Afrika und Deutschland: Eine gleichberechtigte Partnerschaft?

29. Juni 2011
Kirsten Maas-Albert
Von Kirsten Maas-Albert, Leiterin des Referates Afrika der Heinrich-Böll-Stiftung

Der Zeitpunkt zur öffentlichen Vorstellung des neuen Afrikakonzepts der Bundesregierung war perfekt gewählt: Außenminister Guido Westerwelle, gerade zurück aus Bengasi in Libyen und schon „auf dem Sprung“ in den Sudan, präsentierte im vollbesetzen Weltsaal seines Ministeriums das 67 Seiten starke Grundsatzpapier im Handtaschenformat. Doch den zahlreich erschienenen afrikanischen Diplomaten erschloss sich das Partnerschaftsangebot „auf Augenhöhe“ vorerst tatsächlich nur optisch: Die Übersetzungen lagen noch nicht vor.

Neben der etwas vollmundig wirkenden Partnerschaftsbekundung besitzt das Konzept jedoch eine durchaus realistische und oftmals angenehm konkrete Note und stellt in vielen Aussagen einen längst überfälligen Diskurswechsel im Verhältnis zum Kontinent dar. Da ist mehr von den Potentialen und Chancen die Rede, von universellen Werten und spezifischen Interessen und gleichsam von massiven Herausforderungen, den afrikanischen aber auch den globalen.

Von Anfang an und in vielen konkreten Bezügen setzt sich das deutsche Konzept immer wieder größere Rahmen. Zuallererst den europäischen, mit der gemeinsamen Afrika-EU Strategie sowie die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Die Bundesregierung unterstreicht mit diesem, unter den Ministerien abgestimmten Text, dass eine einheitliche Politik gegenüber den 54 Staaten Afrikas (der Südsudan ist schon mitgezählt!) und den Regionalorganisationen des Kontinentes auch eine Politik im Rahmen der EU, G8/G20, VN, der NATO, WTO oder der Finanzorganisationen ist.

Das Konzept hat bewusst die neueren Entwicklungen in Nordafrika mit aufgenommen, auch wenn „die sich hieraus ergebenen Konsequenzen … noch nicht abschließend bewertet“ werden können. Vor dem Hintergrund der Umbrüche in Tunesien und Ägypten versucht man, „die enorme Bedeutung von guter Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte“ für den gesamten Kontinent herauszustellen.

Das hier so wenig von Selbstkritik zu lesen ist wie in dem kurz gehaltenen Absatz über die geschichtliche Verbindung Deutschlands zum Kontinent („eine lange gemeinsame Geschichte“) mag befremden, die Strategielosigkeit der „Transformationspartnerschaft“, über die auch das Zahlenwerk von Zusatzmitteln nicht hinwegtäuschen kann, muss kritisch betrachtet werden.

Was also ist „(neo)liberal“ am Konzept?

Der Generalverdacht liegt nahe, denn zwei der für das Konzept maßgeblich verantwortlichen Ministerien sind FDP-geführt.

„Langfristig soll die Entwicklungszusammenarbeit in eine wirtschaftliche Zusammenarbeit überführt werden“ heißt es da mit Bezug immerhin auf ein „breitenwirksames, sozial und ökologisch nachhaltiges Wirtschaftswachstum als Motor nachhaltiger Entwicklungsprozesse“. Diese Regierung will dazu beitragen, die Entwicklungshilfe langfristig „überflüssig zu machen“. Warum eigentlich nicht?!

Dass deutsche Außenpolitik auch von Interessen geleitet ist, erscheint vernünftiger als der gängige „Hilfe“-Paternalismus im Geber-Nehmer Verhältnis. Die Konkurrenz dabei deutlich zu benennen bringt gerade die richtige Würze ins Spiel: Es geht um die Rohstoffe in Afrika, und an die ist unsere wirtschaftliche Entwicklung genauso gebunden wie die der Schwellenländer China, Indien oder Brasilien.

Deutlich bezieht sich das Konzept nochmal auf die bereits ausformulierte Rohstoffstrategie der Bundesregierung.

Und was ist drin?

Die Struktur und Analysen sind stimmig, zumal das Konzept mit den universellen Menschenrechten seinen Anfang nimmt; denn deren Verwirklichung soll deutsche Politik (auch) dienen. Die beschriebenen Instrumente zur Umsetzung sind greifbar - hier und da sogar in Zahlen. Die „Initiativen der Zukunft“ wiederholen zwar dann vielfach nur, was bereits getan wird, doch in einzelnen Punkten tauchen neue Akzentuierungen und auch konkrete Zukunfts-Projekte auf.

