Die tropischen Regenwälder sind auf verschiedene Arten mit dem globalen Klimawandel verknüpft: Ihre Abholzung und Degradation sorgen für einen maßgeblichen Anteil (ca. 20-25 Prozent) der weltweiten Treibhausgasemissionen. Die Anpassungsfähigkeit und Funktionalität der Waldökosysteme sind selbst von den Folgen der globalen Erwärmung stark bedroht, insbesondere ein Anstieg der globalen Mitteltemperatur um mehr als 2º Celsius würde sie massiv schädigen. Wälder sorgen zudem für eine Stabilisierung der Naturräume und eine reduzierte Vulnerabilität, sie spielen somit auch im Bereich Adaption eine wichtige Rolle.
Das Klimaregime des Kyoto-Protokolls stellt bisher keine Kompensationen für Entwicklungsländer bereit, die ihre Wälder schützen. Der Bali Action Plan der UN-Klimakonferenz erteilte im Dezember 2007 jedoch das Verhandlungsmandat, einen Mechanismus zu entwickeln, der wirtschaftliche Anreize für „Reduced Emissions from Deforestation and Degradation“ (REDD) schafft. Über die Ausgestaltung eines solchen Mechanismus findet derzeit eine kontroverse Diskussion um folgende Kernfragen statt:
- Wie sollen die Kompensationen über vermiedene Entwaldung finanziert werden? Möglich wären etwa die Einrichtung eines Fonds oder die Einbindung in den Emissionshandel.
- Was genau soll entschädigt werden? Hierbei spielt der differenzierte Umgang mit verschiedenen Typen von Ländern eine zentrale Rolle: Werden nur Länder mit einer bereits hohen Entwaldungsrate, die zudem über ausreichende institutionelle Möglichkeiten für den Waldschutz verfügen (z.B. Brasilien), in einen Ansatz integriert, oder können auch Länder mit einer (noch) geringen Entwaldungsrate oder schwachen Kapazitäten (z.B. Kongo) einbezogen werden?
- Wie werden die Kompensationen auf nationaler Ebene sozial gerecht und ökologisch effektiv verteilt?
- Welche konkreten praktischen Schritte sind zur Umsetzung eines Kompensationssystems nötig?
Die internationale Zivilgesellschaft positioniert sich gespalten zu diesen Fragen, zu deren Verständnis aufgrund der Komplexität der Problematik und der Lösungsalternativen zudem eine hohe Fach- und Regionalkompetenz notwendig ist. Vor diesem Hintergrund organisierte die Heinrich-Böll-Stiftung am 9. Juli 2008 ein Fachgespräch zum Thema „Wälder im Klimaregime“ in Berlin.
Fachgespräch „Wälder im Klimaregime“
Die Veranstaltung war in zwei Teile aufgeteilt, wobei der Fokus des ersten auf den verschiedenen Finanzierungsvorschlägen und ihren Vor- und Nachteilen lag und der zweite Teil sich auf Implementierungs- und Governance-Fragen konzentrierte.
Zu Beginn des ersten Teils standen zwei kurze Impulsreferate. Zunächst wurde die Integration der Regenwälder ins Klimaregime in die Perspektive globaler Klimagerechtigkeit eingeordnet. Eine auf der Basis des Greenhouse-Development-Rights-Ansatzes gerechte Verteilung von Reduktionsverpflichtungen verlangt von den Industrieländern, über die Reduzierung ihrer eigenen Emissionen hinaus die Entwicklungsländer massiv beim Klimaschutz zu unterstützen. Das Ziel, die Klimaerwärmung auf maximal 2º Celsius zu begrenzen, ist ohne REDD nicht zu erreichen. Eine Anrechnung von REDD auf die von den Industrieländern angestrebten und mit dem Instrument des Emissionshandels zu erreichenden Emissionsreduktionen um 25-40 Prozent bis 2020 würde nicht zu den global notwendigen Emissionsreduktionen führen. REDD-Maßnahmen müssen folglich zusätzlich zu diesen Zielen entwickelt und finanziert werden, etwa durch Auktionserlöse. Als Schlüssel zur weltweiten Aufteilung der Reduktionsziele kann der Verantwortungs- und Kapazitätsindex des GDR herangezogen werden.
Mit dem TDERM (Tropical Deforestation Emission Reduction Mechanism) wurde dann ein Vorschlag vorgestellt und diskutiert, der die Finanzierung von REDD-Aktivitäten konkretisiert und dabei durch eine differenzierte Ausgestaltung den vielfältigen Problemen einer reinen Integration von REDD in den Emissionshandel entgegentritt. Der Mechanismus bezahlt Tropenwaldländer für eine messbare Reduktion ihrer Emissionen aus der Waldzerstörung und generiert die Mittel hierzu aus der Versteigerung von neu geschaffenen Handelseinheiten (Tropical Deforestation Emission Reduction Units – TDERUs) an die Annex-1-Staaten des Kyoto-Protokolls. Die Verwendung dieser Einheiten zur Deckung der Reduktionsziele wird limitiert, um zu verhindern, dass eigene Anstrengungen im Bereich fossiler Energieträger vermindert und der Kohlenstoffmarkt von Zertifikaten überschwemmt wird. Gleichzeitig wird die ausreichende Finanzierung des TDERM dadurch sichergestellt, dass Annex-I-Länder zum Erwerb einer Mindestmenge von TDERUs verpflichtet werden. Mit dem Mechanismus wird eine Art „Firewall“ zwischen der Reduktionsberechnung in den Tropenwaldländern und den Handelseinheiten geschaffen.
