Doppelte Öffnung oder ewige Opposition - Die strategischen Koalitionsoptionen der Grünen im Fünf-Parteien-System

30. September 2008
Christoph Egle

Von Christoph Egle

» Die vollständige Version (PDF, 14 Seiten, ohne Abbildungen) können Sie hier herunterladen.

Die Rolle der Grünen in einem sich wandelnden Parteiensystem*

Mit dem Ergebnis der Bundestagswahl 2005 manifestierte sich ein deut-licher Wandel des deutschen Parteiensystems. Die Schwäche der Volksparteien und das gleichzeitig starke Abschneiden der Linkspartei riefen gleich drei nennenswerte Veränderungen hervor. Durch die ge-stiegene Anzahl der im Parlament in relevanter Größe vertretenen Par-teien nahm erstens die Fragmentierung des Parteiensystems zu, durch das Erstarken einer (linken) Flügelpartei zweitens dessen Polarisierung und schließlich wurde drittens die bisherige koalitionspolitische Segmen-tierung in die beiden Lager Schwarz-Gelb vs. Rot-Grün in Frage gestellt. Unklar ist, wie sich diese Veränderungen mittelfristig auf die Regie-rungsbildung auswirken. Unmittelbar nach der Wahl ließ sich von den rechnerisch möglichen Koalitionen nur eine einzige Konstellation politisch realisieren – die Große Koalition. Es ist jedoch anzunehmen, dass in Zukunft mehrere Koalitionsmöglichkeiten nicht nur arithmetisch, sondern auch politisch denkbar werden. Zwar kann die Frage, ob die Bun-destagswahl 2005 tatsächlich eine „critical election“ im Sinne Keys (1955) war, d.h. zu einer dauerhaften Veränderung der Machtverteilung zwischen den Parteien führt, erst in einigen Jahren endgültig beantwortet werden. Es spricht aber einiges dafür, dass die Antwort ein „ja“ sein wird.

Vor diesem Hintergrund und dem Faktum eines zweifach negativen Votums der Wähler – einer Abwahl von Rot-Grün bei einer gleichzeitigen Absage an Schwarz-Gelb – erstaunt es nicht, dass die Parteien seit 2005 zwischen Hilflosigkeit und strategischer Neuorientierung oszillieren. Dies wurde nicht zuletzt nach den beiden Landtagswahlen des Jahres 2008 in Hessen und Hamburg deutlich. Die Bildung der ersten schwarz-grünen Koalition in Hamburg ist ein erstes innovatives Ergebnis dieses Suchprozesses, während der in Hessen zumindest im ersten Anlauf gescheiterte Versuch der Bildung einer von der Linkspartei unterstützten rot-grünen Minderheitsregierung deutlich macht, dass solche Suchprozesse auch risikoreich sind. Die Erfahrungen dieser beiden Landtagswahlen lassen außerdem vermuten, dass die Regierungsbildung nach der nächsten Bundestagswahl nicht ausschließlich vom Wahlergebnis bestimmt werden wird, sondern von der koalitionspolitischen Flexibilität der Parteien. Somit ziehen in der Bundesrepublik perspektivisch „niederländische Verhältnisse“ ein. Dort sind auf Grund der noch stärkeren Fragmentierung des Parteiensystems die Beziehungen zwischen den Parteien schon länger mindestens so wichtig für die Regierungsbildung wie die Stimmenverteilung, mit der Konsequenz, dass die Wähler kaum direkten Einfluss darauf nehmen können, von welchen Parteien sie nach der Wahl regiert werden. Eine demokratietheoretisch ideale Situation ist das nicht.

Gleichwohl müssen sich nun auch die deutschen Parteien auf eine sol-che Situation einstellen und werden daher neue Koalitionsoptionen entwickeln. Der folgende Beitrag beschränkt sich diesbezüglich auf die strategischen Optionen der Grünen. Diese stellen zwar die kleinste Fraktion im Deutschen Bundestag, sie wären aber bei den meisten derzeit als Alternative zur Großen Koalition diskutierten Regierungskonstellationen beteiligt. Bei einer zu erwartenden Neuordnung der Koalitionskonstellationen spielen die Grünen also eine entscheidende Rolle.

Welche Koalitionsoptionen können die Grünen in Zukunft wahrnehmen, und mit welchen politischen Implikationen sind diese Optionen jeweils verbunden? Aufbauend auf politikwissenschaftlichen Koalitionstheorien wird in diesem Beitrag die These entwickelt, dass die Grünen nur mit einer Strategie der doppelten Öffnung – d.h. einer Koalitionsbereitschaft gegenüber den Unionsparteien und der Linkspartei – sowohl ihre Chancen auf künftige Regierungsbeteiligungen wahren als auch innerparteiliche Konflikte im Zaum halten können. (... zur vollständigen Version (PDF).

* Mit der freundlichen Genehmigung der Zeitschrift "Vorgänge", in der der vollständige Artikel ebenfalls erscheint.

Christoph Egle ist wissenschaftlicher Assistent am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München.