Als großer Erfolg des Familienministeriums dürfte gelten, dass die Unterlassungssünde der bisherigen Entwürfe, der Geschlechtergerechtigkeit keinen Platz eingeräumt zu haben, behoben wurde. Die jetzt immerhin hier und da zutage tretenden geschlechtsspezifischen Analysen und Ansätze zeigen wichtige Handlungsebenen auf, etwa wo es um systematische sexuelle Gewalt in Konflikten oder die Umsetzung der UNSCR 1325 geht. Dass die Bundesregierung „die Akzeptanz sexueller Minderheiten und Straffreiheit von Homosexualität vor allem durch Aufklärungsarbeit von Nichtregierungsorganisationen und den Dialog mit Verantwortlichen“ fördern will ist zu begrüßen, und sollte sich zukünftig diesen NGOs gegenüber auch monetär ausdrücken.

Was im Einzelnen noch zu beachten wäre?

„Frieden und Sicherheit: Afrikanische Eigenverantwortung stärken“: Aus dem Instrument spricht eine profunde Kenntnis der afrikanischen Sicherheitsarchitektur und eine klare Positionierung zu den sich entfaltenden Potentialen. Diese, so wird der Ehrlichkeit halber angefügt, werden „künftig die Friedenssicherung der Vereinten Nationen“ entlasten – in nicht unerheblichen Summen, möchte man hinzufügen.

Dass die Bundesregierung auf afrikanische Lösungsansätze setzt und diese fördert, wird nicht der wirkliche Grund für die Enthaltung im UN-Sicherheitsrat zu Libyen gewesen sein, aber alles deutet darauf hin, dass der AU und regionalen Organisationen zumindest mehr Gehör geschenkt werden. Die Schwerpunktsetzung auf Konfliktprävention ist so stimmig wie der Verweis auf den Aktionsplan „Zivile Krisenprävention“.

Schwach und in der Struktur des Konzepts unverhältnismäßig sektoral angelegt hingegen ist das Instrument „Umwelt und Klima: Kooperation bilateral, regional und global stärken“. Hier hätte es der Regierung vermutlich gut getan, die so zahlreich vorhandene Expertise zumindest der deutschen Zivilgesellschaft aufzunehmen, um zu einem wissensbasierten Ansatz zu gelangen. „Umweltprobleme und Treibhausgasemissionen nehmen auch in Afrika rasch zu“ das klingt banal und ignoriert Verhältnismäßigkeiten auf dieser Erde. Politikkohärenz fehlt fast gänzlich. So werden Klimaanpassung und Entwicklung bis auf ein oder zwei kleine Querverweise völlig separat behandelt. Die sich in Fachkreisen längst durchgesetzte Forderung, Klimaanpassungspolitik in die Entwicklungspolitik zu integrieren, ist dem BMZ offensichtlich fremd.

Das ein Umsteuern auf grüne Wirtschaft „auch die Wettbewerbsfähigkeit Afrikas“ verbessern soll, mag hingegen manchen afrikanischen „Partner auf Augenhöhe“ zum Staunen bringen. Die schon in der Analyse unverhältnismäßig lang ausgebreitete Akzentuierung auf nachhaltige Waldwirtschaft wird da verständlich, wo sich die Bundesregierung als Initiator der 2007 mit 12 afrikanischen Partnerländern ins Leben gerufenen „Forest Carbon Partnership Facility“ outet.

Während an vielen Stellen (etwa wenn es um die Wirtschaftsförderung geht) von der Unterversorgung des Kontinents mit Energie die Rede ist, sollen mit dem angestrebten Solarplan für Nordafrika der europäische Bedarf gesichert werden. Die Bilateralität solcher Energieförderungskonzepte leuchtet im wahrsten Sinne des Wortes in Sub-Sahara Afrika nicht ein.

Anders beim Thema Landwirtschaft, das in den Bereichen Wirtschaft und Entwicklung eine sinnvolle Akzentuierung erfährt. Die Bundesregierung scheint verstanden zu haben, dass Landwirtschaft auf dem Kontinent „ein besonderes Potential“ besitzt „die Ernährungssicherheit zu verbessern“ und legt sich daher auch fest: „Schwerpunkt der Förderung des Privatsektors in Afrika liegt in Zukunft auf der Stärkung einer umweltgerechten und nachhaltigen Landwirtschaft“. Dies jedoch in Einklang zu bringen mit den deutschen bzw. europäischen Interessen einer exportorientierten landwirtschaftlichen Produktion bleibt eine der großen Herausforderungen.