Die Assoziation GOLOS hat eine groß angelegte Beobachtung der Wahlen des Präsidenten der Russischen Föderation durchgeführt.
Die Assoziation GOLOS hat am Wahltag und bei der Stimmenauszählung mit Hilfe ihrer Website „Karta naruschenij“ („Karte der Wahlrechtsverstöße“), des neuen Instruments „sms-ZIK“ [dt. in etwa: „Zentrale Wahlkommission per sms“], mit dem die Angaben aus den Wahlprotokollen per sms gesammelt wurden, und mit Hilfe von Berichten der Korrespondenten über die Einhaltung der Wahlprozeduren eine Wahlbeobachtung durchgeführt.
Die Korrespondenten der Zeitung „Grashdanskij golos“ waren in 45 Städten Russlands tätig. Die Gesamtzahl der Korrespondententeams (die meisten Korrespondenten arbeiteten zu zweit) betrug 1218, die Zahl der von ihnen besuchten Wahllokale rund 6400.
Die wichtigsten Schlussfolgerungen:
Die Wahl des Präsidenten der Russischen Föderation fand unter dem Zeichen erhöhter gesellschaftlicher Aktivität statt. Nach den Wahlen zur Staatsduma vom 4. Dezember 2011 hat es im ganzen Land eine Welle von Massenprotesten gegeben, bei denen die Bürger ihr Misstrauen gegenüber den Wahlergebnissen zum Ausdruck brachten, die Wahlen für ungültig erklärt sehen wollten, eine Liberalisierung der Parteien- und Wahlgesetzgebung forderten und vielfach ihre Ablehnung der Staatsführung zum Ausdruck brachten. Die erste Reaktion der Regierung bestand in unsystematischen, wenn auch radikalen Vorschlägen zur Änderung der Vorschriften für die Registrierung von Parteien (Absenkung der Mindestmitgliederzahl von 45.000 auf ganze 500), zur Wiedereinführung der Gouverneurswahlen und zur Reformierung des Dumawahlsystems. Darüber hinaus sollte die Gesellschaft mit einer Neuerung beruhigt werden, der Aufstellung von Webcams in den Wahllokalen am Wahltag.
Die Wahlkampagne wies dennoch in der Zeit bis zum eigentlichen Wahltag die für russische Wahlen üblichen Mängel auf, einen umfangreichen Einsatz administrativer Ressourcen zur Unterstützung des Machthabers und für eine massive und in einigen Fällen gesetzeswidrige Wahlwerbung mit Hilfe der zentralen Medien. Bei diesen Wahlen war ein wenig mehr Wettbewerb gegeben, als bei vorhergegangenen Wahlen, was jedoch nicht dazu ausreichte, dass bei den Wahlen das Spektrum gesellschaftlicher Interessen vollständig repräsentiert war. Mit dem heranrückenden Wahltag nahm der Wahlkampf Wladimir Putins immer aggressivere Formen an, die sich in einigen Fällen durch den Einsatz von Druckmitteln gegen unabhängige Medien und Nichtregierungsorganisationen zeigten.
Im Vorfeld des Wahltages sind Bürger verbreitet zur Einholung von Wahlscheinen (otkrepitelnyj talon) genötigt worden. Verbreitet war auch, dass Bürger zur Stimmabgabe in Wahllokalen an ihrem Arbeitsplatz genötigt wurden.
Am Wahltag sind recht viele Verstöße festgestellt worden, die in ihrem Umfang mit den Verstößen am Tag der Dumawahl vergleichbar sind. Es ist jedoch festzuhalten, dass die Zahl der offenen Wahlfälschungen während der Stimmabgabe und wohl auch die Zahl der Wahlbeobachter, die aus Wahllokalen verwiesen wurden, zurückgegangen sind. Andererseits ist in vielen Fällen eine massenhafte Stimmabgabe mit Hilfe von Wahlscheinen festgestellt worden.
Die Präsidentschaftswahl 2012 lässt sich insgesamt, wenn man das vergangene Jahrzehnt als Maßstab nimmt, als gewöhnliche russische Wahl einstufen: Es war kein ausreichender Wettbewerb gegeben, es gab eine staatliche Einmischung in den Wahlprozess und einen gewissen Grad an Nötigung zur Stimmabgabe. Solche Wahlen können nicht frei und fair im Sinne der russischen Verfassung und der internationalen Wahlstandards bezeichnet werden.