Das neunte Internationale Literaturfestival in Berlin präsentierte in diesem Jahr wieder die zeitgenössische literarische Vielfalt aus aller Welt.
Das Internationale Festival fand im Zeitraum vom 9. bis zum 20. September statt. Das Programm umfasste etwa 300 Veranstaltungen mit insgesamt 220 Autoren aus allen Kontinenten und Erdteilen. Für jeden Interessenten boten sich somit Veranstaltungen der Literaturszene an. Die Veranstaltung eröffnete die indische Schriftstellerin Arundhati Roy. An insgesamt elf Tagen wurden neben Autorenlesungen für Erwachsene, eben solche auch für Kinder und Jugendliche veranstaltet. Hinzu kommen mit stilistischen Eigenheiten die Poetry Nights weltweiter Dichter und der Gedankenaustausch bei Podiumsdiskussionen zu den Schwerpunktthemen des Festivals.
Rachid Boudjedra als besonderer Gast
Die Modernisierung der arabischen Literatur, vorangetrieben durch viele neue und junge Talente, bildete dabei einen Schwerpunkt des diesjährigen Festivals. Als besonderer Gast war, nach seiner letzten Teilnahme 2006, dieses Jahr wieder Rachid Boudjedra in Podiumsdiskussionen vertreten. Boudjedra wurde 1941 in Ostalgerien geboren und wurde in seiner Schulausbildung mit der europäischen und arabischen Kunst- und Kulturszene vertraut gemacht. Der Literat Boudjedra veröffentlicht seine Werke sowohl in französischer als auch in arabischer Sprache. Besonders auffällig in seiner Arbeit ist die Systemkritik an Algerien und die Richtigstellung der nationalen Geschichtsschreibung. Die LoNam-Redakteurinnen Johanna Zehe und Stefanie Schams hatten die Möglichkeit ein Panel mit Rachid Boudjedra in der Heinrich-Böll-Stiftung zu verfolgen.
Welches Interesse hat der Norden Afrikas für die schwarzafrikanische Kultur?
Unter dem Titel „Nördlich der Sahara - ein maghrebinischer Blick auf Afrikas Entwicklung“ fand am Montagabend, dem 14. Oktober in der Heinrich-Böll-Stiftung eine Podiumsdiskussion statt. Das interessierte Publikum, geschätzt etwa 150 Literaturfans, versammelten sich in dem großen Konferenzsaal der Stiftung um den Blickwinkel auf Sub-Sahara-Afrika einmal anders wahr zu nehmen. Vier Autoren, davon zwei aus Marokko, Yassin Adnan und Youssouf Amine Elalamy, zwei aus Algerien, vertreten durch Inam Bioud und Rachid Boudjedra, nahmen teil. Es sollte darum gehen, herauszustellen wie der heutige Blick der „Weißafrikaner“ auf die „Schwarzafrikaner“ aussieht. Welche Bezüge gibt es seitens Nordafrikas? Welches Interesse für die schwarzafrikanische Kultur ist überhaupt da? Was ist mit den gegenseitigen Wechselwirkungen der Regionen?
Es besteht ein Bruch zwischen dem arabischen und dem afrikanischen Teil Afrikas
Das Ergebnis fiel wenig befriedigend aus. Nachdem seitens der Panel-Teilnehmer viele Fragen aufgeworfen wurden, war man gespannt auf die Antworten. Doch seitens der Argumentierenden gab es keine Antworten, vieles blieb ungelöst im Raum stehen. Es wurde von allen Seiten der bestehende Unterschied betont, der Blick nach Europa, Frankreich, Spanien und Portugal bestätigt. Als Grund hierfür wurde die Wüste mehr als Faktor der Trennung denn als Träger der Zusammenführung genannt. Der Algerier Boudjedra fügt die geschichtliche Tatsache hinzu, dass Araber im nördlichen Afrika die ersten Sklavenhalter überhaupt waren. Er betont die Existenz eines großen Bruchs zwischen der weißen arabischen Welt und Schwarzafrika. Selbst in seinem Heimatland ist eine Grenze vorhanden, die den Norden vom Süden abgrenzt. Es geht um Eifersucht, Hass, ja, und um Rassismus. Es ist eine traurige Geschichte. Dass sich daran etwas ändern wird, daran glaubt eigentlich keiner. Elalamy bringt einen neuen Aspekt in die Diskussion: die Jugend und ihre globale Vernetzung durchs Internet. Diesen spricht er die Macht zu, sie sind die Generation, die das Land in naher Zukunft prägen wird. „Gott sei Dank gibt es eine neue Generation“.
Was haben eigentlich Finnen mit Portugiesen gemeinsam?
Inam Bioud bringt für das Verständnis der Beziehungen zwischen Weiß- und Schwarzafrika folgende Anekdote: „Wenn man in Algerien Bananen möchte, die aus Schwarzafrika kommen, richtet man sich an Marseille, um welche zu bekommen.“ So viel zu den wirtschaftlichen Beziehungen innerhalb Afrikas. Damit wirft er die Frage auf, wie wichtig der schrittweise Aufbau einer Wirtschaft für die Vernetzung wohl wäre.
Als abschließende Frage der Diskussion wird etwas beleuchtet, was wohl jeder Besucher der Veranstaltung mit in den Abend hinein genommen hat: Was haben eigentlich Portugiesen mit Finnen gemeinsam? Das System Europas, in dem sie leben, welches sie vereint. Ansonsten ist es wahrscheinlich recht wenig. Kann es ein ähnliches afrikanisches Modell dafür geben?
Der Artikel erschien in der Zeitschrift LoNam Nr. 6 Oktober/November 09. Die Autorinnen sind Johanna Zehe und Stefanie Schams.