Ein Schiff frei – doch die Piraten sind nicht der Kern des Problems












9. Februar 2009

Von Dr. Axel Harneit-Sievers



Von Axel Harneit-Sievers

Nach fast fünf Monaten in der Gefangenschaft somalischer Piraten kam das ukrainische Handelsschiff "MV Faina" frei – gegen Zahlung eines Lösegelds in Höhe von über drei Millionen US-Dollar, wie es heißt.

Keine Neuigkeiten gibt es dagegen zum Fall der "Longchamps", einem unter der Flagge der Bahamas fahrenden Tankschiffs in deutschem Besitz. Es war am Donnerstag der letzten Woche (29.1.2009) vor der Küste Somalias gekapert worden.

2008 wurden über 120 Piratenangriffe vor der Küste des Horn von Afrika gezählt. Nach wie vor befindet sich mehr als ein Dutzend Schiffe in der Hand ihrer Entführer, welche inzwischen ein wohlorganisiertes Geschäft betreiben.

All dies hat die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf Somalia gelenkt. Marineeinheiten zum Schutz des Schiffsverkehrs wurden in die Region entsandt – nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus China und Indien. Die Vereinten Nationen erlaubten gar die Verfolgung der Angreifer auf dem trockenen Land –  mit wenig Hoffnung auf Erfolg, wie Militärexperten sagen.

Weit weniger internationales Interesse jedoch erhält die Tatsache, dass Somalia seit Jahren keine funktionierende Regierung mehr besitzt. Und doch ist dies der eigentliche Grund für den Boom im Pirateriegeschäft.

Dabei gibt es derzeit Grund für vorsichtigen Optimismus in Somalia. Äthiopien zog im Januar seine Truppen ab. Sheikh Sharif Sheikh Ahmed, ein moderater Islamist, wurde am letzten Wochenende zum neuen Übergangspräsidenten gewählt. Er weckt die Hoffnung, große Teile der verfeindeten somalischen Gruppen zusammenbringen zu können. Zugleich scheint er vom mächtigen Nachbarn Äthiopien und den USA akzeptiert zu werden, deren Politik am Horn von Afrika lange primär durch den Tunnelblick des Anti-Terror-Kampfs geprägt war.

Sheikh Sharif Sheikh Ahmed benötigt Hilfe, um gegen die militanten Gegner des Friedensprozesses zu bestehen, der seit Mitte 2008 unter Vermittlung der Vereinten Nationen zustandegekommen ist. Er braucht diplomatische Unterstützung sowie Hilfe bei der Verbesserung der Sicherheitssituation, die derzeit die Arbeit humanitärer Helfer schwer behindert.

Die Bemühungen der Somalis, der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union, die eine kleine Friedenstruppe in Mogadischu stationiert hat, verdienen mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft. Deren Anti-Kaper-Kampf ist allenfalls ein Feuerwehreinsatz, der am Kern des Problems vorbeigeht.

Die Freilassung der "MV Faina" hat noch eine weitere Dimension, die vor allem für die Regierung Kenias – Somalias südlichem Nachbarn – pikant ist und auf einen zweiten Konfliktherd am Horn von Afrika verweist: den Sudan.

Das Schiff hat Panzer und anderes Militärgerät geladen und war Richtung Mombasa unterwegs. Die Frachtpapiere lassen vermuten, dass die Ladung für den Süd-Sudan bestimmt war. Kenia scheint die Regierung des halb-autonomen Süd-Sudan bei der militärischen Aufrüstung zu unterstützen – für den Fall, dass das fragile Friedensabkommen von 2005 kollabiert. Die kenianische Regierung bestreitet dies. Sie behauptet, die Kriegswaffen seien für die eigene Armee bestimmt gewesen.
Man darf gespannt sein, welchen Kurs die "MV Faina" jetzt nehmen und wo sie ihre Ladung löschen wird. Das Medien-Interesse am Verbleib der Ladung scheint gesichert.

Dr. Axel Harneit-Sievers leitet das Regionalbüro Ostafrika / Horn von Afrika der Heinrich Böll Stiftung in Nairobi, Kenia