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Fußball-WM 2010: Wird die Regenbogennation in Erscheinung treten?

Eusebius Mckaiser arbeitet am „Centre for the Study of Democracy” in Johannesburg. Er ist Kolumnist für die Wirtschaftstageszeitung Business Day, Moderator einer wöchentlichen Talkshow auf Talk Radio 702 und Cape Talk 567 und bloggt unter www.safferpolitics.co.za. Mckaiser studierte Philosophie an der Rhodes Universität in Südafrika, bevor er zu einem internationalen Rhodes Stipendiat an der Universität von Oxford wurde.

21. Mai 2010
Von Eusebius Mckaiser

Die Anziehungskraft des Regensbogens…

Wer könnte sich schon warmen und wohligen Gefühlen mitten in einem kalten südafrikanischen Winter verschließen? Nur der zynischste, renitenteste Antinationalist, würde man denken. Und selbst er – oder sie – wird im Stillen lächeln, wenn Südafrika seine farbenfrohe Kulturparade auffährt beim Anstoß zum größten Sportereignis in der Milchstraße, der Fußball-Weltmeisterschaft, früher als man „Afropessimismus“ sagen kann. Südafrikaner, die an kollektiver manischer Depression leiden, werden eine umgehend einsetzende Ekstase erleben. Alle Gedanken an die hohen Quoten gewalttätiger Kriminalität, weit verbreitete Korruption innerhalb des Staates, die schlimmste Einkommensungleichheit auf der Welt oder schlechte staatliche Versorgungsleistungen, die unsere Lebensqualität schmälern, werden vergessen sein. Zumindest für kurze Zeit. Stattdessen werden wir Eine Nation sein, wie von einem Werbespruch der einheimischen Biermarke Castle Lager beschworen, mit dem Slogan „One Nation, One Beer“. Die Depression von gestern wird dem realitätsflüchtigen Wunsch nach hedonistischem Vergnügen Platz machen. Und von all den Realitätselementen, die wir kurzzeitig in einem Anfall leidenschaftlichen Nationalismus’ vergessen haben werden, wird unsere Amnesie über unsere Unterschiede als eine vielfältige Gruppe von Einzelpersonen und Gemeinschaften am spektakulärsten sein.

Einfach ausgedrückt, werden Südafrikaner wieder einmal vorgeben, eine Regenbogennation zu sein, die völlig kohärent und ein multikultureller Traum ist. Warum erfinden wir diese „Realität“? Ist sie ehrlich? Spielt sie eine nützliche, anhaltende, zweckgerichtete Rolle in unseren Leben? Oder haben wir etwa keine Lehren aus den 1990ern gezogen, als wir die Rugby-Weltmeisterschaft ausgerichtet – und gewonnen – haben, teilweise auf der Basis einer falschen Einheit, die sich in den Jahren danach als unhaltbar erwiesen hat?

Lassen Sie mich der Spielverderber sein, der bei der Wahrheit bleibt. Ja, wir werden in nationalistische Parolen abgleiten. Wir werden uns tatsächlich als Eine Nation fühlen und als solche geeint sein. Und ja, es werden wahrscheinlich noch ein paar weitere liberale politik- oder gesellschaftswissenschaftliche Diplomarbeiten auf dem Rücken der Fußball-Weltmeisterschaft über die Fähigkeit des Sports, eine ansonsten geteilte Gesellschaft zusammenzuschweißen, geschrieben. Aber ich denke dies ist keine Lösung, mit den Unterschieden „umzugehen“: wir müssen endlich aufhören, mit den Unterschieden „umzugehen“; vielmehr sollten wir die Diversität annehmen, und zwar wahrhaftig. Unterschiede sind nicht etwas, vor dem man Angst haben sollte. Sie sollten verstanden, akzeptiert und erkundet werden. Auf der ganzen Welt sollten Menschen die ungeheuren und unrealistischen Erwartungen zurückstutzen, die sie in riesige Sportveranstaltungen setzen, um nachhaltiges Nation-Building zu bewirken. Doch ich sollte diese kontroversen Gedanken besser genau erklären.

