeld der Klimafinanzierung eine international anerkannte feministische und zivilgesellschaftliche Expertise aufgebaut, die sowohl in den Klimafonds als auch in den Klimaverhandlungen Gehör findet. Damit dieses Fachwissen rund um das Politikinstrument ‚Klimafonds‘ aus feministischer Sicht noch besser für die Advocacy-Arbeit genutzt werden können – z.B. auch in den laufenden Verhandlungen der UN-Frauenrechtskommission zum Schwerpunktthema Klima – fassen wir hier zentrale Kritikpunkte an dem „unvollständigen Gender Mainstreaming“ der Klimafinanz-Institutionen zusammen und stellen Kernforderungen an eine global faire und geschlechtergerechte Klimafinanzierung vor.

Wichtige Grundsätze und Maßnahmen für eine geschlechtergerechte Klimafinanzierung

Geschlechtergerechtigkeit und das Empowerment von Frauen müssen als Leitprinzipien und als Querschnittsaufgabe für alle Instrumente der Klimafinanzierung anerkannt werden. Der Gender-Ansatz muss rechtebasiert, transformativ und inklusiv sein und sollte in transparente und partizipative institutionelle Prozesse eingebettet sein:

  • ein auf die Betroffenen ausgerichteter Ansatz für Anpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen, der einigen kleinen und gemeinschaftsbasierten Maßnahmen, bei denen Frauen überrepräsentiert sind, besondere Aufmerksamkeit schenkt und sicherstellt, dass die Vergünstigungen der öffentlichen Finanzierung an Frauen als Begünstigte weitergegeben werden. Bezogen auf Klimaschutz bedeutet dies, dass der Schwerpunkt auf der Bereitstellung von Energiezugang durch erneuerbare Energien liegt, um die anhaltende energiebedingte Armut vieler Frauen zu bekämpfen.

  • Explizite geschlechtsspezifische Kriterien in den Leistungszielen und Rahmen für die Ergebnismessung sowie für die Bewertung von Finanzierungsoptionen. Solche Kriterien sollten eine obligatorische Gender-Analyse des vorgeschlagenen Projekts, einen vollständig kalkulierten projektspezifischen Gender-Aktionsplan, ein nach Geschlechtern aufgeschlüsseltes Budget und einige klare quantitative und qualitative Indikatoren zur Messung des Beitrags der Finanzierung zu den Gleichstellungszielen sowie die systematische Erhebung von nach Geschlechtern aufgeschlüsselten Daten umfassen.

  • ein Gleichgewicht der Geschlechter und geschlechtsspezifisches Fachwissen in allen Entscheidungs- und Beratungsgremien, um sicherzustellen, dass die Grundsätze von Geschlechtergerechtigkeit in alle Schritte der Finanzierung und der Programmplanung von Klimafinanzierungsvorhaben (Akkreditierung, Genehmigung, Monitoring, Berichterstattung und Evaluierung) einbezogen werden.

  • Besondere Bemühungen, die wirksame Beteiligung von Frauen als wichtige Interessenvertreterinnen und als Betroffene in länderspezifischen Koordinierungsmechanismen, wie Investitionsplänen und Klimastrategien, zu erreichen.

  • Geschlechtergerechte Finanzierungsrichtlinien, Vergabekriterien und Finanzinstrumente für jedes thematische Finanzierungsinstrument (Anpassung und Emissionsminderung) und spezifische Sektoren (z. B. Wasser- und Landwirtschaftsprojekte und Waldschutz) sowie die regelmäßige Evaluierung ihrer Auswirkungen.

  • Ansätze zur Verbesserung des Zugangs lokaler Frauengruppen [und lokaler Unternehmerinnen] zu Finanzierungsmitteln, z. B. durch kleine Zuschüsse im Rahmen verbesserter Maßnahmen für einen direkten Zugang zu grünen Krediten.

Welche Schritte der internationalen Gemeinschaft nun erforderlich sind, um die Qualität und den Umfang geschlechtergerechter Klimafinanzierung zu erhöhen, erläutert Liane Schalatek in einer ausführlichen Stellungnahme für die Frauenrechtskommission. Hier fassen wir zentrale Empfehlungen zusammen, die Deutschlands Verantwortung als wichtiges Geberland und als Klimaschutzakteur ansprechen:

  • Nach der Erhöhung der Mittel für den Anpassungsfonds (COP 26) als ersten Schritt, sollte Deutschland seine Anpassungsfinanzierung deutlich erhöhen (bislang umfasst diese nur rund 20% der deutschen Klimafinanzierung). Es sollte zudem erstmals finanzielle Mittel bereitstellen, durch die Verluste und Schäden in den betroffenen Ländern und Gemeinschaften ausgeglichen werden.

  • In der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) und Finanziellen Zusammenarbeit (FZ) sollten primär nicht-rückzahlbare Zuschüsse (grants) anstelle von Krediten (loans) verwandt werden. Nur so bleibt in Entwicklungsländern der finanzielle Spielraum erhalten, in nationale Sozial- und Gesundheitssysteme zu investieren. Andernfalls sind vor allem Frauen die Leidtragenden von Klimakatastrophen und vom Ausfall der Sozialsysteme betroffen.

  • Stärker als bisher sollten Geber wie Deutschland in den multilateralen Klimafonds Finanzierungsansätze unterstützen, die Frauen und marginalisierten Gemeinschaften auf kommunaler Ebene die Mittel direkt zukommen lassen (Enhanced Direct Access).

  • Ein Finanzierungsziel, dem zufolge mindestens ein Drittel der deutschen Klimafinanzierung direkt zugänglich gemacht werden soll – unterstützt Frauen- und Menschenrechtsorganisationen, die bislang nicht ausreichend, z.B. von der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) profitieren.

Zur Umsetzung einer echten sozial- und geschlechtergerechten Klimafinanzierung darf es keine Unterstützung für Investitionen des Privatsektor geben, durch die profitorientierten und eng gestrickte Klimavorhaben wie Monokultur-Wiederaufforstungen, Privatisierung von Energie- und Wasserinfrastruktur und damit Landnahme, Zugangsbeschränkungen für grundlegende Dienstleistungen und Menschenrechtsverletzungen gefördert werden. Hierzu sollte Deutschland vor allem auch bestehende Privatsektorförderungen im Waldschutzbereich überdenken.