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Die Macht teilzuhaben: Feministischen Einfluss auf die Politik in Afrika aufbauen

29. Juni 2011
Keren Ben-Zeev, Dr. Antonie Katharina Nord
Seit über fünfzig Jahren versprechen afrikanische Regierungen ihren Bürgern immer wieder Würde, Gleichheit, die Einhaltung von Menschenrechten und ein besseres Leben. Bisher blieb die Erfüllung dieser Ideale in mehrfacher Hinsicht jedoch unerreicht – insbesondere dann, wenn es die Gleichstellung der Geschlechter geht.

60 Prozent der von HIV/Aids Betroffenen in Subsahara-Afrika sind weiblich. Frauen sind unter den Arbeitslosen und den von Arbeitslosigkeit Bedrohten am stärksten vertreten; sie haben seltener Anspruch auf ein Erbe und einen geringeren Zugang zu Kapital und Landbesitz als Männer. Auch sind es Frauen, die dem Großteil der armen Haushalte vorstehen. So sind in Südafrika 45 Prozent der von einer Frau geführten Haushalte arm, während in Malawi drei Mal mehr Frauen als Männer arm sind. Zudem sind die Frauen des afrikanischen Kontinents Subjekt allgegenwärtiger geschlechtsspezifischer Gewalt, gesundheitsgefährdender kultureller Praktiken und von Frühehen.

Zugleich bestreiten Frauen rund 70 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeit und tragen die Hauptlast in Bezug auf Pflege und Hausarbeit. All dies sind Zeichen des weit verbreiteten und in vielfacher Form sichtbaren ungleichen Machtverhältnisses zwischen Mann und Frau auf dem Kontinent.

Die sowohl in der öffentlichen als auch in der Privatsphäre fehlende Entscheidungsgewalt der Frauen über ihr Leben und ihren Körper mündet in einer Verleugnung derjenigen Prinzipien, auf denen einst der Kampf gegen den Kolonialismus gründete. Diese Machtlosigkeit wirft wiederum Fragen nach der Glaubwürdigkeit der Demokratien des Kontinents auf: denn für reaktionsfähige und zuverlässige Regierungsformen ist die Partizipation und Repräsentation von Frauen unverzichtbar.

Die zentrale Bedeutung der Gleichstellung der Geschlechter für Demokratie und Entwicklungsstrategien wurden in den letzten vier Jahrzehnten durch eine Vielzahl internationaler Instrumentarien und Trends betont. Seit den späten 1970ern sollten eigens dafür ins Leben gerufene nationale Verwaltungsapparate zur Geschlechterfrage – in Form von Ausschüssen, politischen Einheiten und Ministerien – den Prozess der Gleichberechtigung der Geschlechter beschleunigen, indem man die Anliegen der Frauen anerkannte und bei der Formulierung von Gesetzen und Entwicklungsmaßnahmen berücksichtigte. Mit der Beilegung einer Vielzahl afrikanischer Konflikte in den 1990er Jahren und einem erneuten Bekenntnis zu Demokratie, sollte Frauen der Zugang zu offiziellen politischen Ämtern - und somit ihre Teilhabe am politischen Entscheidungsprozess – vereinfacht werden. Diverse dynamische und innovative Frauenbewegungen auf dem gesamten Kontinent haben seither einen entscheidenden Beitrag zur Umsetzung dieser Veränderungen geleistet.

Einigen Darstellungen zufolge ist die Bilanz äußerst eindrucksvoll. Mittlerweile sind Gender-Einrichtungen und Gender-Politik sowie Budgeting-Initiativen auf nationaler Ebene fester Bestandteil der politischen Landschaft Afrikas. Nach nur zwei Jahrzehnten der Demokratisierung sind sowohl Ruanda als auch Südafrika westlichen Ländern weit voraus, wenn es die gleichberechtigte Repräsentation beider Geschlechter in politischen Institutionen betrifft. Beide Länder haben die „kritische Masse“ erreicht; d. h. die magische Grenze, ab der sich die Präsenz von Frauen in politischen Institutionen eigentlich in einen konkreten Einfluss bemerkbar machen sollte. Dennoch verdeutlichen beide Länderbeispiele, dass sich die vereinte Kraft von „kritischer Masse“ und geschlechterspezifischer Verwaltung eben nicht selbstverständlicher Weise in eine gender-orientierte Regierung übersetzen lässt – in eine Regierung, die aktiv daran arbeitet, soziale, wirtschaftliche und kulturelle geschlechterspezifische Ungleichgewichte auszugleichen.

Zunehmend wird deutlich, dass Demokratie und der Fortschritt in der Gleichstellung der Geschlechter eng miteinander verwoben sind und dass es einen umfassenderen Ansatz bedarf, um politische Verantwortlichkeit und das Einsetzen für die Interessen der Frauen zu gewährleisten. Die Sichtbarkeit von Frauen innerhalb politischer Strukturen muss in zweierlei Hinsicht berücksichtigt werden: in Bezug auf die Macht der Bürgerstimmen im Allgemeinen und die der Frauen im Speziellen. Auch muss dem Einfluss von Frauen- und anderen sozialen Bewegungen und ihrer Beziehung zueinander Rechnung getragen werden. So auch dem Wesen und der Kultur politischer Parteien und den Normen und Fähigkeiten staatlicher Institutionen.

Die gesammelten Beiträge in dieser Ausgabe von Perspectives greifen einige der Überlegungen auf und setzen sich mit den Stärken und Schwächen der Förderstrategien für eine geschlechter-orientierte politische Steuerung auseinander. Wir hoffen, mit den Betrachtungen und Gedanken den Weg für eine lebhafte Debatte über die Wirksamkeit und Weiterentwicklung dieser Strategien zu ebnen.