Südafrikanischer Sport und Nation-Building: eine unrühmliche Geschichte

Südafrika ist eine faszinierende Fallstudie für die Beziehung zwischen Sport und nationaler Identität. Als die Apartheidgesetze im Laufe des 20. Jahrhunderts immer tiefer und rücksichtsloser durchgesetzt wurden, suchte auch die internationale Staatengemeinschaft nach neuen Wegen, um den amoralischen Apartheidstaat zu isolieren. Eine der wirksamsten und emotional schmerzlichsten Taktiken war der Ausschluss von südafrikanischen Nationalmannschaften von der Teilnahme an internationalen Sportereignissen. Dies war nicht nur eine allgemeine Zurückweisung der gesamten Struktur, Werte und Prinzipien des Apartheidstaats – die von den Vereinten Nationen allesamt als moralisch verdammenswert angesehen wurden; dies war, auf kleinerer Ebene, auch eine Ablehnung der Rassenexklusivität von Sportvorschriften in Südafrika. Verschiedene Rassengruppen konnten nicht gegen- und miteinander im Sportbereich spielen, damit Schwarze ja nicht anfingen zu glauben, sie hätten den gleichen moralischen Status wie Weiße.

Trotz einer schwarzen Mehrheit im Land, arbeitete die Apartheidregierung unter der falschen Überzeugung, sie könnte der Welt eine südafrikanische Identität präsentieren, die blütenweiß war. Niemand in der internationalen Staatengemeinschaft glaubte diese Lüge. Auch im Inland boykottierten die meisten Südafrikaner die offiziellen National¬mann¬schaften. Wenn beispielsweise die sogenannten Springboks gegen die neuseeländische Rugbymannschaft spielten, konnten die „All Blacks“ (ein Spitzname, der vielschichtige politische Bedeutungen und einen willkommenen Symbolgehalt für zahllose schwarze südafrikanische Fans hatte) auf die Anfeuerung durch die einheimischen (schwarzen) Fans zählen. Sport wurde vollkommen politisiert. Er schweißte das Land nicht als Eine Nation zusammen. Vielmehr schweißte er eine entrechtete und ausgegrenzte Mehrheit zum Kampf gegen eine nationale Identität zusammen, die rassenexklusiv war und deren Rassenexklusivität unverhohlen auf Sportplätzen überall in der Welt zur Schau gestellt wurde, bis die Isolierung Apartheid-Südafrikas nahezu flächendeckend war.

Dies waren keine warmen und wohligen postdemokratischen Gefühle, die von Schwarzen in Bezug auf unsere (ihre?) nationalen Sportmannschaften empfunden wurden; dies waren Gefühle einer tiefen Entfremdung vom patriotischen Symbolismus, die Nationalmannschaften bei ihrer Teilnahme an Sportereignissen wie der Fußball-Weltmeisterschaft in uns wachrufen sollen.

Diese Geschichte, wie unsere rassistische Vergangenheit die ansonsten meist neutrale Welt des Sports infiltrierte, zeigt, dass Sport sowohl vereinen als auch trennen kann. Er kann zur politischen Unterjochung eingesetzt werden. Und – in einer Gleichung, die von mit Vorurteilen arbeitenden Regimen oft übersehen wird – er kann auch den Wunsch nach Freiheit unter eben jenen Menschen wachrufen und wach halten, die von der Vision des Regimes ausgeschlossen sein sollten, wer Südafrikaner ist – und somit geeignet zu spielen (wörtlich) – und wer nicht Südafrikaner ist – und somit nur geeignet die Umkleidekabine zu putzen (wörtlich). Sport und das schwarze Südafrika hatte, so wissen wir heute im historischen Rückblick, das letzte Wort.

