Heinrich Böll

Heinrich Böll - Heinrich-Böll-Stiftung

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Heinrich Böll ist unser Namensgeber. Er lebte von 1917 bis 1985. Er war ein Bestseller-Autor, wurde und wird in der Schule gelesen, seine Werke sind in zahlreiche Sprachen übersetzt, einige Romane wurden verfilmt. Böll nutzte diese öffentliche Präsenz: Er engagierte sich für Demokratie und Menschenrechte, davon überzeugt, dass "Sprache, Liebe, Gebundenheit den Menschen zum Menschen machen". 
Böll war ein öffentlicher Intellektueller, war Moralist, Kölner, Katholik, Raucher, Menschenfreund und Familienmensch.

Frühe Jahre

Heinrich Bölls frühe Arbeiten hatten die Erfahrungen der Nazi-Zeit, des Krieges und der unmittelbaren Nachkriegszeit zum Gegenstand, wie etwa die Erzählungen und Kurzgeschichten „Der Zug war pünktlich“ oder „Wanderer kommst du nach Spa...“. Im Jahre 1951 erschien der erste Roman: „Wo warst du, Adam?“. Nach 1952 wandte sich Böll den Gegenwartsproblemen der Bundesrepublik zu. 1959 veröffentlichte Böll den Roman „Billard um halb zehn“. In ihm zeigte er die Gegenwart der Bundesrepublik als Fortsetzung und Ergebnis der deutschen Geschichte von der Kaiserzeit bis zur Bonner Republik. Der Roman „Ansichten eines Clowns“ (1963) wurde heftig debattiert. 1971 erschien „Gruppenbild mit Dame“, Bölls bedeutendster Roman. Für große mediale Aufmerksamkeit sorgte „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ (1974), weil er darin, kaum verhüllt, die BILD-Zeitung kritisierte. Fünf Jahre später erschien „Fürsorgliche Belagerung“ (1979) und postum „Frauen vor Flußlandschaft (1985).

Es gibt viele Etikette für Heinrich Böll. Für einige Zeitgenossen war er ein „Moralist“, andere nannten ihn „naiv“, und für Zyniker war er ein „Gutmensch“. Für einige war er der geistige Vater der terroristischen RAF, den Katholiken war er zu links, den Linken war er zu katholisch. Von manchen Literaturkritikern wurde sein Werk als „provinziell“ belächelt, andere sahen es als eine „Chronik der Bonner Republik“, und wieder andere lobten die Formenvielfalt seiner Romane. Einige mochten seine „Bescheidenheit“, anderen fehlte das repräsentative Pathos in seinem öffentlichen Auftreten. Im Ausland galt er als der „andere Deutsche“, der mit seiner Literatur die neue Bundesrepublik repräsentierte; in der bundesdeutschen konservativen Presse galt er dagegen als „Nestbeschmutzer“, weil er Haltung zeigte und öffentlich auf Missstände aufmerksam machte. 
Er hat sich zeitlebens gegen diese Etikettierungen und Vereinnahmungen gewehrt.

Schriftsteller und politischer Intellektueller

Ein Schriftsteller zu sein und sich gleichzeitig auch politisch zu engagieren – das war für Heinrich Böll untrennbar miteinander verbunden. Die Zahl der von ihm verfassten Appelle, Bittgesuche, Resolutionen etc. geht in die Hunderte. Sehr oft ging es dabei um prominente Dissidenten oder verfolgte Autoren, doch häufig auch um die Schicksale unbekannter Frauen und Männer. In seiner Rede „Poesie des Tuns“ von 1984 wies Heinrich Böll darauf hin, dass das griechische Wort, von dem das Wort Poesie stammt, sehr viele Bedeutungen hat und nur eine davon heiße: dichten und erdichten. Die wichtigsten Bedeutungen, so erläuterte er, „haben mit Machen zu tun“. 
Bölls Worte bezogen sich auf den Aktivisten Rupert Neudeck, der gemeinsam mit Heinrich Böll das Projekt „Ein Schiff für Vietnam“ initiierte, um vietnamesische Flüchtlinge aus dem Südchinesischen Meer zu retten. Heinrich Böll appellierte in der erwähnten Rede auch an die Empathie der Menschen, die in seinen Augen eine „ungeheure Kraft, eine große Energie und eine schöpferische Phantasie“ besitzen, die man der Gleichgültigkeit, der Resignation, dem Zynismus und der Apathie entgegensetzen sollte.

