Pressemitteilung

Zwei Instrumente, die Zukunftsinvestitionen ermöglichen / Studie erschienen

Berlin, den 16. Januar 2024

Mit dem Urteil vom 15. November 2023 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Haushaltspraxis der Umbuchung von Kreditermächtigungen für nichtig, stellte aber nicht die Notwendigkeit von öffentlichen Investitionen in die Zukunft und in den Klimaschutz in Frage.

Wie können diese Investitionen finanziert werden? Tom Krebs, Professor für Makroökonomik und Wirtschaftspolitik an der Universität Mannheim, ist im Auftrag der grünen Heinrich-Böll-Stiftung dieser Frage nachgegangen. Seine Studie trägt den Titel „Finanzierung öffentlicher Zukunftsinvestitionen nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts“ und legt den Fokus auf zwei Finanzierungsoptionen, die kurzfristig eine Kreditfinanzierung ohne Änderung der verfassungsrechtlich verankerten Schuldenbremse ermöglichen: erstens die Anwendung der grundgesetzlich verankerten Ausnahmeregel für außergewöhnliche Notsituationen und zweitens eine Neuberechnung der sogenannten Konjunkturkomponente auf Basis einer verbesserten Methode.

Die Anwendung der Ausnahmeklausel und die Neuberechnung der Konjunkturkomponente erfordern eine fundierte ökonomische Analyse der Auswirkungen der Energiekrise auf Wirtschaft und Gesellschaft. Die zusätzlichen Investitionen sollten hauptsächlich kreditfinanziert werden, damit sie die maximale gesamtwirtschaftliche Wirkung in der Krise entfalten können.

Eine verfassungskonforme Anwendung der Ausnahmeregel zur Schuldenbremse für das Jahr 2024 und eventuell auch das Jahr 2025 erscheint möglich, denn es besteht als Folge der Energiekrise ein zusätzlicher öffentlicher Investitionsbedarf, der nicht durch die Vorkrisenpläne der Bundesregierung abgedeckt wird. Sie erfordert unter anderem eine Abschätzung der Investitionsbedarfe, die aufgrund der krisenbedingten Beschleunigung der Transformation entstanden sind. In der vorliegenden Studie wird dieser Investitionsbedarf in den Bereichen Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr und sozialem Wohnungsbau auf jährlich rund 50 Milliarden Euro geschätzt, wovon jährlich rund 30 Milliarden Euro zusätzliche Finanzierungbedarfe des Bundes sind.
   
Die Neuberechnung der Konjunkturkomponente ist eine weitere Möglichkeit, den finanziellen Spielraum für zusätzliche Klimainvestitionen zu erhöhen. Die Studie entwickelt einen Vorschlag, der eine zusätzliche Nettokreditaufnahme von bis zu 27 Milliarden Euro für den Bundeshaushalt 2025 zulassen würde. Der Vorschlag beruht auf der Berücksichtigung eines Positiv-Szenarios, in dem mögliche langfristige Schäden der Energiekrise (Hysterese-Effekt) aufgrund guter Wirtschaftspolitik erheblich reduziert werden.

Mittelfristig ist eine Reform der Schuldenbremse mit entsprechender Grundgesetzänderung erforderlich, um eine dauerhafte Finanzierung der bestehenden Investitionsbedarfe zu gewährleisten. Die vorliegende Studie biete einen kurzen Abriss der verschiedenen Möglichkeiten der dauerhaften Finanzierung: Ein grundgesetzlich verankerter Investitionsfonds und eine Erweiterung der Schuldenbremse um eine Investitionsregel.

Jan Philipp Albrecht, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, sieht in der Studie einen wichtigen Beitrag für die weitere Diskussion. Er sagt in seiner aktuellen Kolumne:

„In Zeiten einer immer stärker verunsicherten Gesellschaft braucht es jetzt eine parteiübergreifende, konstruktive Debatte über den Weg aus der Zukunftsbremse und rein in eine nachhaltige Investitionsregel, die nicht den jetzigen Sozialstaat gegen die Notwendigkeiten der Zukunft ausspielt.“

 

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