…doch wir erwarteten zuviel vom Sport …

Doch so sehr auch der Sport über das Vorurteil triumphierte, auch dies war ein übertriebener Sieg für den Sport selbst. Es ist ein Sieg, der – wie wir schon bald wieder sehen werden – zur Folge hatte, dass eine ungerechtfertige Erwartungshaltung auf Ereignisse wie die Fußball-Weltmeisterschaft gelegt wird. Was meine ich mit einem übertriebenen Sieg? Nun, in gewissem Sinne waren Südafrikaner, sowohl schwarze als auch weiße, enorm erleichtert, als Sport nach 1990 entrassifiziert und (zum Großteil, wenn auch nicht völlig) entpolitisiert wurde. Wir bekamen nach und nach Nationalmannschaften, die größere moralische und politische Legitimität hatten, was es für die Mehrheit der Südafrikaner leichter machte, sich mit diesen Mannschaften wirklich als „ihre“ Mannschaften zu identifizieren. Und so, beispielsweise, obwohl sie nur einen einzigen schwarzen Spieler enthielt, eroberte die südafrikanische Rugby-Nationalmannschaft, die die Rugby-Weltmeisterschaft 1995 gewann, die Herzen und Köpfe der großen Mehrheit der Südafrikaner, sowohl schwarz als auch weiß. Warme und wohlige Gefühle flossen sowohl in den Townships als auch in den Wohngebieten der Mittel- und Oberschicht. Das ikonische Bild von Nelson Mandela, wie er ein Springbok-Rugbytrikot trägt und neben Mannschaftskapitän Francois Pienaar steht, repräsentiert ebenso einen Bruch mit unserer von Trennung geprägten Vergangenheit, wie die Bilder von Schwarzen, die im Jahr zuvor in langen Schlangen vor den Wahllokalen stehen. Tatsächlich kann man den Effekt kaum überbetonen, den die Rugby-Weltmeisterschaft auf die nationale Stimmung und die nationale Psyche hatte. Der kürzlich angelaufene Film Invictus durchlebte diese Momente erneut und beim Anschauen dieser Art von Doku-Spielfilm kann man einfach nicht anders, als Castle Lager-Wohlfühlgefühle zu spüren.

Es ist auch schwer zu verstehen, was Sport psychologisch gesehen an sich hat, das ihn zu einem so effektiven Katalysator für diese Art von Nation-Building macht. Ein Element ist natürlich, dass die schiere Euphorie, zu sehen, wie die eigene Mannschaft vorwärts stürmt, wie eine Droge wirkt. Genau aus diesem Grunde können Fans umgekehrt auch zu Hooligans werden, wenn Mannschaften verlieren. Wie eine makabre Studie, auf die ich einmal gestoßen bin, behauptet, gibt es sogar eine Korrelation zwischen dem Verlieren mancher Lieblingsmannschaften von Männern und der Wahrscheinlichkeit, dass sie nachher an häuslicher Gewalt beteiligt sind. Tragischerweise. Insofern ist es möglich, dass es nicht nur um Sport als solchen geht, sondern auch Gewinnen oder Sich Behaupten eine Rolle spielt. Daher wird es interessant sein, zu beobachten, wie lange unsere warmen und wohligen Gefühle während der Fußball-Weltmeisterschaft anhalten werden, falls Bafana Bafana es nicht in die zweite Runde schaffen sollte. So oder so, wie auch immer die soziologischen oder psychologischen Schlüsselfaktoren hinter Massenhysterie gelagert sein mögen, es besteht kaum Zweifel über die sichtbare Beziehung zwischen der Teilnahme einer Nationalmannschaft an einem internationalen Wettkampf und einer verschiedenartigen Gruppe von Menschen, die kurzfristig ihre Differenzen beiseite schiebt und Eins wird. Genau das ist 1995 in Südafrika passiert. Die Demokratie hat den nationalen Sport entlastet und nun können wir unbeschwert die hurrapatriotischen Freuden genießen, eine Mannschaft anzufeuern, die eine wirklich südafrikanische Schöpfung ist – im Gegensatz zu jener der Apartheid.

Aber Moment… es gibt Gefahren!