Heinrich Böll setzte sich für Menschenrechte ein

Heinrich Böll, schwarz-weiß-Foto

Böll ging gegen Unfreiheit in Ost und West gleichermaßen vor. Er protestierte gegen Zensur, Unterdrückung und Verfolgung sowohl in Osteuropa, in Griechenland und Portugal zur Zeiten der Militärdiktatur, als auch in den Diktaturen Südamerikas. Diese „Internationalität“ war mit Grund für seine Wahl zum Präsidenten des Internationalen PEN im Jahre 1971, die er – und das war ein Novum - mit den Stimmen aus einigen Ostblockländern gewann. Seine Arbeit für die PEN-Organisation Writers in Prison war eines der herausragenden Projekte seiner Amtsperiode, in der er sich nicht nur für die Schriftsteller, sondern auch für die Familien einsetzte, die in ihren Ländern Zensur oder Verfolgung ausgesetzt waren. Dort, wo Publizität den Verfolgten nutzte, setzte Böll seine Bekanntheit in den Medien ein, gab Interviews, schrieb offene Briefe und Appelle. Viele seiner Aktivitäten fanden unbemerkt von der Öffentlichkeit statt.

Heinrich Böll hatte eine kritische Haltung zum Wirtschaftswachstum

Heinrich Böll hat sich zu den Themen der Verschwendung natürlicher Ressourcen wie Wasser, Luft, Erde bis hin zu Lebensmitteln wie Brot geäußert. In fast allen Erzählungen und Hörspielen Bölls aus den 1950er Jahren finden sich ironische Anspielungen auf Erscheinungsformen des „Wirtschaftswunders“. Vor allem in seinen Satiren kontrastiert er die Widersprüche und Wertvorstellungen auf absurde und übertriebene Weise. Die „Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral“ beschreibt beispielsweise den (scheiternden) Versuch eines Touristen in einem Fischerort, den dort am Hafen dösenden Fischer zu mehr Effizienz zu überreden. „Der Wegwerfer“ ist eine Satire auf Gratis-Prospekte und Verpackungsmüll von 1957, heute vielleicht aktueller denn je. 
Böll sah mit Sorge, dass Besitz, Wohlstand und Macht sich zu ideologiebesetzten Werten verselbstständigen, die zukünftig das öffentliche Leben bestimmen sollten; sie wurden für ihn immer wieder Gegenstand scharfer Kritik. Er misstraute der Wachstumsideologie und beschrieb die Gesellschaft als „eine Verschwendungsgesellschaft, die Verschwendung als Wachstum ausgibt“. In Interviews äußerte er seinen Unmut, sich selbst als „Erste Welt“ zu verstehen und in arroganter Weise andere Staaten „Dritte Welt“ zu nennen.

Heinrich Böll ist Namensgeber unserer Stiftung

Heinrich Böll hat Mut gemacht. „Einmischung ist die einzige Möglichkeit, realistisch zu bleiben“ – dieses Zitat Heinrich Bölls passt auch zu unserem Selbstverständnis als Ideen- und Impulsgeberin. Heinrich Böll hat die neugegründete Partei „Die Grünen“ zusammen mit seiner Frau Annemarie bei der Europawahl 1979 unterstützt, ebenso bei der Bundestagswahl 1983. Nach Bölls Tod im Jahr 1985 war die Familie aufgeschlossen gegenüber der Idee einer grünnahen „Heinrich-Böll-Stiftung“.

Heinrich Böll war kein Politiker und kein Diplomat – er war Heinrich Böll. Sein Eigensinn und seine Unabhängigkeit waren seine Stärken. Er war nur der eigenen Freiheit seines Gewissens verpflichtet, und genau das machte seinen politisch-moralischen Rang aus. Sein Werk und sein Engagement gehören zusammen. Heinrich Böll war ein Künstler und Intellektueller, der in seinen Texten gegenwärtiger ist, als mancher glauben mag.
 

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