Trotz Haftbefehl wegen Völkermord: Staatspräsident Sudans in Kenia

Der sudanesische Präsident Omar al Bashir wird vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen und Völkermord gesucht. Dieses Bild ist gemeinfrei.

Von Kirsten Maas-Albert
"Dies ist der wichtigste Tag in unserer Geschichte seit der Unabhängigkeit", erklärte Kenias Staatspräsident Mwai Kibaki beim Staatsakt vor zehntausenden Bürgern.

Kibaki wie auch Premierminister Raila Odinga leisteten bei der Zeremonie in Nairobi ihren Amtseid auf die neue Verfassung. Ein freudiges Ereignis, wäre da nicht ein kleines aber nicht unbedeutendes Detail gewesen: Von der Tribüne der versammelten Staatsmänner der Nachbarländer lächelte der sudanesische Präsident Omar al Bashir in die Kameras. Und der wird vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) gesucht!

Al Bashir wird auf der Grundlage von zwei Haftbefehlen des IStGH für Gewalttaten gesucht, die in der Region Darfur im Sudan verübt wurden. Der erste wurde im März 2009 wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgestellt. Der zweite ist vom Juli 2010 und klagt ihn des Genozids an.

Seither reist das sudanesische Staatsoberhaupt nicht mehr viel: Vor einem Monat erst verzichtete er auf die Teilnahme am Gipfel der Afrikanischen Union in Uganda. Allein im Tschad führte al Bashir politische Gespräche.

Kenia ist einer der 31 afrikanischen Vertragsstaaten des IStGH. Und somit durch das Römische Statut zur Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof verpflichtet. Dies beinhaltet unter anderem die Ausführung von Haftbefehlen.

So forderte die EU-Außenministerin Catherine Ashton Kenia auf, den wegen Kriegsverbrechen und Genozid gesuchten Bashir zu verhaften. Zahlreiche Organisationen taten es ihr gleich. Doch in Kenia fühlte sich der international Angeklagte sicher und von dort reiste er dann nach dem Staatsakt auch wieder unbehelligt zurück in seine Heimatstadt Khartoum.

Stellt sein „Auftritt“ in Nairobi nun das Bekenntnis Kenias in Frage, mit dem IStGH zusammenzuarbeiten, wenn es um Ermittlungen im eigenen Land geht? Unter denen, die infolge der Wahlen 2007 Unruhen mit mehr als 1.100 Toten angezettelt haben sollen, sind weithin vermutet einige Regierungsmitglieder.

Nairobi hatte bislang für die Untersuchung des IStGH in Kenia uneingeschränkte Kooperation zugesagt und diese gerade im Juni 2010 bei der Überprüfungskonferenz in Kampala, Uganda noch bekräftigt. Aber letztlich ist ungewiss wie die Regierung mit der nächsten Herausforderung umgehen wird: Im November bereits ist mit den Anklagen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu rechnen.

Dass die dann angeklagten Politiker Kenias ausgeliefert werden, dürfte nach diesem offiziellen Staatsbesuch al Bashirs bezweifelt werden. Und vielleicht ist Kenias Entscheidung auch ein Signal an Luís Moreno Ocampo, den Chefankläger des IStGH. Der hat bislang fast ausschließlich gegen afrikanische Täter ermittelt und das missfällt angesichts von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Angriffskriegen anderswo auf der Welt.

Die Afrikanische Union selbst forderte auf dem letzten Gipfel dazu auf, al Bashir nicht zu verfolgen. Und Kenia trotzte den Verpflichtungen des IStGH mit der Begründung eine friedliche Nachbarschaft (auch mit dem Sudan) erfordere pragmatisches Auftreten.

Ob der jetzt vom IStGH angerufene UN-Sicherheitsrat angesichts des bevorstehenden Referendums im Südsudan und des erhöhten Friedensrisikos den selbsternannten „Vermittler“ verurteilen wird, bleibt abzuwarten.

Kirsten Maas-Albert ist Leiterin der Afrika-Abteilung der Heinrich-Böll-Stiftung.

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