Bedauerlicherweise ist das alles nicht so einfach. Das Problem ist, dass die Konzepte Nationalität und nationale Identität, auf denen die kollektiven Gefühle von Einheit bei diesen Sportereignissen beruhen, nicht stimmen. 1995 ist ein hervorragendes Beispiel. Südafrikaner gingen aus der Rugby-Weltmeisterschaft mit einem hartnäckigen Glauben hervor, dass die Regenbogennation – ein Begriff, der von Erzbischof Desmond Tutu geprägt wurde – real war und ist und für immer Bestand haben wird. Mit anderen Worten, Weiß und Schwarz und Blau und Braun, und alle sonstigen Farben dazwischen, würden sich die Hände reichen und miteinander auskommen bis in alle Ewigkeit, Amen. Rassenspannungen gab und gibt es nicht mehr. Und Differenzen zwischen den einzelnen Gruppen, wenn es sie denn überhaupt gibt, sind gutartig. Tatsächlich war so eine nichtrassistische und nichtrassenorientierte Gesellschaft geboren worden. Das 1950 erlassene Gesetz zur Registrierung der Bevölkerung (Population Registration Act), das Rassengruppen auf der Grundlage biologischer Unmöglichkeit schuf, war tot und begraben. Dieses Motiv einer „Regenbogennation“ wurde verstärkt durch die Wirklichkeitsflucht, die durch die Austragung der Rugby-Weltmeisterschaft hervorgerufen wurde, und aufrechterhalten – etwas länger als man ursprünglich erwartet hätte – durch den Sieg im Endspiel. Eine sportverrückte Gesellschaft war das perfekte Medium zur Demonstration jener Art von betäubender Wirkung, die Sport haben kann.

Dieses gesellschaftlich konstruierte Nirwana kommt uns jedoch teuer zu stehen. Das grundlegende Problem ist, dass die Realität weder farbenblind noch klassenblind war. Und es bis heute nicht ist. Man kann tiefes Misstrauen und von Vorurteil geprägte Haltungen und Überzeugungen zwischen verschieden sprachlichen, kulturellen und politischen Gruppen nicht einfach über Nacht wegwischen, nur weil jemand in den letzten Sekunden eines Spiels einen Ball über ein paar Rugbystangen kickt. Wir haben griffige Slogans – „Regenbogennation“, „demokratisches Wunder“ – und ikonische Bilder – Mandela und Pienaar – mit nationaler Identität und Nationalität verwechselt. Die triste Wahrheit ist, dass wir untereinander nicht einmal die richtigen Namen der anderen als normale Südafrikaner kannten, geschweige denn in der beneidenswerten Lage gewesen wären, uns über überlappende Werte, Prinzipien und ähnliches unterhalten zu können, die die Grundlage für eine echte nationale Identität und insofern eines beständigeren Konzepts von Nationalität bilden könnten.

Die Ironie dabei ist, dass Mbeki – der zwischen Mandelas Regenbogennation und Zumas heutigem Versuch zur Wiederbelebung dieser Nation (nicht dass die Bürger mit Zuma mitspielen würden) eingekeilt werden sollte – den politischen Diskurs und die Debatte über nationale Identität auf eine Weise erneut rassifizierte, die in einer makabren Hinsicht tatsächlich einen gewissen Wahrheitsgehalt hatte. Mbeki kann zwar angelastet werden, dass er als Staatschef nicht seinen Beitrag zum Aufbau gesellschaftlichen Zusammenhalts zwischen den unterschiedlichen Gruppen geleistet hat, doch das, wofür er stand, symbolisierte und bewies eigentlich die Wirklichkeit, dass Mandelas und Tutus Regenbogennation niemals echt war.

Es ist nicht so, dass ein großes Sportereignis nicht ein Gefühl von nationaler Identität und Nationalität erzeugen kann. Es kann durchaus. Aber es kann nationale Identität nicht bilden und es kann nationale Identität nicht erschaffen.

Der GRÖSSTE Fehler jedoch, vor dem man sich in Acht nehmen muss, ist anzunehmen, dass nur weil wir uns vereint fühlen, das Gefühl von Einheit tatsächlich auf echter nationaler Identität und Nationalität beruht. Dies muss nicht unbedingt der Fall sein. Wie es ein Wissenschaftler mit klinischerer Präzision erklären würde, waren die Gefühle von Nationalität, die wir Mitte der 90er erlebten, einfach nur ein Fall von „falschem Positiv“. In Wirklichkeit gab es keine Nation.

Sind wir zur Verschiedenartigkeit verdammt?

