Diasporische (Handlungs-)Räume polnischer Exilantinnen in der westdeutschen Demokratiegeschichte (1967-1993)
Das Promotionsvorhaben widmet sich den bisher gänzlich unerforschten Exilbiographien polnischer Exilantinnen, die in den späten 1960er- und frühen 1980er-Jahren in der Bundesrepublik Politisches Asyl beantragten. Die politisch motivierte Emigration aus der Volksrepublik Polen erfolgte entweder nach 1968 als direkte Folge der antisemitischen Kampagne des polnisches Innenministers Mieczysław Moczar und des Zentralkomitees der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZRP) unter Władysław Gomułka; oder sie resultierte aus dem am 13. Dezember 1981 in der Volksrepublik Polen unter Wojciech Jaruzelski verhängten Kriegsrecht und der damit verbundenen versuchten Zerschlagung und Verfolgung der Opposition.
Im Exil positionierten und vernetzten sich die Akteurinnen beider Generationen aktiv in der westdeutschen Zivilgesellschaft, u.a. mit der Frauen- und Student*innenbewegung, den Grünen und dem Deutschen Gewerkschaftsbund. Ihre Arbeit, mit der sie stets auch die bundesrepublikanische Öffentlichkeit adressierten, galt sowohl der ostmitteleuropäischen Dissident*innen- und Exilgemeinschaft im Westen als auch der sich formierenden polnischen Demokratiebewegung (Komitee zur Verteidigung der Arbeiter/ Komitet Obrony Robotników, Freie Gewerkschaft Solidarność). Ihre politische Praxis zeichnete sich insbesondere durch den Rückgriff auf kulturelle Praktiken zur Steigerung ihrer politischen Sichtbarkeit aus und durch das Initiieren von lokalen, aber transnationalen Handlungsräumen.
Im Sinne ausländischer ideengeschichtlicher Einflüsse auf die BRD fragt das Forschungsvorhaben nach der Bedeutung von ostmitteleuropäischen politischen Exilantinnen und der von ihnen geprägten diasporischen (Handlungs-)Räume auf westdeutsche Demokratisierungsprozesse zwischen 1967 und 1993. Um der übergeordneten Frage nachzugehen, wie sich die migrantischen Akteurinnen, ihre politischen Praktiken und Ideen in die bundesrepublikanische Demokratiegeschichte einbetten lassen, wird das Verhältnis von Selbst- und Fremdverortung der Exilantinnen im Spannungsfeld zwischen bundesrepublikanischer Fundamentaldemokratisierung und Bonner Ostpolitik nach 1969 analysiert.
Dem Forschungsvorhaben liegt dabei ein doppeltes Erkenntnisinteresse zu Grunde: Auf einer mikrohistorischen Ebene sollen die biografischen Emigrationsgeschichten der Akteurinnen rekonstruiert werden, um sie im Sinne intersektionaler Demokratieforschung in den makrohistorischen Kontext der westdeutschen Ideengeschichte nach 1945 einzubetten. Wie gestaltet sich das individuelle Verhältnis von Exilerfahrung und politischer Subjektivität bzw. Teilhabe? Inwiefern lassen sich die diasporischen Räume als Orte demokratischer Aushandlungsprozesse zwischen der ostmitteleuropäischen Diaspora und der westdeutschen Öffentlichkeit (im Hinblick auf politische, kulturelle, geschlechtliche Fragen) untersuchen?
Schlagworte: Polnische Exilantinnen, Migrations- und Ideengeschichte, BRD, Politisches Asyl