Der Kampf um die Anerkennung von LGBTI-Rechten als Menschenrechte

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Menschenrechtsanwältin Sibongile Ndashe

In den letzten Jahren gab es auf dem gesamten afrikanischen Kontinent zahlreiche Fälle von Menschenrechtsverletzungen gegen lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle (LGBTI) Personen.  Sie wurden von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren verübt und reichen von der Verweigerung von Grundrechten bis hin zu extremen Fällen von physischer Gewalt gegen LGBTI-Menschen, manchmal sogar mit tödlichen Folgen. Selbst an toten Opfern kam es noch zu Misshandlungen. Einige Staaten haben Schritte unternommen, das Strafrecht zu verschärfen , indem sie das Strafmaß erhöhten oder die Liste der Tatbestände erweiterten, die zu einer Anklage führen können. Amtierende und ehemalige Staatschefs nutzen öffentliche Auftritte weiterhin dafür, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu verurteilen.

Verschiedene religiöse Gruppierungen sind auf den Zug aufgesprungen und sprechen sich gegen gleichgeschlechtliche Partnerschaften aus. Zur Zeit stellen 38 afrikanische Länder gleichgeschlechtliche Intimität unter Strafe, während in Ländern, in denen es keine entsprechende Gesetzgebung gibt, häufig andere Verstöße – wie „Landstreicherei“ oder Erregung öffentlichen Ärgernisses – herangezogen werden, um LGBTI-Individuen oder Gruppen zu verfolgen. Außerdem wird die Verletzung der Menschenrechte die Übergriffe auch darstellen häufig hingenommen, wenn es sich um LGBTI Personen handelt.

Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse ist eine erstarkende Bewegung von Aktivist_innen entstanden, die sich für die Anerkennung der Rechte von LGBTI-Personen einsetzen.  Nach und nach nehmen sich auch andere zivilgesellschaftliche Gruppierungen, die eher dem Mainstream entspringen, des Problems multipler Verletzungen von LGBTI-Rechten im Sinne eines Menschenrechtsthemas an. Wie in jedem sozialen Kampf, wird es auch in diesem eine Hierarchisierung von Strategien geben. Manchen Argumenten wird mehr Gewicht verliehen als anderen, und es wird zu Auseinandersetzungen darüber kommen, welche Strategien eingesetzt werden sollen, um die Probleme anzugehen.

Dieser Artikel versucht, einen regionalen Überblick zu liefern. Im Fokus stehen dabei die Möglichkeiten und Herausforderungen, die sich im Rahmen der Afrikanischen Union und der Afrikanischen Kommission der Menschenrechte und der Rechte der Völker ergeben. Anschließend beleuchtet der Artikel die zentralen Punkte, die die junge Bewegung in Betracht ziehen muss, jetzt wo sie gerade beginnt, sich auf Länder- und Regionalebene zu formieren.

Die Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker

Die Afrikanische Kommission der Menschenrechte und der Rechte der Völker (kurz: ‘Die Kommission’) war bis zur Schaffung des Afrikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und die Rechte der Völker (kurz: ‘Der Gerichtshof’) das einzige Organ, das dazu berechtigt war, die Verletzung von Rechten zu untersuchen. Sie durfte Verstößen gegen die Rechte, wie sie in der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker (kurz: ‘Die Charta’) verankert sind, vorbeugen. Menschenrechte gelten schlichtweg für alle menschlichen Wesen, allein weil sie Menschen sind.

