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Bloggen in Äthiopien: Einblicke in die kleinste Blogosphäre der Welt

v.l.n.r.: Arefaynie, Markos Lemma, Abel Asrat 

31. Oktober 2011
John F. Nebel
Äthiopien hat vermutlich die kleinste Blogosphäre auf dem afrikanischen Kontinent: gut 20 Blogs buhlen um die Gunst der Leserinnen und Leser. Sie bieten eine alternative Informationsquelle zu den vom Staat an der kurzen Leine gehaltenen Print- und Rundfunkmedien.

Kaum Zugang zum Netz

Die Ausgangssituation für Blogs ist nicht einfach. Äthiopien ist eines der Länder mit der geringsten Internetdurchdringung weltweit. Von den etwa 90 Millionen Einwohnern des Landes haben nur knapp 500.000 einen regelmäßigen Zugang zum Internet, das entspricht etwa 0,5 Prozent der Bevölkerung. Der Durchschnitt auf dem gesamten Kontinent beträgt 11,5 Prozent. 

Doch es gibt eine Besonderheit bei der Nutzung des Netzes in Äthiopien: wer einmal im Netz ist, der nutzt dann auch Facebook. In fast keinem Land kann das Social Network, prozentual soviele der Onliner begeistern wie in Äthiopien. Fast 80% der äthiopischen Onliner sind auch Mitglied bei Facebook. Auch das dürfte ein Rekord sein. 

Dabei gestaltet sich die Internetnutzung in Äthiopien schwierig: nur in größeren Städten gibt es Internet und die Geschwindigkeit erinnert an das alte 28K Modem der Neunziger Jahre. Videoschauen, Videotelefonie, größere Downloads oder Filesharing sind praktisch nicht möglich. Viele Menschen nutzen darüber hinaus das Internet in teuren Internetkaffees oder in den Hotspots von Hotels, Gaststätten oder Universitäten. Nur, wer Geld hat, kann auch ins Netz. 

Hinzu kommt, dass der Ausbau des mobilen Internets nur schleppend vorankommt. Dieser ist in anderen Ländern ein Treiber für die Internetnutzung, da große Bevölkerungsteile über ein Handy verfügen. Weil sich die Situation des Internets nicht verbessert, haben sich sogar schon Facebook-Gruppen gegen den Staatsmonopolisten Ethio Telekom gebildet, schreibt das Blog Eweket in einem vielbeachteten Artikel.

Gebloggt wird auf englisch

Die äthiopische Blogosphäre ist überschaubar. Gut 20 Blogs sind aus dem Land bekannt, die meisten sind englischsprachig. Auch wenn es beständig mehr werden, ist das nicht viel für ein Land mit 90 Millionen Einwohnern.

Der Blogger Abel Asrat sieht kulturelle Gründe für die die geringe Anzahl von Blogs im Land: „Viele Menschen wollen lieber Entertainment als Information, wenn sie ins Internet gehen. Das ist jedenfalls mein Eindruck, wenn ich mich in meinem Freundeskreis umsehe.“

Markos Lemma, der das tech-orientierte Blog Eweket betreibt, macht die hohe Facebooknutzung für die kleine Blogosphäre verantwortlich. Darüber hinaus würden nur wenige Leute wissen, was ein Blog ist und deshalb auch keine Blogs lesen. Auf Seite der Produzierenden sieht er auch ökonomische Gründe: „Es kostet Zeit zu Schreiben und zu Recherchieren, die die Menschen in ihrer Freizeit einsetzen müssen. Ohne etwas zurück zu bekommen.“

Arefaynie, der mit dem „Addis Journal“ wohl erfolgreichste äthiopische Blogger, macht darüber hinaus den teuren Zugang zum Netz verantwortlich. Außerdem würde auch der Fakt, dass alle äthiopischen Blogs auf Englisch seien, Menschen vom Lesen abhalten. Vielleicht brauche es Blogs in der Amtsprache Amharisch.

Kleine Szene, gut vernetzt

Alle drei Blogger heben hervor, dass die Szene zwar klein sei, aber dafür sehr gut vernetzt. Das Wachstum der Blogosphäre sei langsam, aber doch beständig. Es fehle außerdem das „Momentum“, dass Menschen in Blogs alternative Informationen suchen würden, so Arefaynie weiter. Dies könne sich je nach politischer Lage aber ändern.

Bewundernd bis neidvoll blickt man hingegen nach Ägypten oder Nigeria, in denen es eine lebhafte Blogosphäre mit zigtausenden Blogs und Onlinepublikationen gibt. Übereinstimmend sagen die Blogger, dass Äthiopien ein schwieriges Terrain sei, wenn es darum geht, Kommentare und Feedback zu bekommen. „Die Leute sind fast immer zustimmend und bringen selten eine konträre Meinung in den Kommentaren, wenn sie überhaupt kommentieren“ schildert Abel seine Erfahrung.

Auch die klassischen Medien würden Blogs kaum wahrnehmen, sich aber manchmal bei den Themen und Fotos aus den Blogs bedienen, bedauert Arefaynie. Aufmerksam wären die Medien nur auf Bloggerin Sara geworden. Sie schreibt mittlerweile auch für das ZOMA-Magazin. Generell würden Journalisten, den Bloggern vorwerfen, nicht nach journalistischen Richtlinien zu arbeiten. Ein Argument, das auch hierzulande immer wieder hervorgebracht wurde.

Zurückhaltend bis sehr kritisch werden hingegen die Blogger/innen aus der äthiopischen Diaspora wahrgenommen. Hier würden oftmals nur Nachrichten aus den Medien wiedergekäut, keine originären Artikel geschrieben und alles aus der Perspektive der neuen Heimatländer beschrieben. Darüber hinaus würde die Diaspora die Blogger aus Äthiopien selbst nicht beachten oder als systemtreu bezeichnen. 

"Bloggen ist ein gefährliches Geschäft"

„Wir haben dagegen eine Sichtweise, die direkt aus dem Land kommt“ sagt Arefaynie. Die Leute würden außerdem vergessen, dass Medien in Äthiopien einer strikten Kontrolle unterlägen und die Bloggerinnen und Blogger mit ihren Artikeln viel riskierten. „Blogging is a risky business“ sagt folglich auch Abel, dessen Blog sich mit politischen und sozialen Themen befasst. Er habe manchmal Angst. Eine Erfahrung, die die anderen Blogger teilen. Über manche Themen würde man deswegen einfach nicht schreiben, sagt Arefaynie. „Ich habe es da etwas einfacher, da ich über Kultur und gesellschaftliche Events blogge“ so Arefaynie weiter.

Dabei sei es nicht nur die Regierung, die auf Kritik stark reagiere. Auch Privatpersonen oder religiöse Institutionen könnten Blogger und Journalisten im Falle von Kritik bedrohen. Dennoch lassen sich die äthiopischen Blogger von dieser Situation nicht abhalten. 

Ganz im Gegenteil stellen sie fest, dass Blogs und Social Networks in ihrem Land in Zukunft immer wichtiger werden und gehen davon aus, dass es schon bald 100 Blogs geben wird. Markos Lemma wünscht sich für diese Zukunft, dass die Kultur des Bloggens aufblüht und die kleine Blogosphäre Äthiopiens auch Aufmerksamkeit von internationalen Bloggern und Medien bekommt. „Wir wollen nicht länger unsichtbar bleiben“ sagt Arefaynie - und muss zum nächsten Termin über den er bloggen will.

Der knapp einstündige Podcast mit den drei Bloggern, auf dessen Grundlage dieser Artikel entstand, ist bei Netzpolitik.org zu hören. 

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