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Verbraucherpolitik zwischen Schutz und Freiheit

2. Oktober 2008
Von Benjamin Scharnagel

Von Benjamin Scharnagel

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Einleitung

Spätestens seit der BSE-Krise, die ihren Höhepunkt zur Jahreswende 2000/2001 erreicht hatte, ist der Verbraucherschutz wieder zu einem zentralen Anliegen in der deutschen Politik geworden. Zu Beginn des Jahres 2001 richtete die rot-grüne Bundesregierung das erste Verbraucherschutzministerium auf Bundesebene ein; damals wurde Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) die erste Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Nach dem Regierungswechsel übernahm Horst Seehofer (CSU) Ende 2005 die Amtsgeschäfte im dann umfirmierten Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

Auch die im deutschen Bundestag vertretenen Parteien haben den Verbraucherschutz stärker für sich entdeckt, Verbraucheranliegen in ihren Parteiprogrammen verankert und verschiedene verbraucherpolitische Konzepte erarbeitet. Jüngstes Beispiel ist der Beschluss des CDU-Bundesvorstands zur „Bewahrung der Schöpfung: Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz“. Unter dem Stichwort Bürgernähe will die Europäische Union das Themenfeld Verbraucherschutz ebenfalls stärker besetzen und systematischer bearbeiten. Neben einer Vielzahl bereits existierender Richtlinien hat die Europäische Kommission Anfang 2007 ein Grünbuch zur „Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz“ und eine verbraucherpolitische Strategie für den Zeitraum 2007 bis 2013 beschlossen.

Im Gegensatz zu diesem politischen Engagement werden Fragen des Verbraucherschutzes in den Wirtschaftswissenschaften eher stiefmütterlich behandelt (siehe zu jüngeren Ausnahmen: Sinn, 2003; Hagen, 2006; Rischkowsky, 2007). Dabei galt schon für den schottischen Moralphilosophen und Begründer der klassischen Volkswirtschaftslehre, Adam Smith: „Consumption is the sole end and purpose of all production.“ Und auch Ludwig Erhard formulierte für die Soziale Marktwirtschaft: „Unsere Wirtschaftspolitik dient dem Verbraucher; er allein ist Maßstab und Richter allen wirtschaftlichen Tuns.“

Der folgende Beitrag soll die grundlegenden Aspekte des Verbraucherschutzes aus ökonomischer Perspektive erläutern, die Argumente für und wider staatliche Eingriffe zum vermeintlichen oder tatsächlichen Verbraucherwohl abwägen und Lösungen aufzeigen, die Anbieter und Nachfrager selbst zur Durchsetzung von Verbraucherinteressen ergreifen können.

Verbraucher und Verbraucherpolitik

Die Verbraucherpolitik kann grundsätzlich auf der gesamtwirtschaftlichen oder auf der einzelwirtschaftlichen Ebene ansetzen. Die erste, makroökonomische Stoßrichtung stellt auf die Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ab. Der private Konsum soll gestützt oder gefördert werden – z. B. durch Umverteilung und Transfers an die privaten Haushalte, Steuer- und Abgabensenkungen oder Subventionen.

Zudem findet die Verbraucherpolitik auf der Makroebene ihren Ausdruck in staatlicher Konsumlenkung. Diese verfolgt das Ziel, die Struktur des privaten Konsums entsprechend politischer oder gesellschaftlicher Wertvorstellungen zu steuern. Beispielsweise sollen Altersgrenzen für den Alkohol- und Tabakkonsum, spezielle Verbrauchsteuern oder das strafrechtliche Verbot harter Drogen dafür sorgen, den Konsum bestimmter, als schädlich erachteter Produkte einzuschränken oder zu verbieten.
Im Gegensatz zu dieser gesamtwirtschaftlichen Perspektive stellt der mikroökonomische Ansatz die Interessen und Bedürfnisse des Einzelnen in den Vordergrund. Verbraucherpolitik in diesem Sinne ist Politik für den einzelnen (End-)Verbraucher und für bestimmte Verbrauchergruppen. Sie versteht sich auch als Wirtschaftspolitik von der Nachfrageseite her. Zu ihren Aufgaben zählt im Wesentlichen,

  • den Konsumenten zuverlässige Informationen bereitzustellen, damit sich diese optimal auf ihre Entscheidungen vorbereiten können (Verbraucherinformation);
  • rechtlichen Schutz vor Täuschung und Übervorteilung zu gewähren sowie Gefahren für Sicherheit, Leben und Gesundheit abzuwehren (Verbraucherschutz);
  • die Verbraucher aufzuklären (Verbrauchererziehung).

In der Praxis setzt die Verbraucherpolitik auf der Mikroebene beim Konsumenten an. Sie ist eine Querschnittsaufgabe, die unterschiedliche Bereiche betrifft. Mit Blick auf verschiedene Verbrauchergruppen erstreckt sie sich beispielsweise auf den Anleger-, Jugend-, Mieter- oder Patientenschutz. In thematischer Hinsicht berührt sie unter anderem den Gefahren- und Gesundheitsschutz, den Umweltschutz, die technische Sicherheit, die Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Informationsrechte und -pflichten, das Vertragsrecht und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder das Wettbewerbsrecht.

Das Bürgerliche Gesetzbuch definiert den Verbraucher als natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Die Rechtsprechung – etwa der Bundesgerichtshof oder der Europäische Gerichtshof – geht regelmäßig von einem durchschnittlich informierten, verständigen Verbraucher aus. » zur Vollversion

Dieser Artikel wurde mit der Unterstützung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) ermöglicht.