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Geben wir es zu: Dies ist Pakistans eigener Krieg

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26. September 2008

Zwölf Stunden nach dem Bombenanschlag auf das Marriott Hotel in Islamabad waren die Flammen noch immer nicht gelöscht. Der mittelgroße Shezore LKW, mit 600 kg Plastiksprengstoff beladen, fuhr an die Sicherheitsschranke des Hotels heran, explodierte und setzte dabei das Hotel in Brand. Doch eigentlich ist es noch mehr als das – wenn Osama bin Laden vom „Erfolg“ der Anschläge auf das World Trade Center in New York 2001 „angenehm“ überrascht war, muss er von der völligen Zerstörung eines Hotels geradezu „beglückt“ gewesen sein; zumal verursacht durch einen Wagen, dem es – nach Angaben des Besitzers Sadruddin Hashwari – nicht einmal genehmigt war, das Gelände zu passieren, sondern der an der Sicherheitsschranke nahe der Hauptstraße vom Wachpersonal des Hotels gestoppt wurde.

Islamabad rückte nach den Wahlen 2008 immer wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit Al Qaidas – mit einer Häufigkeit von fast einmal pro Monat. Den Bombenanschlag auf die Dänische Botschaft gestand Al Qaida ein, während sie ihre „Taliban-Lakaien“ die Verantwortung für andere übernehmen lässt. Und diese Vorgehensweise ist Al Qaida nicht neu. 1995 hatte Aiman al Zawahiri seine Theorie von al adu al qarib (dem nahen Feind) mit einem Bombenanschlag und der vollständigen Zerstörung der Ägyptischen Botschaft in Islamabad verkündet. So oder so, und trotz des besonderen Interesses von Al Qaida waren die Sicherheitsbehörden nicht in der Lage, Islamabad tatsächlich zu „sichern“. Ein Grund dafür ist ganz offensichtlich. Selbstmordattentäter sind praktisch kaum aufzuhalten. Ein anderer sind die Al Qaida–Sympathisanten und –Unterstützer, die auf allen Ebenen der pakistanischen Gesellschaft existieren, besonders aber in den unteren Schichten. Ein dritter Grund liegt im Mangel an Anti-Terror-Ausbildung für die pakistanischen zivilen Sicherheitsbehörden, die personell unterbesetzt und unzureichend ausgestattet sind. Schlechte Bezahlung sorgt eben auch für eine geringe Motivation.

Das eigentliche Ziel hätte das Parlamentsgebäude sein können, wo Präsident Asif Zardari in Anwesenheit aller wichtigen Persönlichkeiten des Staats seine Rede hielt. Wie ist es möglich, dass ein mit Sprengstoff beladener LKW ohne hinreichende Kontrolle durch die Straßen der Hauptstadt fahren kann?! Eine Begründung ist sicherlich, dass der Wagen als Baufahrzeug getarnt war, was ihn wegen der zahlreichen Baustellen überall in der Stadt nicht ungewöhnlich erscheinen ließ. Offenbar war der LKW auch unweit des Marriott Hotel kontrolliert worden, allerdings konzentrierte sich diese Kontrolle vielmehr darauf, ihn durch ein sensitives Gebiet zu leiten als auf die Prüfung seiner Ladung als solche. Nach Angaben des ehemaligen FATA-Ministers Brigadier (a. D.) Mehmood Khan könnte der Sprengstoff aus der Wah Munitionsfabrik stammen – Ladung eines Truck der kürzlich von Al Qaida entführt worden war. Folglich hätte Al Qaida für den Anschlag lokale Ressourcen benutzt.

