Konferenz: Transnationale organisierte Kriminalität im 21. Jahrhundert

6. Juni 2011
Barbara Unmüßig
Von Barbara Unmüßig

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, Dear Guests from all over the world,

ich freue mich, Sie zum Auftakt unserer Konferenz „Grenzenlos illegal – Transnationale Organisierte Kriminalität und die Zukunft einer demokratischen Welt“ hier in der Heinrich-Böll-Stiftung zu begrüßen!

Wie Transnationale Organisierte Kriminalität funktioniert, wie sie mit der legalen Wirtschaft verflochten ist, wie sie staatliche Institutionen herausfordert und demokratische Strukturen unterminieren kann, wie sie immer brutaler und gewalttätiger ihre Auseinandersetzungen um die Kontrolle der Märkte und Routen führt, das wollen wir in den nächsten Tagen diskutieren. Es ist das erste Mal, dass wir uns in der Heinrich-Böll-Stiftung mit diesem Thema in all den genannten Dimensionen auseinandersetzen. Es ist für uns also eine Premiere.

Warum nehmen wir uns dieses Themas an?

  1. Wir wollen das Problem Transnationale Organisierte Kriminalität verstehen. Wie funktioniert sie? Wie sehen die Wechselwirkungen internationaler Kriminalisierungsprozesse mit legalen ökonomischen Prozessen, und wie die Wechselwirkungen zwischen Transnationaler Organisierter Kriminalität und den politischen Ordnungen aus?
  2. Wir wollen Transnationale Organisierte Kriminalität endlich ins öffentliche Bewusstsein und auf die politische Agenda bringen.

Ausgangspunkt für die Idee zu einer Konferenz war meine letzte Reise nach Mexiko. Dort kann sich niemand mehr den tödlichen Tatsachen der Organisierten Kriminalität entziehen. Sie ist für mehr Tote als der Krieg in Afghanistan verantwortlich. Das Thema ist allgegenwärtig. So hat auch unser Büro in Mexiko längst begonnen, darüber nachzudenken, welchen Beitrag wir leisten können, dieser großen Herausforderung für die Gesellschaft zu begegnen, für mehr öffentliche Sicherheit und Menschenrechte. Wir werden in den nächsten beiden Tagen auch viel über die Situation in Mexiko erfahren und diskutieren, aber eben nicht ausschließlich.

Mit der weiteren Beschäftigung mit der Rolle Organisierter Kriminalität wurde schnell klar: Organisierte Kriminalität ist weder ein mexikanisches oder italienisches Thema, noch ein neues Phänomen. Im Kampf um territoriale und wirtschaftliche Einflusssphären verlieren jährlich tausende Menschen ihr Leben. Ob im Menschen-, Drogen- oder Waffenhandel: Gewalt ist an der Tagesordnung, Menschenrechte werden mit Füßen getreten. Organisierte Kriminalität ist überall und längst ist sie auch in Deutschland angekommen. Transnationale Organisierte Kriminalität ist ein globales Phänomen und definitiv eine der Schattenseiten des Globalisierungsprozesses. Zwar sind offene Grenzen, wie sie die Europäische Union kennt, eine politische Errungenschaft und die Freizügigkeit von Personen, Waren und Dienstleistungen soll hier nicht geschmälert werden. Während es für Menschen nach wie vor massive politische Barrieren und Hürden gibt: Kaum ein Markt ist freier als der illegale.

Was bedeutet diese transnationale Dimension Organisierter Kriminalität?

Wie wirkt sich Transnationale Organisierte Kriminalität auf Menschen und ihre Rechte, auf die Wirtschaft, auf menschliche Sicherheit und staatliche Institutionen aus? Mit der Konferenz „Grenzenlos illegal – Transnationale Organisierte Kriminalität und die Zukunft einer demokratischen Welt“ stellen wir Fragen zu den globalen Zusammenhängen und Auswirkungen und richten dabei den Blick auf einige Regionen der Welt, in denen Transnationale Organisierte Kriminalität bereits massiv das gesellschaftliche Leben und die Sicherheit der Menschen beeinträchtigt, sowie Wirtschaft und Politik beeinflusst. Oder schärfer: bereits infiltriert und zersetzt.

