Selbstverständlich europäisch!? 2025

Zusammenfassung

Die Bürgerinnen und Bürger bewerten den Führungsanspruch der neuen Bundesregierung in der EU mehrheitlich positiv, plädieren aber klar für ein kooperatives Auftreten in Brüssel. Das zeigt die diesjährige Ausgabe unserer Studie "Selbstverständlich europäisch!?" zur Rolle Deutschlands in der EU.

Frau mit EU-Fahne und blauem Luftballon mit Europalogo

Die EU ist mit enormen Herausforderungen konfrontiert. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine geht mit unverminderter Härte weiter. Die Verlässlichkeit der USA im transatlantischen Sicherheitsgefüge steht infrage. In Europa, wie auch Deutschland, schreitet der Rechtsruck voran. Die Dringlichkeit der Transformationsaufgaben in der Wirtschaft steigt. Die Klimakrise spitzt sich zu. Die liberale Demokratie und die Idee eines vereinten Europas stehen massiv unter Druck. Die neue Bundesregierung von CDU/CSU und SPD hat im Koalitionsvertrag den Anspruch formuliert, in der EU eine starke Führungsrolle übernehmen zu wollen. In diesem Kontext untersucht die siebte Ausgabe der Langzeitstudie «Selbstverständlich europäisch!?», wie die Bürgerinnen und Bürger die Rolle Deutschlands in der EU bewerten und welches Auftreten sie sich von der Bundesregierung in Brüssel wünschen. Wie in den vergangenen Jahren soll diese Studie eine Debatte über die Zukunft der deutschen Europapolitik anregen.

Die wichtigsten Ergebnisse der repräsentativen Umfrage 1

  • Zustimmung für eine stärkere Führungsrolle Deutschlands in der EU: Die im Koalitionsvertrag umrissene europäische Stoßrichtung findet in der Gesellschaft breite Unterstützung. Etwa zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger (65,3 Prozent) bewerten eine stärkere Führungsrolle Deutschlands in der EU als eher positiv (26,9 Prozent) oder sehr positiv (38,4 Prozent).
Donutdiagramm zur Bewertung, ob Deutschland künftig eine starke Führungsrolle in der EU einnehmen soll, mit fünf Antwortkategorien.
  • Plädoyer für eine kooperative EU-Politik der Bundesregierung: Neben der Zustimmung zu einer stärkeren Führungsrolle Deutschlands in der EU wünscht sich eine große Mehrheit der Befragten (68 Prozent) in Zukunft auch ein kooperatives Auftreten der Bundesregierung in Brüssel.
Liniendiagramm zu Einschätzungen 2019–2025, ob Deutschland sich kooperativ gegenüber EU-Ländern verhalten soll bzw. verhalten hat.
  • Migration und Integration, Verteidigungs- und Wettbewerbsfähigkeit sind oberste Prioritäten: Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger handelt es sich bei den drei wichtigsten europapolitischen Prioritäten um Migration und Integration (56,0 Prozent), Sicherheit und Verteidigung (55,3 Prozent) und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit (46,1 Prozent). Zusätzliche gemeinsame Investitionen begrüßen die Befragten bei Verteidigung (52,1 Prozent), innerer Sicherheit (45,5 Prozent), Forschung, Bildung und Innovationen (36,8 Prozent) sowie Wirtschaft (35,5 Prozent).
  • Unterstützung für eine europäische Verteidigungsunion: Mehr als die Hälfte der Befragten (56,5 Prozent) stimmen überein, dass europäische Verteidigung in erster Linie zur gemeinsamen Aufgabe werden soll. 20,8 Prozent plädieren für eine differenzierte Integration in diesem Bereich, z.B. in der Rüstungspolitik. Die Unterstützung für eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik ist sowohl in Westdeutschland (58,5 Prozent) als auch in Ostdeutschland (48,7 Prozent) relativ hoch.
  • Schwindender Rückhalt für europäischen Klimaschutz: Für die Befragten haben andere politische Maßnahmen derzeit eine höhere Priorität als der Klimaschutz. Das ist eine Entwicklung, die sich vor allem in den letzten Jahren verstärkt hat. 2025 befürworten nur 24,8 Prozent mehr gemeinsame Ausgaben in diesem Bereich – im Jahr 2022 waren es noch 42,2 Prozent. Die Einstellung zur Klimapolitik ist zudem stark gespalten, der signifikanteste Faktor bleibt dabei die Parteipräferenz.
  • Vorteile der EU-Mitgliedschaft überwiegen; Zweifel am wirtschaftlichen Nutzen: Für die Mehrheit der Befragten überwiegen 2025 die Vorteile der EU-Mitgliedschaft (58,5 Prozent). Dennoch stehen für eine knappe relative Mehrheit der Befragten – rein wirtschaftlich gesehen – die Kosten (47,9 Prozent) über dem Nutzen (46,9 Prozent). Eine Mehrheit (58,6 Prozent) hält zudem den finanziellen Beitrag Deutschlands zur EU für zu hoch. Gleichwohl scheint der seit 2019 anhaltende Abwärtstrend in Bezug auf die Wahrnehmung des wirtschaftlichen und politischen Nutzens sowie der Vorteile der EU-Mitgliedschaft für Deutschland vorerst gestoppt.
Liniendiagramm 2019–2025 zum Anteil der Befragten, die wirtschaftlichen und politischen Nutzen sowie EU-Vorteile überwiegen sehen.

