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Politik, Prinzipien, Praxis: Simbabwes Diamanten und der Kimberley-Prozess

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Hinweis: Es handelt sich hierbei um eine englischsprachige Publikation

Mit dem Kimberley Prozess (KP) wurde im Jahr 2003 ein internationales Zertifizierungsverfahren eingeführt, das den Handel mit sogenannten Konfliktdiamanten unterbinden soll. Konfliktdiamanten sind Rohdiamanten, die von Rebellenbewegungen und ihren Verbündeten missbraucht werden, um ihren gewaltsamen Kampf gegen legitime Regierungen zu finanzieren. Seine Einführung zeigte schnell erste sichtbare Erfolge: so sank der Anteil der Konfliktdiamanten am Gesamthandel von geschätzten 4 bis 15 Prozent Ende der 1990er Jahre bis heute auf weniger als 0,2 Prozent. Dennoch geriet der KP schon bald aufgrund der Differenz seiner ambitionierten Ziele einerseits und deren praktischen Umsetzung andererseits in die Kritik. Insbesondere der Abbau der Diamanten aus Marange, Simbabwe wurde in der Vergangenheit von Berichten über Gewalt, Menschenrechtsverletzungen und Schmuggel überschattet und nährt die Zweifel über die Glaubwürdigkeit des Prozesses und dessen Definition von „Konfliktdiamanten“. Die Uneinigkeit zwischen den Mitgliedsstaaten des KPs darüber, wie man mit den Marange-Diamanten verfahren solle, haben den Prozess in vielen Bereichen weitestgehend handlungsunfähig gemacht.

Unlängst ging der Kampf um die Marange Diamanten und dem KP in eine neue Runde. Im Oktober 2011 kündigte die Koalition der Zivilgesellschaft des KPs an, ein angesetztes Treffen der KP-Vollversammlung in Kinshasa D.R. Kongo zu boykottieren. Neben Regierung und Industrie bildet die Zivilgesellschaft eine der drei Säulen des KP's. Bereits im Juni hatte eine Delegation der Zivilgesellschaft aus Protest das letzte Treffen der KP verlassen, da der derzeitige Vorsitzende Mathieu Yamba eigenmächtig Simbabwes Rohdiamanten zum Handel freigab. Unberührt von dem Boykott, fuhr Herr Yamba mit der Vollversammlung fort und kommentierte dies mit den Worten „ich arbeite mit denen zusammen, die das wünschen“.

Es stellt sich die Frage, ob der Kimberley-Prozess die Marange-Problematik überstehen kann. Alan Martin, einer der führenden Aktivisten aus der KP-Koalition der Zivilgesellschaft, ist davon überzeugt, dass sich das System zwangsläufig selbst abschafft, wenn es ihm nicht gelingt sich zu modernisieren und sich einem höheren Standard zu verpflichten. Dagegen hält Stéphane Chardon, Vorsitzender der KP „Monitoring“-Arbeitsgruppe, dass gerade die Diskussionen um die Marange Minen die Fähigkeiten des Systems zeigen würde, neue Herausforderungen anzugehen und zu tatsächlichen Verbesserungen vor Ort beizutragen.

Seit den durch das simbabwische Militär angezündeten gewaltsamen Auseinandersetzungen in 2008 hat sich die Sicherheits- und Menschenrechtslage tatsächlich etwas gebessert. Die Menschenrechtssituation in den Marange-Diamantenfelder bleibt jedoch nach wie vor brisant, warnt Menschenrechtsaktivist Farai Mauwu. Wichtiger noch, die Angelegenheit muss im Kontext der politischen Krise Simbabwes gesehen werden, die nach wie vor unverändert bleibt. Auch die Schaffung einer Regierung der nationalen Einheit konnte nicht verhindern, dass die Diamanten aus Marange anstatt die stark beschädigte Wirtschaft Simbabwes zu stärken, nach wie vor eine wichtige Einnahmequelle der regierenden Elite der ZANU-PF und ihrer militärischen Verbündeten zu sein scheint. Gerade aufgrund dieser erahnten Verbindung zwischen dem brutalen Machterhalt der ZANU-PF und der Kontrolle der Marange-Diamanten plädieren einige Beobachter dafür, diese als Konfliktdiamanten zu klassifizieren.

Ob eine Neuklassifizierung – und konsequenter Weise damit die Suspendierung Simbabwes vom KP – zu den gewünschten Erfolgen führen würde, bleibt umstritten. Claude Kabemba ist der Meinung, dass das Fortbestehen des Handels mit Marange-Diamanten unter dem KP sogar ein Mindestmaß an Transparenz und Zuverlässigkeit unterstützen könne.

Die vorliegenden Beiträge weisen alle deutlich darauf hin, dass die Lösung der Marange-Problematik letztendlich in Simbabwe liegt. Jedoch besteht kein Zweifel, dass der KP und Simbabwes unmittelbare Nachbarn eine kritischere Rolle in der Lösung dieser drängenden Probleme spielen müssen. Wir hoffen, dass diese Ausgabe von Perspectives, die von angeregten Diskussionen während eines von der Stiftung mit veranstalteten Seminars inspiriert wurde, die Debatte darüber, wie die Marange Diamanten zum Vorteil aller Simbabwer genutzt werden können, bereichern wird.

Dr. Antonie Nord, Leiterin des Regionalbüros Südliches Afrika
Jochen Luckscheiter, Programmkoordinator des Regionalbüros Südliches Afrika

» Übersichtsseite aller Persepctives-Ausgaben (englisch)

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Veröffentlichungsdatum
2011
Herausgegeben von
Heinrich-Böll-Stiftung
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