Ethos und Verfassungsprinzip. Zur etatischen Demokratietheorie Ernst-Wolfgang Böckenfördes
Ernst-Wolfgang Böckenförde gilt zweifelsohne als Klassiker der Rechtswissenschaft. Seine zahlreichen Arbeiten zur Verfassungstheorie, zur Verfassungsgeschichte und dem Verfassungsrecht sind längst in den Kanon der etablierten Staatsrechtslehre eingeflossen – kaum eine Veröffentlichung im Bereich des öffentlichen Rechts kommt ohne eine Referenz auf sein Werk aus. In der immer dichter werdenden Sekundärliteratur zu Böckenfördes Werk wird er nun auch zunehmend außerhalb der Rechtswissenschaft rezipiert.
Eine besonders eigenwillige Rolle in seiner Rezeption nimmt seine Demokratietheorie ein. Böckenförde hat sich im Verlauf seines akademischen Wirkens umfassend mit der Demokratie als Staats- und Regierungsform auseinandergesetzt. Die Frage nach ihren Voraussetzungen und ihrer Begründung wird bereits in seinen ersten wissenschaftlichen Publikationen thematisiert. Von dieser ersten Beschäftigung ausgehend, kommt er immer wieder auf die Problematik zurück und entwickelt in mehreren Aufsätzen, die er im Zeitraum der 1980er Jahre verfasste, eine eigenständige Demokratietheorie. Allerdings wurde Böckenfördes Demokratietheorie bisher nur selten als Beitrag zur theoretischen Durchdringung des demokratischen Verfassungsstaats aufgefasst. Die massive Kritik, die sich daran entzündet hat, steht in einem krassen Missverhältnis zu genuinen Versuchen, überhaupt nachzuvollziehen, was Böckenförde mit seiner Demokratietheorie ausdrücken wollte.
Vor diesem Hintergrund erscheint das Forschungsziel dieses Dissertationsprojektes klar: Es gilt eine umfassende Rekonstruktion von Ernst-Wolfgang Böckenfördes Demokratietheorie zu leisten. Durch diese Rekonstruktion soll einerseits Böckenförde als politischer Denker, insbesondere Denker der Demokratie, der in der (deutschen) Politikwissenschaft noch viel zu wenig als solcher rezipiert wird, vorgestellt werden. Zudem schlägt diese Studie, indem sie das Werk eines Rechtswissenschaftlers und ehemaligen Richters mit dem Instrumentarium der politikwissenschaftlichen Ideengeschichte untersucht, eine interdisziplinäre Brücke zwischen Politikwissenschaft und Staatsrechtslehre. Abschließend soll zudem gezeigt werden, dass der Einfluss des „gefährlichen Geistes“ Carl Schmitt auf Böckenfördes Werk deutlich geringer ausfällt, als dies vielfach angenommen wird. Und dass Böckenfördes Demokratietheorie einen vielversprechenden Beitrag zur gegenwärtig vielfach diagnostizierten Krise der Demokratie bereithält.