Die Bestimmungen der Charta sprechen „jedem Individuum“ , „jedem menschlichen Wesen“  und „jedem Bürger“  Rechte zu. Der Nichtdiskriminierungs-Artikel (Artikel 2) berechtigt alle Individuen, die Rechte der Charta in Anspruch zu nehmen, unabhängig von jeglicher Andersartigkeit. Zwar nennt die Charta Eigenschaften, aufgrund derer man nicht diskriminiert werden darf, jedoch ist die Aufzählung nicht erschöpfend, da sie den Zusatz „anderer Status“ enthält. In vergleichbaren Rechtsprechungen, z.B. nationaler Gerichte, wurde „anderer Status“ oder „aus anderen Gründen“ so interpretiert, dass sie sexuelle Orientierung einschließen. So wie alle Instrumente zur Sicherung von Grundrechten liefert auch die Afrikanische Charta eine ausreichende Basis für die Anerkennung aller Rechte ohne jegliche Unterscheidung, einschließlich der Rechte von LGBTI-Personen. Sie gewährt das Recht auf Leben, die Integrität der Person,  auf Freiheit und Sicherheit der Person, sowie die Respektierung der Würde des Menschen. Sie verbietet außerdem Folter und grausame, inhumane und entwürdigende Behandlung. Diese und weitere Punkte sind notwendig um vor Aggressionen zu schützen, denen LGBTI-Menschen ausgesetzt sind.  Artikel 60  und 61  der Charta ermöglicht es der Kommission, auf internationales Recht und Normen, die als solches betrachtet werden, zu verweisen.  

Die Charta räumt zwar die Möglichkeit ein, gewisse Rechte einzuschränken. Dennoch, ist diese Einschränkung nur eine ausgleichende Maßnahme, die Rechtskörper häufig ergreifen, um einer spezifischen Situation Rechnung zu tragen. Die Charta liefert keinen Freischein, eine gesamte Gruppe auszuschließen. Das Argument, die Rechte von LGBTI-Personen fänden sich nicht in der internationalen Menschenrechtsprechung wieder, oder lenkten von universal akzeptierten Menschenrechtsnormen ab, hat bereits in der UN sein Unwesen getrieben und wird vermutlich bald auch auf den Fluren der Afrikanischen Union die Runde machen.  

Diejenigen, die behaupten die Charta schütze nicht die Rechte von LGBTI-Personen, müssen darlegen, auf welcher Grundlage diese Beschränkung basiert. Um die Rechte zu verfechten, müssen die Verbrechen, die an LGBTI-Personen verübt werden, anhand der Charta oder internationaler Menschenrechte überprüft werden.

Die Afrikanische Kommission der Menschenrechte und der Rechte der Völker

Über Jahre hinweg hat die Kommission Verletzungen von LGBTI-Rechten durch Mitgliedsstaaten verfolgt. Während Mitgliedsstaaten vor der Kommission berichteten, forderte die Kommission sie aus eigenem Antrieb und allein auf der Grundlage von Schattenberichten auf, auf dokumentierte Übergriffe einzugehen. Darüber hinaus führte sie an, dass Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung unvereinbar mit der Afrikanischen Charta sei, und rief die Staaten auf zu erörtern, ob es nicht der Charta widerspreche, Verdächtige einer invasiven medizinischen Untersuchung zu unterwerfen. Zudem äußerte sie ihre Besorgnis über mangelnde Toleranz gegenüber Menschen anderer sexueller Orientierung.

Es bleibt jedoch unklar, warum die Kommission bisher keine Entscheidung getroffen hat, hinsichtlich der Gewährung eines Beobachterstatus der Coalition of African Lesbians (CAL), einer regionalen Menschenrechtsorganisation mit dem Ziel, die Rechte von Lesben zu verteidigen. CAL erfüllt die Kriterien zur Erlangung eines Beobachterstatus. Allen Organisationen, die sich gleichzeitig mit CAL im Jahr 2007 bewarben, wurde der Status bereits zuerkannt. Im November 2008 entschied die Kommission, eine geschlossene Sitzung einzuberufen, um weiter darüber zu debattieren, ob die Rechte, für die sich CAL einsetzt – sprich Menschenrechte – unter die Charta fallen. Was den Fall von CALs Bewerbung so interessant macht, ist, dass die üblichen Argumente bezüglich der Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung nie herangezogen wurden. CAL versucht lediglich, den Beobachterstatus zu erhalten, um sich mit der Kommission über Themen, die Lesben betreffen, auseinanderzusetzen. Die Organisation hat nicht vor, irgendein Gesetz, eine Praxis oder ein bestimmtes Verhalten, das Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert, abzuschaffen. Die Punkte, auf die CAL die Kommission aufmerksam machen will, sind nicht kontrovers. Schließlich hat sich die Kommission ja bereits mit Themen wie Gewalt gegen Lesben und Zwangsheirat befasst.