Trends und politische Empfehlungen

  • Europa kooperativ mitgestalten: Die Befragten bewerten den Führungsanspruch der neuen Bundesregierung positiv, plädieren aber deutlich für ein kooperatives Auftreten. Die Bundesregierung sollte deshalb einen entsprechenden Führungsstil in ihrer Europapolitik verfolgen und sich nicht aus nationalem Interesse wegen vermeintlich schneller Lösungen über EU-Recht hinwegsetzen.
  • Europas wirtschaftlichen Nutzen vermitteln: Die Mehrheit der Befragten ist von den Vorteilen und dem politischen Nutzen der EU-Mitgliedschaft überzeugt und wünscht sich, dass Verteidigung, Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit zu Prioritäten deutscher EU-Politik werden. Eine ehrliche Debatte über europäische Lösungen kann verdeutlichen, dass hohe Erwartungen an die EU mit höheren Ausgaben einhergehen. Die neue Bundesregierung sollte aktiv vermitteln, dass Deutschland von der EU-Mitgliedschaft wesentlich stärker profitiert, als es finanziell beiträgt.
  • Europas klima- und sozialpolitisches Versprechen nicht vernachlässigen: Wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit haben für die Befragten hohe Priorität. Diese Ziele können nicht auf Kosten von Klima- und Sozialpolitik erreicht werden. Im Gegenteil: Die Bewältigung der Klimakrise ist der Garant für Wettbewerbsfähigkeit und zentral für Sicherheit und die Resilienz der Demokratie. Soziale Mindeststandards – die z.B. von jüngeren Befragten erwartet werden – sind untrennbar mit der Erfahrung von Sicherheit verbunden. Die Bundesregierung sollte sich in der EU dafür einsetzen, dass der European Green Deal nicht weiter verwässert wird und Investitionen in Sicherheit auch sozial wirksam sind.
  • Europas Versprechen für Stabilität stärken: Im Kontext globaler Unsicherheit erscheint die EU als Ort der Stabilität. Zustimmung zur EU-Mitgliedschaft und der Wunsch nach europäischen Lösungen signalisieren, dass Deutschland die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger besitzt, sich für eine Union einzusetzen, die Grundbedürfnisse adressiert – auch über Verteidigung und Wirtschaftswachstum hinaus. Die neue Bundesregierung sollte finanzielle Verantwortung übernehmen, sodass die EU dieser Aufgabe gerecht werden kann.

Die Studienzusammenfassung als PDF gibt es hier.


1Das Meinungsforschungsunternehmen Civey hat für diese Studie 5.000 Personen im Mai 2025 online befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren. Der Fragebogen der Langzeitstudie wurde u.a. auf Basis von Fokusgruppen konzipiert, die 2019 und 2021 durchgeführt wurden.

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