Václav Havel: „Wahrheit und Liebe müssen siegen über Lügen und Hass“

Václav Havel, 17. November 2008.
Bild: Martin Kozák. Original: Wikimedia Commons.

20. Dezember 2011
Ralf Fücks, Milan Horáček, Eva van de Rakt
Am 18. Dezember starb der ehemalige tschechoslowakische und tschechische Staatspräsident Václav Havel im Alter von 75 Jahren. Václav Havel war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten unserer Zeit. Wir trauern um einen Menschen, der für uns ein großes Vorbild war und bleibt.

„Wahrheit und Liebe müssen siegen über Lügen und Hass“ – das ist eine der bekanntesten Botschaften Václav Havels. Als Dissident, Bürgerrechtler, Politiker, Schriftsteller und Dramaturg stand er für Wahrhaftigkeit, Mut, Bescheidenheit, Menschlichkeit und für die Integrität der Sprache. Seine moralische Autorität reichte weit über Tschechien hinaus. Václav Havel hat Geschichte gemacht. Er war einer der ersten drei Sprecher der Charta 77 und 1989 das Gesicht der „Samtenen Revolution“. Als Staatspräsident setzte er sich für die Westintegration seines Landes ein und trug wesentlich zur deutsch-tschechischen Verständigung und zur Einigung Europas bei.

Für die Heinrich-Böll-Stiftung war die Zusammenarbeit mit ihm eine Ehre. Der ehemalige Leiter des Prager Büros der Stiftung, Milan Horáček, gehörte Anfang der 1990er Jahre zum Beraterkreis Havels und begleitete ihn während seiner ersten Deutschlandreise. Jeder, der damals mit ihm zusammentraf, war beeindruckt, gerade weil ihm jedes Imponiergehabe fremd war.

Seine Unterstützung der grünen Bewegung und seine Teilnahme an Veranstaltungen der Heinrich-Böll-Stiftung waren eine große Ermutigung. Im Herbst 2010 fand ein Teil der Heinrich Böll-Tage zum Thema „Kunst und Gesellschaft“ unter der Schirmherrschaft Havels im Kulturzentrum „Prague Crossroads“ statt – ein Zentrum internationaler Begegnungen, das von der Stiftung Václav und Dagmar Havels „Nadace VIZE 97“ ins Leben gerufen wurde. Es gehörte zu seinen herausragenden Stärken, Menschen unterschiedlicher Provenienz zusammenzubringen und den internationalen Austausch zwischen Künstlern, Politikern und Intellektuellen zu fördern.

Auch nach seiner Präsidentschaft blieb Havel ein engagierter, hellsichtiger Begleiter der tschechischen und europäischen Angelegenheiten. Sein letzter öffentlicher Kommentar galt den Protesten gegen die Wahlfälschungen in Russland. In einem Interview für „Nowaja Gaseta“ sagte er: „Es ist notwendig, die Bürger Russlands davon zu überzeugen, dass das Regime, von dem behauptet wird, es sei demokratisch, in Wirklichkeit keine Demokratie ist. Wir können nicht von Demokratie sprechen, wenn die Macht die Würde der Bürger verletzt, Gerichte und Medien kontrolliert und Wahlergebnisse manipuliert.“ Der russischen Opposition riet er, an Mitbürger zu appellieren, die durch persönliche Erfahrungen im Westen gesehen haben, dass demokratische Freiheiten funktionieren und sie dazu aufzurufen, die Entwicklung einer Zivilgesellschaft im Land zu unterstützen.

In dieser Ermutigung spiegelt sich ein Motiv wider, das Havel sein ganzes Leben beschäftigte und ihm Hoffnung auf eine Wende zum Besseren gab. In seinen Worten: „Die Macht der Machtlosen“.

Uns wird die Stimme des Visionärs Václav Havel sehr fehlen.

  • Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung
  • Milan Horáček, ehemaliger Büroleiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Prag
  • Eva van de Rakt, Büroleiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Prag 
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