Gruppen oder Organe, die sich in ihrer Arbeit nicht auf sexuelle Orientierung einlassen wollen, werden nicht müde vorzuhalten, dass es kein einziges Land auf dem Kontinent gibt, das Lesben allein aufgrund ihrer Identität als solche kriminalisiere. Falls die Kommission CAL einen Beobachterstatus gewähren würde, könnte dies ein Signal sein für die Bereitschaft der Kommission, sich Fragen der Vereinigungsfreiheit zuzuwenden, weil manche Staaten sich immer noch weigern, Organisationen amtlich einzutragen, die für Menschenrechte in Bezug auf sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität eintreten. Wird die Bewerbung hingegen abgelehnt, riskiert die Kommission einen Eklat. Denn wenn die lesbische Identität eine Hürde für die Erlangung des Beobachterstatus darstellt, ist es zweifelhaft, welche Position die Kommission ergreifen wird, wenn Rechte aufgrund von sexueller Orientierung verletzt worden sind.

Die Afrikanische Union

Bis heute hat die Afrikanische Union keine öffentliche Position zum Thema sexuelle Orientierung bezogen; viele Regierungen ziehen es vielmehr vor, diesen Punkt zu umschiffen. Es ist daher verständlich, dass zahlreiche Aktivist_innen es für wenig sinnvoll halten, das Thema in der Öffentlichkeit voranzutreiben, zumal es wahrscheinlich ist, dass schnell ein Konsens gefunden wird, der nicht dem entspricht, was sich die Bewegung erhofft.

Keine einzige Regierung hat hierzu eine Führungsrolle übernommen oder auch nur die geringste Bereitschaft signalisiert, sich dem Thema zu widmen. Es muss daher noch viel Lobbyarbeit gegenüber diversen Regierungen stattfinden, um sie zu ermutigen, sich in dem Bereich durch finanzielle oder anderweitige Unterstützung zu engagieren. Regionale Organisationen in anderen Teilen der Welt haben entschiedene und aufeinander abgestimmte Schritte unternommen, um die Diskriminierung sexueller Minderheiten gesetzlich zu verbieten.

Staaten der Europäischen Union müssen anti-homosexuelle Gesetzgebung abschaffen, um den Mitgliedsstatus zu erlangen oder zu bewahren. Zusätzlich verlangt der Vertrag von Amsterdam die Verabschiedung von Anti-Diskriminierungs-Gesetzen durch die Mitgliedsstaaten. Die 34 Länder der Organization of American States (OAS) stimmten erst 2008 einer Resolution mit dem Titel „Human Rights, Sexual Orientation and Gender Identity“ zu.  Dieser folgte bereits im Juni 2010 eine zweite Resolution.  In der ersten wurde unter anderem die Besorgnis geäußert über Gewalttaten und damit zusammenhängende Menschenrechtsverletzungen gegen Individuen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität. Die Resolution wurde verabschiedet obwohl einige der Mitgliedsstaaten weiterhin gleichgeschlechtliche Intimität kriminalisieren. Die zweite Resolution forderte die Mitgliedsstaaten anschließend auf, Ansätze zu erarbeiten, wie Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität bekämpft werden kann.  

Innerhalb der Afrikanischen Union gibt es Anzeichen, die nahe legen, dass die Regierungen dem Thema mit einiger Vorsicht begegnen. Auf dem 15. AU-Gipfeltreffen im Juli diesen Jahres in Kampala, brachte Ägypten erfolgreich einen Antrag ein, der als Affront gegen jegliche Bemühungen im Bereich sexueller Orientierung gewertet wurde . Die anschließend verabschiedete Resolution ruft die Mitgliedsstaaten dazu auf, jene Zwietracht säenden Bemühungen in der UN zurückzuweisen, die versuchen, kontroverse Konzepte durchzusetzen. Konzepte, die außerhalb des international und regional vereinbarten rechtlichen Rahmens zu Menschenrechtsfragen fielen und sich besonders auf Sozial- und Wertesysteme beziehen.

