Home(un)making im marginalisierten Stadtraum. Narrationen von Migration und (Vor-)Ankommen in einer ostdeutschen Großwohnsiedlung
An der Schnittstelle von Migrations- und Stadtforschung untersucht das Promotionsprojekt Narrationen, Praktiken und Bedingungen von home(un)making in einer ostdeutschen Großwohnsiedlung. In den letzten drei Jahrzehnten durchlief das Quartier vielfach Umbrüche und Transformationen. Galt die Großwohnsiedlung zur Entstehungszeit in der DDR noch als besonders lebenswert und beliebt, erfuhr sie in der Nachwendezeit eine erhebliche soziale Abwertung und (infra-)strukturelle Einschnitte, die mit Wegzug, Verarmung und Wohnungsleerstand einherging.
Im Zuge der aktuellen Fluchtmigration sind nun seit 2015 wieder verstärkte Zuzugsbewegungen zu verzeichnen. Dabei kommt es in der Nachbarschaft häufig zu signifikanten Veränderungen an Migrationsgeschichten, Religionen und transnationalen Lebensentwürfen. Zugleich ist in der Großwohnsiedlung der Zugang zu Teilhabe und Unterstützung für Geflüchtete zum Teil erheblich erschwert und sie erleben häufig alltäglich Ablehnung und rassistische Anfeindungen. Politik und Wissenschaft widmen sich daher verstärkt Themen rund um Integration, Infrastrukturbedarfe und sozialen Zusammenhalt.
Wenig Aufmerksamkeit kommt bisher der Frage zuteil, wie die heterogene Bewohner:innenschaft – neu zugezogene wie lang ansässige Personen mit und ohne Flucht- oder Migrationsbiografien – im vielseitig stigmatisierten und marginalisierten Stadtraum ein (neues) Zuhause findet, auf der Nachbarschaftsebene aushandelt und Umgangsweisen mit Verlust, Verlassen und Veränderung des Zuhauses entwickelt. Das Promotionsprojekt rückt dabei die ostdeutsche Großwohnsiedlung vom Rand ins Zentrum wissenschaftlicher Debatten um Migration, Anerkennung und Teilhabe und erzielt eine historisch informierte, ethnografische Perspektive auf diese Gesellschaftsphänomene zu schärfen. Die Ergebnisse der Forschung versprechen somit relevante Einblicke in transnationalisierende Effekte durch Migration im Mikrokosmos einer Nachbarschaft sowie in (oft unsichtbare) Aushandlungen um gemeinsame, heterogene bis umkämpfte Realitäten und Ansprüche auf ein Zuhause und Lokalität in der postmigrantischen Gesellschaft Deutschlands.
Keywords: Home(un)making und Migration, urbane Nachbarschaft, soziale und politische Ungleichheit, Raumproduktion, transnationale Verflechtungsgeschichte