Einigung beim Critical Raw Materials Act: Studie zeigt große Fragezeichen für Umwelt und Menschenrechte
EU-Kommission, Rat und EU-Parlament haben sich auf Eckpunkte des Critical Raw Materials Act geeinigt, das Gesetz soll im Dezember verabschiedet werden. Der Critical Raw Materials Act soll dazu dienen, die Rohstoffversorgung Europas sicherzustellen und die EU dabei unabhängiger von Importen zu machen. Er wurde im März von der EU-Kommission ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht.
Ein zentrales Instrument des Critical Raw Materials Act sind strategische Partnerschaften mit rohstoffreichen Ländern. Bisher werden diese Partnerschaften unter anderem mit Chile, Namibia, der Ukraine und der Demokratischen Republik Kongo auf den Weg gebracht. Die EU will sich hier als attraktiver Partner präsentieren, indem sie verspricht, mehr Wertschöpfung im produzierenden Land zuzulassen. Allerdings zeigt eine neue Studie im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung: Wie Wertschöpfung definiert ist, bleibt unklar – selbst in bereits abgeschlossenen Partnerschaften.
Sophia Pickles, ehemalige UN-Expertin zu Natürlichen Ressourcen und Finanzen und Autorin der Studie mit dem Titel „Value Addition in the Context of Mineral Processing“: „Das Konzept der Wertschöpfung wurde bisher nur wenig untersucht und es wurde nicht genau definiert, was die verschiedenen Akteure darunter verstehen. Selbst in den bisher abgeschlossenen Partnerschaften, wie z.B. der Partnerschaft mit Namibia, sind die Vertragsparteien hier nicht konkret.“ Sie ergänzt: „Meine Untersuchungen haben gezeigt, dass die Wertschöpfung sehr unterschiedliche Dimensionen hat und dass Investitionen in die Weiterverarbeitung der Mineralien in Bergbauländern nicht automatisch der Bevölkerung zu Gute kommen. Sie ist oft mit schwerwiegenden Folgen für Umwelt und Gesundheit verbunden und bringt nicht unbedingt Einnahmen. Deshalb ist es wichtig, dass wir auch diese Prozesse sehr genau unter die Lupe nehmen, um sie im Interesse der lokalen Bevölkerung zu gestalten."
Johanna Sydow, Leiterin des Referats Internationale Umweltpolitik der Heinrich-Böll-Stiftung: „In weniger als acht Monaten wurde dieses Gesetz nun durch den Gesetzgebungsprozess gepeitscht – ein Gesetz, das in vieler Hinsicht die Menschenrechts- und Umweltschutzagenda, für die wir in den letzten Jahren gekämpft haben, in Frage stellt. Wenngleich im Gesetzgebungsprozess einige kritische Punkte, wie die extreme Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, etwas abgeschwächt und Recyclingziele angehoben werden konnten, sieht das Gesetz nur sehr schwache Mechanismen für Umwelt- und Menschenrechtsschutz vor. Das ist besorgniserregend, da wir wissen, dass der Bergbausektor ein Risikosektor im Bezug auf Menschenrechte ist.“
Die am heutigen Mittwoch, 15. November 2023, veröffentliche Studie wird heute auf der Critical Raw Materials Week in Brüssel vorgestellt und kann hier heruntergeladen werden.
Kontakt für weitere Einschätzungen zum Critical Raw Materials Act und zur Studie:
Johanna Sydow: +4917626095273, sydow@boell.de
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