Angélica Lozano Correa: „Wir sind gekommen, um zu bleiben“

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Unsere Interviewpartnerin Angélica Lozano Correa, Grüne Partei Kolumbien, Foto: hbs (ta)

 

21. Juni 2010
Interview mit Angélica Lozano vom "Partido Verde" in Kolumbien. Angelica Lozano war Mitglied des Wahlkampfstabes und Kandidatin für das Repräsentantenhaus. Lozano twittert und ist auf Facebook vertreten.

Angélica, danke, dass du dir die Zeit nimmst, um gleich nach der Bekanntgabe der Ergebnisse auf unsere Fragen zu antworten. Und herzlichen Glückwunsch zum großen Erfolg der grünen Partei. Auch wenn die große Mehrheit der Wähler für die Regierungspartei und ihren Kandidaten Santos gestimmt hat, muss man die 27,5%, die die Grüne Partei gewinnen konnte, als großen Erfolg werten.

Angélica Lozano, Grüne Partei Kolumbien:
Ja, wir haben Erfolg gehabt. Es ist gut gelaufen, wir haben unseren Stimmanteil auf 27,5% erhöhen können, ohne Allianzen. Die Antrittsrede von Antanas war wunderbar, die Leute sind sehr motiviert und guter Dinge. Wir feiern unsere “Geburt auf hohem Niveau” und das Ergebnis zeigt vor allem eines: Wir sind gekommen, um zu bleiben.


Die Wahlkampagne der Grünen Partei war in zweierlei Hinsicht besonders und überraschend: erstens weil die Partei kurz zuvor neu gegründet wurde, so dass sie sich eigentlich erst während der Kampagne als Partei zu konsolidieren begann, und zweitens, weil sie einen unerwarteten Erfolg erreichte. Bis heute ist die Partei durch eine enge Fokussierung auf die Figur des Kandidaten und seine Themen charakterisiert. Nun beginnt die harte Arbeit als Opposition, die Stärke und Einheit von der jungen Partei verlangt. Welche Schritte müssen unternommen werden, damit die Partei sich konsolidiert und gestärkt wird?

Lozano:
Die Partei wird – nach der Abhaltung von lokalen Kongressen und Versammlung – einen nationalen Parteitag durchführen, der die Etablierung einer Organisations- und Leitungsstruktur über die anerkannten nationalen Führungspersonen hinaus zum Ziel hat. Im Oktober 2011 finden Kommunalwahlen in Kolumbien statt, weshalb dieser Organisationsprozess auf regionaler Ebene auch der Rahmen für die Auswahl und Ausbildung von lokalen Führungspersonen als Kandidat_innen für die unterschiedlichen Ämter sein wird (Gemeinderäte, Bürgermeisterämter, Provinzversammlungen, Gouverneursämter). Und auch von Schulen für die Stärkung der Bürgerkultur und des notwendigen Wissens, die die Bürger_innen für die Partizipation in der Politik und der Partei qualifizieren sollen.


Welche Ziele, welche Erwartungen habt Ihr für diesen nationalen Parteitag?

Lozano:
Wir möchten den ideologischen, programmatischen, praktischen und politischen Rahmen beschließen, auf dem der Wahlkampf für die Kommunalwahlen 2011 basieren soll.


Wird das Bündnis Mockus – Fajardo fortbestehen?

Lozano: Ende Juli wird ein Parteitag des „Bürgerschaftlichen Engagements (Compromiso Ciudadano)“ stattfinden, einer von Sergio Fajardo geführten Bewegung, auf der mit großem Nachdruck der Antrag zum aktiven Beitritt zur Grünen Partei eingebracht werden wird. Dieser würde dann formell im August bei dem ersten großen Programmkongress der Partei bekannt gegeben.


Die grüne Bewegung kämpft für eine gerechte und alle Menschen einschließende Gesellschaft, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht oder sozialem Status. Was können Frauen von der kolumbianischen Grünen Partei erwarten? Wie wird die Partei die Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen fördern?

Lozano: Die Grüne Partei vertritt die Idee der Chancengleichheit und ist der Einbeziehung und der politischen Vertretung der Frauen verpflichtet. Dafür wird sie die Vorgaben der neuen politischen Reform von 2009 umsetzen, die eine Frauenquote für die Wahllisten für die örtlichen Körperschaften und innerhalb der Parteien vorsieht. Über diese gesetzliche Regelung hinaus wird sie Verfahren einführen, um die Machtausübung durch Frauen in der Partei, den öffentlichen Körperschaften und bei öffentlichen Funktionen Realität werden zu lassen.