Ich möchte deshalb und nochmals ganz herzlich unsere Gäste aus Mexiko und Brasilien, Nigeria und Afghanistan, Indien und Russland, den USA, der Schweiz und hier aus Deutschland, herzlich willkommen heißen. Wir freuen uns auf ihre Informationen, Einsichten und Lösungsvorschläge. Neben der regionalen Dimension war es unser großes Ziel, ein großes Spektrum von Wissen und handelnden Akteur/inne/n zum Thema hier zu versammeln. Wir freuen uns sehr, verschiedenste Repräsentant/innen aus der Wissenschaft und Politik, aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, aus den Medien begrüßen zu dürfen. Kriminologen und Juristen sind für die Debatte essentiell. Das Bundeskriminalamt ist mit Herrn Mutschik vertreten und der Chef der Friedenspolizei von Rio de Janeiro Coronel Robson Rodriguez da Silva. Wunderbar, dass sie mit uns ihre Erfahrungen teilen und diskutieren. Aus dem Bundestag wird der finanzpolitische Sprecher des Finanz-Ausschusses, Gerhard Schick, MdB der Grünen, am Mittwoch in die Debatte um Geldwäsche einsteigen.

Unsere Anfragen an das Landeskriminalamt in Berlin wurden – man höre und staune – mit dem Hinweis abgewiesen, dass es in Berlin keine Organisierte Kriminalität gäbe, die nicht über die Bundesgrenzen hinaus agiere – und dann sei das Bundeskriminalamt zuständig. Das lasse ich ohne Kommentar stehen!

Rat- und ein wenig fassungslos ließen uns die Absagen aus den Ministerien zurück: Wir haben keines, das mit Transnationaler Organisierter Kriminalität zu tun hat oder haben sollte, ausgelassen. Wir haben unterschiedliche Abteilungen des Auswärtigen Amtes, des Innen- und des Finanzministeriums angefragt, ebenso die Behörde für Bankenaufsicht. Nach vielfachem Nachhaken haben wir etwa ein Dutzend Absagen erhalten. Einzige und positive Ausnahme: Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wird ab morgen bei der Debatte zu Afghanistan vertreten sein. 

Ich glaube nicht, dass es daran liegt, dass unsere Konferenz zwischen Himmelfahrt und Pfingsten liegt und eine beliebte Urlaubszeit ist. Es liegt wohl eher daran – wie vorletzten Sonntag in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zu lesen war – dass Bundesbehörden die Brisanz des Themas nicht oder noch nicht erkannt hätten. Eine andere und wohlwollendere Erklärung: Sie scheuen die Öffentlichkeit wegen der Brisanz und dem Gefährdungspotenzial. Bedauerlich ist es in jedem Fall: Ich meine, dass es hier auf dieser Konferenz, mit all den diversen Perspektiven etwas zu lernen und verstehen gibt.

Wir wissen: die Herausforderungen durch Transnationale Organisierte Kriminalität sind so groß, dass es keine einfachen Lösungen geben kann. Wir werden versuchen bei dieser Konferenz einige aufzuzeigen. Wir plädieren für Hingucken statt Wegducken – durch konsequente Beschäftigung mit dem Thema in all seinen Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft und mit unserem Alltagsleben.

Dafür ist es wichtig, dass wir Transnationale Organisierte Kriminalität als Tatsache anerkennen – international und national. Und wir müssen uns klar machen, wie hoch der Preis ist, den wir für Transnationale Organisierte Kriminalität zahlen, vor allem in Hinblick auf Gesellschaftsstrukturen und die Demokratie.

Mit unserer Konferenz wollen wir einen Anstoß dazu geben. Die Konferenz soll nicht alleine stehen bleiben. Transnationale Organisierte Kriminalität wird uns auch weiter beschäftigen. Konkret in Mexiko, Brasilien, Indien, Russland, dort, wo wir mit Büros vertreten sind.

Auch die neue Ausgabe unserer Zeitschrift „Böll Thema“ befasst sich mit Transnationaler Organisierter Kriminalität und wird so weit über die Konferenz hinaus, Wissen vermitteln und Bewusstsein für die politische Dringlichkeit dafür schaffen. Für 2012 ist ein Buch zum Thema geplant, das vieles, was auf dieser Konferenz diskutiert wird, aufnehmen wird.

Wir müssen die Transnationale Organisierte Kriminalität sehr ernstnehmen. Diese Botschaft geht hoffentlich von dieser Konferenz aus! Die (internationale) Politik muss sich eindeutig zu Transnationale Organisierter Kriminalität verhalten. Ohne den Abbau der Grundrechte, ohne Verletzung der Menschenrechte. Sie muss aufwachen – wenn ihr eine demokratische Welt am Herzen liegt.

Vielen Dank!

Barbara Unmüßig

Barbara Unmüßig ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie hat zahlreiche Zeitschriften- und Buchbeiträge zu Fragen der internationalen Finanz- und Handelsbeziehungen, der internationalen Umweltpolitik und der Geschlechterpolitik veröffentlicht. 

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