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Großangriff auf die äthiopische Zivilgesellschaft

Am Vorabend des orthodoxen Weihnachten, am 6. Januar 2009, hat das Parlament in Äthiopien ein Gesetz verabschiedet, welches die Tätigkeit von Nichtregierungs-Organisationen (NROs), die mehr als zehn Prozent ihrer Einnahmen aus dem Ausland bekommen, ganz entscheidend einschränkt. Solche NROs werden nun als ausländische Organisationen eingestuft; in den Bereichen Menschen- und Bürgerrechte, insbesondere wenn es um die Gleichstellung von Minoritäten, Geschlechtern und Religionen, Kinder- oder Behindertenrechte, Konfliktlösung und Versöhnung sowie den Strafvollzug geht, dürfen sie ab sofort nicht mehr aktiv sein.



Der äthiopischen Zivilgesellschaft ist damit der wohl letzte und entscheidende Rechtsfreiraum genommen worden. Es ist ein Großangriff auf die NROs. Das neue Gesetz, das den Namen „Charities and Societies Proclamation“ trägt, wird in Äthiopien für Angst und Selbstzensur sorgen.

Angst und Selbstzensur



Was genau steht unter Strafe – immerhin geht es um bis zu 15 Jahre Haft – und bei welcher Zuwiderhandlung? Fällt die Aids-Aufklärung von Jugendlichen direkt unter die Beschränkungen oder vielleicht doch nicht? Wird der Einsatz für eine nachhaltige Entwicklung dort, wo es der Regierung vielleicht unliebsam ist, als eines der „illegitimen“ Themenfelder gesehen? Welche bürokratischen Hürden werden in die Beurteilung eingebaut? All dies festzulegen oder von Fall zu Fall zu entscheiden liegt offensichtlich in der Macht einer neu einzurichtenden Behörde, mit der man noch keinerlei Erfahrungen hat.

Vermutlich erhofft sich die Regierung mittelfristig, nun direkt Gelder der internationalen Gemeinschaft zu erhalten, Gelder, die bislang zum Teil an internationale NROs oder direkt an äthiopische Nichtregierungs-Organisationen flossen. Laut Mitteilung von Regierungsseite wird diese bisherige Art der Förderung als neo-liberales Konzept gesehen, als ein Konzept, das dazu diene, afrikanische Regierungen als Verhinderer von Entwicklung abzuqualifizieren.

Möglichkeit zur Kritik beraubt

Vor allem ist das Gesetz als politischer Schlag gegen oppositionelle Stimmen zu werten. Den Oppositionsparteien und Medien hatte man seit den Wahlen 2005 durch Verhaftungen, Anklagen und neue Gesetze bereits weitestgehend die Möglichkeit genommen, Kritik zu üben. Nun trifft es die NROs, die in Zukunft nicht mehr die Möglichkeit haben sollen, Menschenrechte zu verteidigen oder eine gute Regierungsführung einzufordern. Dass damit auch die so wichtigen Dienstleistungen für Behinderte oder Kinder wegfallen, scheint für die Regierung kein Problem zu sein. Das Land ist so arm, dass es nicht möglich sein wird, solche Dienstleistungen, Forschung und Aufklärungskampagnen aus lokalen Quellen zu finanzieren.

Ende von Hilfe und Aufklärung?



Noch ist der Gesetzestext nicht offiziell, er muss dazu erst im Amtsblatt Äthiopiens veröffentlicht werden. Aus diesem Grund weiß momentan kaum einer der Geber, ob das Parlament den vom Büro des Premierministers vorgelegten, bereits mehrfach abgeänderten Entwurf verabschiedet hat, oder ob weitere Änderungen hinzugekommen sind. Während der letzten sechs Monate waren die ersten Entwürfe für das Gesetz lebhaft diskutiert worden – auch von der Gemeinschaft der Geber, ihren diplomatischen Vertretungen und internationalen Organisationen.



Letztlich fühlte sich die Regierung der stillen Diplomatie gegenüber aber immun und schien sich sicher zu sein, dass das neue Gesetz die Beziehungen zu den wichtigsten Geberländern nicht nachhaltig schädigen würde. Ob das der Fall sein wird, müssen die Parteien, Parlamente und Ministerien in Europa und anderswo entscheiden. Von guter Regierungsführung - einer Voraussetzung für Entwicklungshilfe – entfernt sich die Regierung von Meles Zenawi jedenfalls immer weiter.



Kirsten Maas-Albert leitet das Afrika-Referat der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin.

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