Anscheinend haben die jüngsten Debatten über sexuelle Orientierung in der UN der von Ägypten vorangetriebenen Resolution Vorschub geleistet, da die Sprache dieses Dokuments stark aus einer alternativen Stellungnahme im UN-Streit schöpft. Frankreich hatte 2008 in der UN einen Antrag über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität eingebracht, den nur sechs afrikanische Länder – ausschließlich ehemalige französische Kolonien – unterzeichneten. Eine alternative Stellungnahme der Organisation der Islamischen Konferenz bemängelte, dass die französische Deklaration drohe, die internationalen Menschenrechtskonventionen zu untergraben, „durch den Versuch, Vorstellungen in die UN einzubringen, die keine rechtliche Grundlage in internationalen Menschenrechtsinstrumenten hätten.“ Dieses Dokument unterzeichneten 31 afrikanische Länder.  

Die zentralen Herausforderungen einer noch jungen Bewegung

Der Gedanke, dass die Diskriminierungen, denen LGBTI-Menschen ausgesetzt sind, Menschenrechte verletzen, ist keineswegs neu.  Die vorherrschende Meinung lautet, dass die Bewegung unter anderem noch nicht genug Zeit hatte, um eine Sprache und Strategien zu entwickeln, die auf dem Kontinent greifen. Auch wenn es von gewissem Vorteil ist, Menschenrechtsstrategien zu übernehmen, die in anderen Teilen der Welt Erfolg gezeigt haben, ist es nötig, sich mit den Faktoren zu beschäftigen, die die Effektivität dieser Strategien beschränken könnten.

Warum sich auf Entkriminalisierung konzentrieren? In den meisten Fällen bezieht sich das Strafrecht nicht auf die Identität der Person, sondern auf ihr Verhalten, genauer auf gleichgeschlechtliche Handlungen. Aus dem Akronym LGBTI hat das „G“ (Gay) besondere Aufmerksamkeit erfahren, da primär schwule Männer durch entsprechende Gesetze ins Visier geraten und verhaftet werden. Obwohl eine Strafverfolgung nach jenen Gesetzen, die einvernehmliche gleichgeschlechtliche Intimität verbieten, aufgrund der Beweislast häufig ohne Erfolg blieb, legitimieren diese Gesetze weiterhin Gewalt, Belästigungen und viele andere Formen von Diskriminierung, die auf die sexuelle Orientierung der Opfer abzielen. Entkriminalisierung mag zwar Homophobie nicht beenden, aber jene Gesetze abzuschaffen macht einen klaren Unterschied für Menschen, deren tägliches Leben dadurch gestört ist und die in der ständigen Angst leben, geoutet oder erpresst zu werden. Für Einzelpersonen und Organisationen, die in einem Umfeld arbeiten, in dem Homophobie rechtlich sanktioniert ist, würde die Befreiung vom Stigma der Illegalität eine völlig neue Welt schaffen.  

Die unverminderte Gewalt gegen schwarze Lesben in Südafrika hat einige Beobachter zu einer falschen Schlussfolgerung verleitet. Sie argumentieren, dass Entkriminalisierung für den Rest des Kontinents nicht die Priorität sein sollte, da die Gewalt in Südafrika trotz Entkriminalisierung anhält. Diese Gewalt ist indes kein Argument gegen Entkriminalisierung.