Wahrscheinlich war das Marriott Hotel nur zweitrangiges Ziel. Unglücklicherweise besaß aber auch niemand in Islamabad nur eine Vorstellung davon, was Al Qaida mit Selbstmordattentaten anrichten kann. Das Hotel war zuvor bereits dreimal angegriffen worden, einmal ganz offen von Geistlichen der Roten Moschee bedroht, die mit ihrem Vorrat an Selbstmordattentätern prahlten – einem indirekten Hinweis auf das zerstörerische Potenzial Al Qaidas, den Schirmherren des wachsenden Einflusses gewaltbereiter Kleriker in Islamabad mit annähernd hundert Madrassen, viele davon illegal. Die Inbesitznahme Islamabads steht zweifelsohne auf der Agenda der Al Qaida.

Bedauerlicherweise gab es dementsprechend auch recht bald einiges an „unreflektiertem“ Journalismus. Ein Kommentator meinte, Präsident Zardari solle zu den USA gehen, Präsident Bush in die Augen blicken und ihn herausfordern. Ein anderer stellte ernsthaft die Frage, ob hinter dem Anschlag nicht eigentlich eine „fremde“ Machte stehen könnte – eine  Anspielung, die jeden einbeziehen würde von Indien, Afghanistan, Israel und Russland bis hin zu den Vereinigten Staaten. Ein weiterer Journalist mutmaßte, dass das Marriott Ziel des Anschlags war, weil sich dort während Aufenthalts von Admiral Mike Mullen in Islamabad letzte Woche einige amerikanische Marines heimlich eingenistet hätten. Ein Geistlicher in Quetta sagte, er könne den Anschlag nicht verurteilen, da es sich um einen fidai hamla (Selbstmordanschlag) handele, der auf „Amerika und seine Komplizen“ abzielte. Ein Führer von Jama’at-e-Islami glaubte, dies könnte eine Reaktion auf die letzten Anschläge in Indien sein, womit er meinte, es handele sich um einen „Wie du mir, so ich dir“–Racheakt aus Indien und ginge nicht etwa von jemandem aus Pakistan aus. Es ist erstaunlich, wie diese Leute sich selbst und das Volk Pakistans beschwindeln, indem sie aufgrund ihres Anti-Amerikanismus, wie auch immer dieser gerechtfertigt sein mag, die Dinge einfach nicht beim Namen nennen – Al Qaida hat dies getan.

Zum Glück hat immerhin Premierminister Yousaf Raza Gilani den Feind klar und direkt benannt. Er meinte, der Anschlag kam aus den Reihen Al Qaidas und ihrer tausenden „ausländischen“ Terroristen, die sich mittlerweile in den Tribal Areas (Stammesgebieten) aufhalten. Präsident Zadari war sogar noch etwas energischer als er sagte, er und das Volk Pakistans stünden zusammen einem Angriff des Terrorismus gegenüber, und dabei auf „seine Frau, die er [der Terrorismus] verbrannt hatte“ verwies, als sie eben jenen Terroristen letzten Dezember nicht unweit von Islamabad zum Opfer fiel. Es tat auch gut zu sehen, wie Rehmann Malik, Berater des Innenministeriums, kurz nach dem Vorfall zur Stelle war, die protokollarische Verantwortungen übernahm und die Versorgung der Verletzten in den verschiedenen Krankenhäusern der Stadt unterstützte.

Geben wir es zu: Dies ist Pakistans Krieg, den die pakistanische Armee bestreitet. Geben wir auch zu, dass Pakistan globale Verbündete braucht, um jenseits der überaus wichtigen Einsichten – durch das Abhören von Telefonaten – über die Bewegung und Absicht der Al Qaida und jenen, die ihnen behilflich sind, überhaupt festzustellen, was in Pakistan gerade geschieht. Und geben wir zu, dass Pakistan, angesichts seiner wirtschaftlichen Krise, nicht wirklich in der Lage ist, seine Muskeln gegen den Terrorismus zu spielen lassen, solange es nicht durch Finanzen, die Expertise und Technologie seiner ausländischen Freunde unterstützt wird.

 

Deutsche Fassung von "Admit it: this is Pakistan’s war", Editorial der Daily Times vom 22. September 2008

Übersetzung: Doreen Beierlein. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Daily Times.