Wie ist die Position der kolumbianischen Grünen Partei in der Frage der Integration und der Rechte der Lesben und Schwulen?

Lozano: Sie wird im Kongress die Regelung und die Anerkennung der Rechte fordern, die in unserem Rechtssystem noch nicht existieren, wie die Adoption von Kindern und die Eheschließung. In Kolumbien sind Homosexuelle u.a. im Erbrecht und in der sozialen Sicherung bereits gleichgestellt.


Und welches werden die drei wichtigsten Themen sein, zu der die Partei aus der Opposition heraus Einfluss nehmen will?

Lozano: Im Hinblick auf das nationale Szenario stehen im Zentrum der grünen Agenda – gleichzeitig das große Defizit von Uribes und Santos’ Agenda – die Themen der Korruption und Transparenz und die Stärkung der Justiz und der Institutionen. Die Opposition der Grünen Partei wird bei diesen Themen zu spüren sein, weil sie eine der großen Lücken der scheidenden Regierung, ein Versprechen der künftigen und die Stärke der Grünen Partei sind. Sowohl wegen ihrer Vorgeschichte in den lokalen Regierungen in Medellín und Bogotá als auch wegen der programmatischen Aussagen während der Präsidentschaftskampagne. Die drei wichtigsten Themen lauten:

1. tiefer Respekt gegenüber dem Leben, angesichts der Gewalt und der Bedrohung der Menschenrechte
2. die öffentlichen Finanzen sind heilig, also Kampf gegen Korruption
3. der Kampf gegen jedwede Form von Illegalität, was einen kulturellen Wandel notwendig macht


Im Oktober nächsten Jahres finden die Kommunalwahlen statt. Es bleibt nur ein Jahr, um die Partei zu konsolidieren und programmatisch zu entwickeln. Die Grüne Partei wird um das Bürgermeisteramt in Bogotá kämpfen, aber sie will viel mehr Kommunen gewinnen.

Lozano: Wir möchten lokale Führungspersönlichkeiten und soziale Prozesse in Gemeindeparlamenten und Provinzversammlungen konsolidieren.


Was wird die Partei tun, um Stimmen der ländlichen Bevölkerung im ganzen Land zu gewinnen?

Lozano: Den Diskurs auf eine operative, greifbare Ebene bringen, da er für viele städtisch, ja postmodern klang. Ihn für Bäuerinnen und Bauern verständlich machen, die in kommunalen Kontexten agieren, in denen der Status Quo der Macht in Frage gestellt wird. Wir werden auf lokaler Ebene die Formen der Illegalität, den mangelnden Schutz der Umwelt und der öffentlichen Ressourcen aufzeigen.


Für diese zweite Wahlrunde hat der Polo Democrático seine Kooperation angeboten, die Bildung eines Bündnisses. Doch die Grüne Partei lehnte ab. Ist dies das letzte Wort oder werden sich neue Gelegenheiten der Zusammenarbeit mit der Linken aus der Opposition heraus öffnen?

Lozano: Die Grüne Partei wird einen offenen Dialog mit all jenen führen, die die für Kolumbien lebenswichtige Prinzipien der Partei teilen. Auf der Ebene des Kongresses und auf regionaler Ebene ist es  – angesichts einer 70%-Mehrheit der Regierungskoalition – wahrscheinlich, dass wir in einigen Fragen mit anderen politischen Minderheiten, wie dem Polo oder der Sozialen und Indigenen Allianz übereinstimmen werden. Auf lokaler Ebene könnten wir programmatische Übereinstimmungen haben und uns eventuell gegenseitig bei der Wahl von Bürgermeister_innen und Gouverneur_innen unterstützen. Bei den Gemeindeparlamenten und den Provinzversammlungen werden beide linken Parteien (Polo Democrático und Grüne) um eigene Repräsentationsanteile kämpfen, da wir nur dadurch unser eigenes Profil verdeutlichen können.

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Das Interview führte Ana Kemlein, Heinrich-Böll-Stiftung

 
 
 

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