Die eigentliche Erkenntnis sollte sein, dass Rechte nicht allein in Parlamenten und Gerichten durchsetzbar sind. In einem Kontext, in dem der Staat der größte Übeltäter ist, zumal er nicht bereit ist, diskriminierende Bestimmungen aus seinen Gesetzesbüchern zu streichen, hilft der schlichte Fokus auf Gesetzesordnungen zur Prävention von Diskriminierung wenig dabei, die Ungleichheit, die Demütigung und das Stigma anzugehen, die der Kriminalisierung von Identitäten und sexuellen Akten innewohnen. Es gibt andere Missstände, wie der mangelnde Zugang zu Grundrechten, die Angst geoutet zu werden, Diskriminierung im Arbeitsbereich oder in der Gesundheitsversorgung, die durch Entkriminalisierung nicht beseitigt werden. Im Kampf gegen Stigmatisierung und Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung sollten sich Entkriminalisierung und die Prävention von Diskriminierung gegenseitig ergänzen.

Wann sind endlich LBTI an der Reihe? Dass die LGBTI-Bewegung auf dem afrikanischen Kontinent gerade dabei ist, an Fahrt zu gewinnen, verlockt dazu, das Akronym LGBTI unreflektiert zu übernehmen. LGBTI-Aktivismus kam zu einer Zeit auf, als LGBTI-Personen Bekanntheit und ein hohes Maß an Akzeptanz in vielen westlichen und englischsprachigen Ländern erlangten. Positiv betrachtet, steht LGBTI für Inklusivität und legt Wert auf verschiedene sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentitäten. Allerdings haben nicht alle Themen die gleiche Berücksichtigung erhalten; genauer gesagt, während LBTI lediglich symbolische Aufmerksamkeit zukam, wurde den Schwulen mehr Beachtung geschenkt.

Im Kampf um die gesetzliche Anerkennung von Rechten könnte die Unsichtbarkeit und Marginalisierung von Problemen anderer Gruppen, wenn nicht ausreichend aufgegriffen, der Einheit der Bewegung schaden. Im Mainstream der LGBTI-Arbeit wird Belangen wie den Schwierigkeiten von Transgender und Transsexuellen bei der Änderung von amtlichen Dokumenten, der Verfügbarkeit von Einrichtungen für geschlechtsanpassende Operationen oder der Unsichtbarkeit von Lesben erschreckend wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Der jüngste Fall von Muasya  in Kenia ist eine der wenigen Ausnahmen. Normalerweise findet die Verletzung der Rechte von intersexuellen Menschen am Rande der Öffentlichkeit und im Stillen statt.  

Sind Gerichtsverfahren der richtige Weg? Aktivist_innen haben verschiedene Strategien gewählt, um LGBTI-Rechte voranzutreiben. Diese Strategien umfassen unter anderem die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen, politische Bildung durch Theater oder Ausstellungen, Zusammenarbeit mit religiösen Führer_innen und die Suche nach Möglichkeiten, sich in gesetzliche Reformprozesse einzubringen. Zurzeit gibt es keine proaktiven Bemühungen, Gesetze abzuschaffen, die auf der Basis von sexueller Orientierung diskriminieren. Was wenig erstaunlich ist, da es sehr wenige Parlamentsmitglieder gibt, die bereit wären eine solche Initiative zu unterstützen. Die Auseinandersetzung mit gesetzlichen Reformprozessen war bisher vielmehr reaktiv, meistens in Form von Widerstand gegen Gesetze, die auf die Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen abzielen. Will man das Rechtssystem ändern, erweisen sich Gerichtsverfahren als ein sinnvolles Mittel um Reformen in diesem Bereich zu bewirken.

In einer Umgebung, in der Homophobie den Respekt vor Rechtsstaatlichkeit, konstitutionellen Garantien und internationalen Menschenrechtsstandards verdrängt hat, erfordern Gerichtsprozesse als eine Strategie des Wandels mehr Arbeit außerhalb als innerhalb des Gerichtssaals. Man braucht mehr als juristische Argumente um eine Verfassungsklage zu gewinnen. Die Existenz einer Bewegung, die sich auf (Bürger)rechte konzentriert, das Eingehen von strategischen Partnerschaften mit anderen Gruppen der Zivilgesellschaft, die Kooperation mit der Judikative und die Einsicht von Schlüsselakteuren, dass die Belästigung und Verfolgung von schwulen und lesbischen Personen Menschenrechtsprobleme sind, werden zunehmend als Voraussetzungen betrachtet, will man den Weg der Gerichte gehen um die Rechte von LGBTI zu verteidigen.  