Es spielt eigentlich keine Rolle. Wirklich nicht. Anstatt uns Sorgen darüber zu machen, ob die Fußball-Weltmeisterschaft uns ein Gefühl von nationaler Identität (wieder)gibt, sollten wir diese Erwartung ruhigen Gewissens als unnötig abtun. Und zwar aus dem Grund, weil wir erkennen, dass Unterschiede nicht unbedingt spaltend sind. Es ist völlig verständlich, dass in einer pluralistischen Gesellschaft Einzelpersonen und Gemeinden eine Vielzahl von Werten, Prinzipien, Geschmäckern, etc. vertreten. Dennoch lastet ein sinnloser Druck auf uns, der Erwartung zu entsprechen und – wieder einmal – Einheit vorzutäuschen. Warum? Wir sollten in den 1990ern gelernt haben, dass sobald die ausländische Presse und internationalen Spieler abgereist sind, die unter den Teppich gekehrten Gegensätze mit unverminderter Stärke wieder zum Vorschein kommen. Das Vortäuschen von Einheit ist daher kontraproduktiv, unehrlich und unnötig. Ich vermute, was diese Unehrlichkeit speist, ist weniger eine übergreifende Überzeugung, die wir alle zur Positivität globaler Sportereignisse haben. Vielmehr wird sie angetrieben von einer korrelativen Angst darüber, was passiert, wenn man es wagt sich gegenseitig einzugestehen, dass man gegensätzliche Ansichten, Geschmäcker und Überzeugungen hat. Was passiert, mit anderen Worten, wenn Jane zu Sipho sagt: „Hör mal, ich muss dir etwas gestehen. Ich HASSE die Vuvuzela!” Nun, ganz ehrlich, wenn wir uns 16 Jahre nach Einzug der Demokratie nicht ohne weiteres unschuldige Vorlieben gegenseitig mitteilen können, dann ist unsere Demokratie noch viel zerbrechlicher, als ein Sportereignis gleich welcher Größe jemals reparieren könnte. Zum Glück ist sie gar nicht so zerbrechlich. Vielmehr sind die Südafrikaner gefragt, sich mit der Eventualität abzufinden, dass keinerlei umfassendes, substanzielles Gefühl nationaler Identität und Nationalität jemals entstehen wird, ganz zu schweigen von einem, das wahrhaftig bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 ausgedrückt werden kann. Das Beste, was wir tun können, ist Einheit vorzutäuschen, einfach weil warme und wohlige Gefühle, ob nun real oder vorgetäuscht, mitten im Winter, im Schatten einer Rezession und als Atempause vom Stress des alltäglichen Lebens in einer sich immer noch entwickelnden Demokratie, durchaus nützlich sind.

Also hat „die Nation“ nichts von der Fußball-Weltmeisterschaft zu erwarten?

Nichts von alldem heißt, dass wir nicht Braais [Grillpartys] abhalten, auf unseren Vuvuzelas üben, Gallonen von Bier trinken und überaus freundlich zu ausländischen Besuchern bei der Zurschaustellung unseres multikulturellen Schmelztiegels sein sollten. Nur weil etwas eher ein Konstrukt als Realität ist, heißt das nicht, dass es nicht nützlich sein kann. Wenn wir also einige Wochen lang Gefühle von Nationalität erzeugen können, und dies uns dabei hilft, als Land mit Begeisterung hinter unserer Mannschaft zu stehen, Werbung für Südafrika als tolles Urlaubsziel zu machen, einige positive Gespräche darüber zu führen, wer wir sind und wo wir als Gesellschaft hinsteuern, dann hätten wir schon viel dabei gewonnen.

Der Kern der Überlegungen in diesem Essay sollte daher nicht als Ode auf den Pessimismus gesehen werden. Mein zentrales Argument lässt sich unterm Strich folgendermaßen zusammenfassen. Wir müssen einfach unsere Erwartungen darüber herunterfahren, was nach der Fußball-Weltmeisterschaft passieren wird. Und wichtiger noch, wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir eine nationale Identität erfinden, statt eine echte auszudrücken. Dies soll nicht heißen, dass man nicht vielleicht irgendwie oder irgendwo eine nationale Identität finden oder aufbauen könnte, aber dies ist eine Überlegung, die wir als Land nie angestellt haben, einfach deswegen, weil wir uns angewöhnt haben, sie vorzutäuschen. Es wird Zeit, ehrlich zu uns selbst zu sein.

Dossier

WM 2010 - Afrika am Ball!

Das offizielle WM-Motto „Ke Nako - (Es ist Zeit) Afrikas Menschlichkeit zu feiern!“ nehmen wir mit diesem Dossier zum Anlass, genauer auf den Gastgeber und andere afrikanische Teilnehmernehmerländer der Fußball-Weltmeisterschaft zu schauen.