Der Mechanismus wird verpflichtet, einen Portfolio-Ansatz zu verfolgen, bei dem einerseits in Ländern mit hoher Entwaldungsrate faktische Emissionen verringert und andererseits in Ländern mit geringer Entwaldungsrate (aber einer drohenden zukünftigen Abholzung) potenzielle Emissionen durch Schutz der Wälder vermieden werden. Für jede TDERU werden drei Tonnen CO2-Emissionen durch Abholzung vermieden, wobei die Höhe dieses Diskontfaktors letztendlich eine Frage der politischen Aushandlung ist. Die Menge der Gesamtreduktionen wird erhöht, d.h. es werden nicht nur (wie im CDM bzw. bei voller Anrechnung) Emissionen verschoben: Für eine Tonne zusätzlicher fossiler Emissionen in Annex-I-Staaten werden beim vorgeschlagenen Diskontfaktor drei Tonnen Entwaldungsemissionen in Entwicklungsländern vermieden.
Wer und was soll entschädigt werden?
In der anschließenden Diskussion wurden zur Frage, was bzw. wer entschädigt werden soll, folgende Aspekte erörtert:
- Länder könnten ihre Nettoemissionen im Waldbereich senken, indem sie einerseits weiter abholzen und an anderer Stelle durch industrielle Anpflanzungen aufforsten. Diesem Risiko muss unbedingt entgegen getreten werden.
- Ziel eines Mechanismus sollte in jedem Fall sein, den Schwerpunkt der Aktivitäten auf die Verringerung bereits bestehender Abholzung zu legen. Kontrovers wurde in diesem Zusammenhang diskutiert, ob deshalb Indien als ein Land mit relativ geringer Entwaldungsrate und großen Kohlenstoffspeichern von dem Mechanismus ausgeschlossen sein sollte. Da Indien sehr stark an Kompensationen für den Erhalt seiner Bestände interessiert ist, wurden hier unter anderem Probleme der politischen Umsetzbarkeit gesehen.
Konsens herrschte darüber, dass Reduktionen aus vermiedener Entwaldung zusätzlich zu den bisher vereinbarten Zielen sein müssen. Möglichkeiten und Grenzen der politischen Umsetzbarkeit im Zusammenhang mit derzeitigen politischen Positionierungen wurden dabei jedoch unterschiedlich bewertet. Insbesondere die Frage, ob die Unterstützung einer reinen Integration von REDD in den Kohlenstoffmarkt innerhalb der internationalen Gemeinschaft schwindet oder konstant ist, wurde unterschiedlich eingeschätzt.
Ein Kommunikationsproblem gegenüber den Tropenwaldländern stellen in jedem Fall die unterschiedlichen Positionen auf EU-Ebene dar. Umstritten ist dabei die Frage, inwieweit auf globaler Ebene vorgegeben werden kann, welchen Anteil der Versteigerungserlöse die nationalen Regierungen für den internationalen Mechanismus verwenden müssen. Nur eine einheitliche, klare Position der EU-Staaten vermittelt jedoch die für einen Verhandlungserfolg notwendige Glaubwürdigkeit.
Von einem Mechanismus wie REDD wird eine gewisse Flexibilität gefordert, der Spielraum für neue Akteure und Instrumente lässt. Andererseits sollte auch beachtet werden, welche Ziele und Instrumente realistischerweise in ein 2009 zu verabschiedendes Kopenhagener Abkommen einbezogen werden können. Wie die jüngsten Finanzierungszusagen Norwegens und Deutschlands für den Waldschutz zeigen, scheint derzeit Unterstützung für REDD in Form von gesonderten Fonds einfacher politisch vermittelbar als höhere Emissionsreduktionsziele. Zu den Finanzierungszusagen wurde kritisch bemerkt, dass diese im Falle Deutschlands kein „frisches Geld“ bereitstellen.
Implementierung – klima- und entwicklungspolitische Anforderungen
Im zweiten Teil des Fachgesprächs wurden die sich aus REDD ergebenden Implementierungsanforderungen aus klima- und entwicklungspolitischer Sicht erörtert. Um Chancen wie zusätzliche Einnahmen für Indigene und Kleinbauern, finanzielle Anreize zu nachhaltiger Landnutzung für Sojafarmer und Viehzüchter, Biodiversitätsschutz etc. zu nutzen, müssen beträchtliche entwicklungspolitische Kriterien erfüllt werden. Dazu gehören u.a. die Entwicklung differenzierter Nutzungsstrategien für die vielfältigen Zielgruppen und damit der Einbezug des Agrarsektors sowie länderspezifischer subnationaler Transfersysteme für Ressourcennutzer und die öffentliche Hand, die Transparenzkriterien genügen und Verteilungskonkurrenzen thematisieren. Vor diesem Hintergrund muss genau bedacht werden, an welchen Stellen das REDD-System flexibel für landesspezifische Ansätze gelassen werden sollte. Die Debatte über Zahlungen für Umweltdienstleistungen (PES) hat zudem vielfältige Schwierigkeiten vor allem für die dauerhafte Finanzierung solcher Systeme gezeigt. Daher wird die Etablierung der subnationalen Transfersysteme als besonders große Herausforderung eingeschätzt. Hierbei sollten unbedingt vorhandene Strukturen genutzt werden.