Ausschlaggebend hierbei ist der Rahmen, in den die Rechte gestellt, und die Art, wie sie geltend gemacht werden. Es scheint um einiges einfacher, das Recht auf Schutz vor grausamer und entwürdigender Behandlung zu bestätigen, wie im Fall Oyo und Mukasa  geschehen, als die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen anzufechten, die gleichgeschlechtliche Handlungen kriminalisieren.. Die Gerichte in einem ersten Schritt dazu zu drängen, den Inhalt von Rechten wie Privatsphäre und Gleichheit zu definieren, könnte eine Grundlage bieten, auf die sich die Gerichte später stützen, wenn die größeren Fragen aufgeworfen werden.

Wo die Kämpfe erfolgreich verliefen, lag dies nicht ausschließlich an den Verhandlungen vor Gericht. Im Fall National Coalition on Gay and Lesbian Equality  wurde das südafrikanische Gesetz, das sexuelle Aktivitäten zwischen Männern verbot, zwar vor Gericht aufgehoben, der eigentliche Sieg wurde allerdings schon während des Prozesses der Verfassungsfindung errungen. Die Verankerung von sexueller Orientierung als eines der Kriterien, für die kein Mensch diskriminiert werden darf, hatte den späteren Verlauf bereits besiegelt. In den USA wurde die progressive Entscheidung im Fall Texas v Lawrence wiederum einer dynamischen zivilgesellschaftlichen Bewegung und dem positiven Image der LGBTI-Community in der amerikanischen Popkultur zugeschrieben. In der von der Naz-Stiftung initiierten Klage vor dem High Court of Deli waren schließlich die Kampagne Voices of Tolerance, die vielfältige Zusammensetzung der Bewegung und die Fähigkeit, strategische Schlüsselverbündete zu mobilisieren, ausschlaggebend.

Die Bewegung muss ihre Verbündeten kennen: Es ist einfach herauszufinden, was die Judikative denkt, denn sie muss ihre Entscheidungen begründen. Es wäre jedoch ein Fehler zu glauben, dass andere zentrale Akteure des Rechtswesens nicht ebenso hin- und hergerissen sind und Bedenken oder Vorbehalte gegenüber dem Schutz sexueller Minderheiten haben. Andernorts erwies sich die Frauenrechtsbewegung als eine der traditionellen Verbündeten der LGBTI-Bewegung. Der Wettkampf um Aufmerksamkeit, die Knappheit von Ressourcen und das Argument, dass die Beschäftigung mit LGBTI sich negativ auf ihr hauptsächliches Anliegen auswirken könnte, hat viele Frauenrechtsgruppen davon abgehalten, sich mit der LGBTI-Bewegung zusammenzuschließen. Damit einher geht die Kritik, dass Themen zu begrenzt aufgefasst werden, wenn sie als LGBTI-Probleme dargestellt sind. Der Vorwurf lautet, dass der Ansatz der sexuellen Rechte mehr einschließt und das afrikanische Dilemma, das mit der allgemeinen Tabuisierung menschlicher Sexualität beginnt, besser erfasst. In einem Umfeld, in dem jemand wegen Ehebruch zu Tode verurteilt werden kann, oder in dem Gesetze fortbestehen, die verheiratete Männer vor Verfolgung bewahren, wenn sie ihre Frauen vergewaltigen, so die Argumentation, knüpft die Hervorhebung von Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung zu sehr an westliche Vorstellungen an und vernachlässigt den sozialen Kontext. Einige Gruppen von Frauenrechtler_innen  haben angefangen, diese Lücke zu füllen indem sie sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität ausdrücklich in ihre Arbeit aufnehmen.

Mainstream-Menschenrechtsorganisationen sind dem Beispiel gefolgt, doch für viele ist dies noch eine sehr junge Entwicklung. Begründungen, sich nicht mit dem Thema zu beschäftigen, reichen von „Aber Homosexualität verstößt gegen das Gesetz in meinem Land“ bis „Mein Vorstand ist sehr homophob, sie werden nicht zulassen, dass wir dazu arbeiten“. Viele Anwälte, Menschenrechtsanwälte nicht ausgeschlossen, die gewöhnlich das Recht jeder angeklagten Person auf eine gerichtliche Vertretung hochhalten, lehnen es ab, LGBTI-Menschen vor Gericht zu vertreten. Anwälte, die diese Fälle annehmen, gehen damit große Risiken für ihre persönliche und berufliche „Integrität“ ein. Sogar jene, die sich der Fälle annehmen, lassen keinen geeigneten Moment vergehen um zu betonen, dass sie selbst nicht schwul sind, sondern nur helfen. Diese strategischen Partnerschaften bleiben von zentraler Bedeutung. Daher ist es notwendig, weiterhin auf diese Gruppen zuzugehen. Sie von der Legitimität des Anliegens zu überzeugen ist Teil der Arbeit auf dem Weg zur Entkriminalisierung.

Die Arbeit zu HIV/AIDS ist ein guter Einstieg, doch fördert sie nicht unbedingt Rechte: Gesundheitspolitische Strategien, die sich auf Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) konzentrieren, und diese als HIV/AIDS-gefährdete Gruppe identifizieren, haben sich als nützlicher Einstiegspunkt erwiesen. Sie haben dazu geführt, dass viele Staaten die Existenz der Community sowie die Notwendigkeit, für ihre Gesundheit Ressourcen zur Verfügung zu stellen, öffentlich anerkennen. Dieser Ansatz hat hingegen auch seine Grenzen: Wenn Staaten medizinische Behandlung bereitstellen – und somit ihre Verpflichtungen im Bezug auf das Gesundheitswesen erfüllen – folgt darauf nicht immer eine Entkriminalisierung, selbst wenn erkannt wird, dass das Strafrecht die Exponiertheit der Betroffenen erhöht.

Obwohl es verständlich ist, dass nach dem ersten Einstieg weitere Schritte nicht unbedingt offensiv vorangetrieben wurden (schließlich bringt selbst eine minimale Zusammenarbeit mit dem Staat Vorteile), muss die Agenda dieser Partnerschaften ausgebaut werden und Menschenrechte in ihrer Gesamtheit angehen, anstatt nur die Symptome des Problems zu behandeln. MSM Zugang zu medizinischer Behandlung zu gewähren ist eine progressive Maßnahme, aber sie hilft der Sache nicht wirklich weiter, wenn der selbe Mann, der eine ärztliche Behandlung erhält, wegen seiner sexuellen Handlungen verhaftet und bestraft werden kann.

Noch stehen wir am Anfang. Es ist immer noch schwierig, sichtbar zu werden; in vielen Ländern arbeitet die Bewegung weiterhin im Untergrund. Die Forderung nach Menschenrechten für LGBTI-Personen ist umstritten oder wird häufig übergangen. Es kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass die Community sehr energisch ist und sich der Kampf über den gesamten Kontinent erstreckt. Es mag Uneinigkeit herrschen, was Prioritäten und Strategien angeht, aber das Thema LGBTI hat einen festen Platz auf der Agenda eingenommen. Es ist präsent. Gleichzeitig wäre es naiv zu glauben, dass diese Auseinandersetzung allein mit dem Argument zu gewinnen ist, dass das Recht auf Privatsphäre, Gleichheit, Zugang zur Gesundheitsversorgung oder ähnliches beschnitten wird durch Gesetze, die gleichgeschlechtliche Handlungen unter Strafe stellen. Im Moment ist der Aufbau einer starken Bewegung die größte Herausforderung.
 

Dieser Artikel ist zunächst Perspectives Africa 4/2010: Struggle for equality: Sexual orientation, gender identity and human rights in Africa erschienen.

 

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