Als Schlüsselakteure werden derzeit die Weltbank, Norwegen, Australien und unter Umständen auch große NGOs gesehen. Für Pilotprojekte sollten enge Absprachen getroffen und eine hohe Teilnahme (zur Leakage-Minimierung) angestrebt werden. Die deutsche bzw. europäische Position muss des Weiteren Probleme der Leakage auf allem Ebenen adressieren. Aufgrund der hohen Anforderungen an politisch-institutionelle Kapazitäten wird eine Erweiterung des von der Forest Carbon Partnership Facility FCPF der Weltbank eingeführten „Readiness“-Begriffs über technische Aspekte hinaus auf Governance-Kriterien angeregt.
In der Diskussion wurde ein von verschiedenen Forschungsinstituten für den Brasilianischen Amazonas-Regenwald entwickelter Ansatz (vgl. Win-Win Solutions) als bisher einziger umfassender Vorschlag zur Gestaltung eines subnationalen Transfersystems gewürdigt aber auch kritisiert. Hier werden verschiedenen Landnutzungen differenziert Opportunitätskosten zugewiesen. Zudem werden die unterschiedlichen Akteursgruppen spezifisch adressiert. Der Ansatz versucht so einerseits, den vielfältigen Interessensgruppen mit unterschiedlichen Verhaltensmotivationen gerecht zu werden. Andererseits muss infrage gestellt werden, inwieweit Landnutzer mit potenziell höheren Profiten - wie etwa Besitzer großer Sojafarmen -Anspruch auf höhere Kompensationen haben sollten als z.B. Kleinbauern oder Indigene. Ein globaler Mechanismus sollte in jedem Fall für eine große nationale Diversität derartiger Modelle flexibel sein. Gleichzeitig ist ein gutes Monitoring dieser Systeme notwendig.
Handlungsempfehlungen für die internationale Gemeinschaft
Zur Frage, welche konkreten Handlungsempfehlungen sich daraus für die internationale Gemeinschaft ableiten lassen, herrschte Einigkeit darüber, unterschiedlichen Situationen in den Waldländern mit mindestens drei verschiedenen Angeboten zu entsprechen. Hierbei werden für Länder mit relativ starken Governance-Strukturen wie z.B. Brasilien strengere Berichtspflichten vorgeschrieben als für Länder mit schwachen Systemen wie z.B. Kongo, in denen zuvorderst der Aufbau institutioneller Kapazitäten unterstützt wird. Außerdem ist für erstere ein System der ex-post-Finanzierung möglich, während für letztere eine ex-ante-Finanzierung (klassische Projektfinanzierung mit enger Mittelverwendungskontrolle) empfohlen wird. Schließlich soll es noch eine mittlere Kategorie geben, die zwischen den beiden erstgenannten Extremen läge.
Die Ausgestaltung der Kriterien und Maßnahmen für diese drei Länderkategorien ist eine der Aufgaben, die bis zur Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen erledigt werden muss. Dabei können Erfahrungen aus der entwicklungspolitischen Diskussion genutzt werden. Damit es 2009 zu einer Einigung kommt, bedarf es der Entwicklung eines breiten Systemmodells, das nicht zu komplex ist und dessen Details im Nachhinein auszuhandeln sind. Hierzu wurde jedoch auch auf die Risiken, die eine nachträgliche Festlegung von Regeln mit sich bringen kann und die die Verhandlungsprozesse zu LULUCF (steht für den Bereich Land Use, Land-Use Change and Forestry im Kyoto-Protokoll) verdeutlichten, hingewiesen.
Lösungsansätze und Strategien
Des Weiteren muss von den Industrieländern bis 2009 ein Signal ausgehen, welche Lösungsansätze sie beim Waldschutz präferieren, welche Elemente auf welcher Ebene verhandelt werden sollen und welche Größenordnungen bei den Reduktionen angestrebt werden.
Schließlich wurde die Frage diskutiert, inwieweit eine REDD-Governance-Struktur Fehlentwicklungen, wie sie beim Clean Development Mechanism (CDM) zu konstatieren sind, verhindern kann. Zahlreiche der CDM-finanzierten Projekte leisten nachweislich keinen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung vor Ort. Beim Waldschutz spielen einerseits andere Akteure als beim CDM eine Rolle und die Kapazität und Kontrollfähigkeit der Regierungssysteme kann durch eine Aufnahme in den Readiness-Begriff einbezogen werden. Andererseits müssen aber auch neue Risiken wie die Korrumpierbarkeit der Zivilgesellschaft beachtet werden.